Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Plenarsitzung, die vierte in dieser laufenden Legislaturperiode. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. – Dem wird nicht widersprochen.

Erledigt sind die Punkte 1, 3 bis 7, 29 und 31.

Auf Ihren Plätzen liegt ein eingegangener Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Trennung von Netz und Verkehr bei der Bahn, Drucks. 17/80. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 36. Redezeit, Herr Kollege Wintermeyer?

Herr Präsident, fünf Minuten pro Fraktion.Wir haben uns darauf geeinigt,dass wir ihn gegen den Punkt 24 tauschen, der am Donnerstag um 16 Uhr vorgesehen ist. Der würde auf das nächste Plenum vertagt. Wir würden den Tagesordnungspunkt stattdessen am Donnerstag um 16 Uhr aufrufen können.

Donnerstag statt Punkt 24. Der neue Punkt ist dann Tagesordnungspunkt 36. Die Redezeit die gleiche, zehn Minuten?

(Axel Wintermeyer (CDU): Dann machen wir das! – Reinhard Kahl (SPD): Das war mein Wunsch, zehn Minuten!)

Dann stelle ich fest: Der Punkt 36 wird statt Punkt 24 am Donnerstag mit zehn Minuten Redezeit aufgerufen.

Weiter eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend verantwortungsvolle und nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik für Hessen, Drucks. 17/81. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Antrag Punkt 37 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 12, 13, 17, 32 und 34 aufgerufen werden, also praktisch mit dem Rest der Tagesordnung. – Damit ist das so beschlossen.

Ich verweise auf den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und FDP betreffend die IBA – eine Chance; der IBA eine Chance, Drucks. 17/82. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Dann nehmen wir diesen Antrag als Tagesordnungspunkt 38 auf, und wir rufen ihn mit Punkt 14 auf, einverstanden? – Das ist der Fall.

Ich rufe den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan, Drucks. 17/84, auf. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann ist das der Punkt 39. Redezeit fünf Minuten?

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Danke.

Eingegangen und verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG, Drucks. 17/85. Wird

die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Das ist dann Punkt 40 auf unserer Tagesordnung, und wir rufen ihn am Donnerstagnachmittag mit Punkt 36 auf.

Weiterhin eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Bekämpfung der Jugendkriminalität durch die Schaffung von Erziehungs- und Präventionszentren, Drucks. 17/86. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Punkt 41 der Tagesordnung. Wir rufen ihn mit Punkt 25 auf. – Auch dieses ist damit so beschlossen.

Wir tagen heute bis 18 Uhr, Mittagspause etwa von 13 bis 15 Uhr, also zwei Stunden.Wir beginnen jetzt mit dem Tagesordnungspunkt 19, Antrag der Fraktion der CDU betreffend Modellprojekt für Familienzentren, Drucks. 17/53, dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 17/77. Nach diesem Punkt kommt der Punkt 15, Antrag der Fraktion der FDP betreffend Gesundheitsfonds stoppen – Beitragsautonomie der Krankenkassen bewahren, Drucks. 17/47. Dazu rufen wir den Punkt 33 mit auf.

Zu Ihrer Information: Wir beginnen nach der Mittagspause mit Punkt 14, Drucks. 17/28.

Herr Kollege Banzer wird uns ab 15 Uhr nicht mehr zur Verfügung stehen können.

Der Ältestenrat ist heute einberufen auf 14.45 Uhr in Raum 103 A.

Es gibt keine weitere Mitteilung. Dann treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Modellprojekt für Familienzentren – Drucks. 17/53 –

dazu:

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 17/77 –

Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Ich rufe Frau Abg. Müller-Klepper von der Fraktion der CDU auf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kindergärten, Bildungsgärten, Familiengärten – dieser Dreisprung ist unser Ziel. Die Kindergärten sollen nicht nur betreuen und erziehen, sondern Stätten der frühkindlichen Bildung sein, in denen Kinder individuell und optimal gefördert werden, spielerisch die Welt erfahren und das Lernen lernen – ein Ansatz, den bereits Friedrich Fröbel, der 1840 in Bad Blankenburg den ersten Kindergarten eröffnete, verfolgte.

Der Kindergarten hat von dort aus seinen Siegeszug rund um die Welt angetreten. Doch der bildungspolitische Ansatz ist in Deutschland lange Zeit in den Hintergrund getreten. Erst als durch die Ergebnisse der PISA-Studie die Alarmglocken läuteten, ist bewusst geworden, dass frühkindliche Bildungsaktivitäten keineswegs der Kindheit die Unbeschwertheit rauben, sondern dass sie der Natur des Kindes entsprechen und dass es ein Recht darauf hat.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben mit dem hessischen Bildungs- und Erziehungsplan Pionierarbeit geleistet und ein Fundament für diese Bildungsarbeit geschaffen. Es ist erfolgreich erprobt und

findet breite Anerkennung und Zustimmung. Jetzt läuft die Umsetzung an.

Wir wollen, dass der Bildungs- und Erziehungsplan auf freiwilliger Basis flächendeckend in den Kindergärten eingeführt wird.Wir unterstützen als Land die Implementierung. Meine Damen und Herren, hierfür sind in verstärktem Maße Ressourcen bereitzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Parallel zu diesem Ausbau der frühkindlichen Förderung und Bildung wollen wir die nächste Stufe der Weiterentwicklung hin zu mehr Qualität einleiten und in einem Modellprojekt erproben, die Öffnung der Kindergärten für die Eltern, den Ausbau der Bildungsgärten für Kinder zu Häusern für die Familie.

Die Kinderbetreuungseinrichtungen sollen zum Knotenpunkt eines familienunterstützenden Netzwerks werden, das auch präventive Wirkung entfaltet. Ziel ist es, auch die Eltern zu stärken und eine enge Erziehungspartnerschaft zwischen ihnen und dem pädagogischen Fachpersonal zum Wohle des Kindes zu gründen, um ihm den bestmöglichen Start zu eröffnen.

Um ein Kind aufzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf – sagt treffend ein afrikanisches Sprichwort. Erziehung ist zwar in allererster Linie Aufgabe und Pflicht der Eltern, doch sie brauchen Mitspieler. Denn niemand lebt, vegetiert wie Kaspar Hauser.

Kindheit bestimmt das Leben. Ich hoffe, Sie alle denken gern an die eigene Kindheit zurück, denn dann haben unsere Eltern und die Menschen, die uns ins Leben geleitet haben, ihren Job gut gemacht.Aus uns allen hier scheint ja etwas geworden zu sein.

Die frühkindlichen Erlebnisse und das Verhalten der engsten Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren beeinflussen erheblich den Lebenslauf. Daher haben alle, die am Erziehungsprozess beteiligt sind, eine sehr große Verantwortung. Damit sie angemessen wahrgenommen werden kann, muss die Politik den Rahmen setzen und hierbei den veränderten Lebenseinstellungen und -bedingungen der Familien Rechnung tragen. Unterstützung ist gefragt – nicht die Lufthoheit über den Kinderbetten, die ein früherer SPD-Generalsekretär propagiert hat.

(Beifall bei der CDU)

Auch eine Verstaatlichung der Erziehung ist nicht gefragt. Wir dürfen die Familien nicht alleine lassen, und zugleich müssen wir ihnen Freiraum geben und die Voraussetzungen schaffen, damit sie ihr Lebensmodell leben und verwirklichen können. Eine solche Familienpolitik ist kein „Gedöns“, sondern zentrale Zukunftsaufgabe.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, starke Eltern bedeuten starke Kinder. Starke Familien bedeuten eine starke Gesellschaft.

Eine nachhaltige Familienpolitik muss auf die Herausforderungen unserer Gesellschaft mit der Entwicklung integrativer Infrastrukturen reagieren – so beschreibt der Siebte Familienbericht der Bundesregierung die aktuelle Aufgabenstellung.

Ein solcher innovativer Ansatz ist das Familienzentrum. Die klassische Aufgabentrias Erziehung, Bildung und Betreuung für Kinder wird erweitert. Es entsteht ein integriertes System der Kinder- und Familienbetreuung auf der Basis eines ganzheitlichen Konzepts. Die Förderung

von Kindern und die Unterstützung von Familien können Hand in Hand gestaltet werden. Ich möchte ausdrücklich betonen: Im Mittelpunkt steht wie bei unserem Bildungsund Erziehungsplan das Kind in seiner Einzigartigkeit, mit seinen Stärken und Kompetenzen, die es zu fördern gilt.

(Beifall bei der CDU)

Kernelemente des Familienzentrums sollen sein: erstens eine frühe Bildung, die das Kind fördert; zweitens eine hochwertige Betreuung,die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert; drittens frühe Beratung, Information und Bildungsangebote für die Eltern, um deren Erziehungskompetenz zu stärken;viertens praktische Hilfen für Eltern zur Konfliktbewältigung, aber auch zur Stärkung der Selbsthilfekompetenz; fünftens Austausch und Begegnung, um soziale Kontakte zu stärken; und sechstens last, but not least die Fortbildung des pädagogischen Fachpersonals.

Warum wollen wir diesen Weg einschlagen?

Meine Damen und Herren, die Lebensbedingungen der Familien haben sich grundlegend geändert. Viele verfügen in ihrem Umfeld nicht über familiäre Unterstützung, geschweige denn Nachbarschaftshilfe. Die Zahl der Alleinerziehenden nimmt zu, ebenso die Zahl der Scheidungen und Patchwork-Familien.

Die Integration von Familien mit Migrationshintergrund ist eine große gesellschaftliche Aufgabe,der es sich zu stellen gilt.Viele Eltern aber sind unsicher und fühlen sich mit der Erziehung ihrer Kinder oft überfordert. Dies hat Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung.

Als Beispiele seien an dieser Stelle nur die Sprachdefizite angeführt, die nicht nur Kinder ausländischer Herkunft aufweisen. Dies kann sich zu einem Handicap für die schulische und berufliche Laufbahn auswachsen. Deshalb brauchen Kinder und ihre Familien verstärkt Unterstützung.

Diese muss so früh wie möglich ansetzen; idealerweise wäre das bereits während der Schwangerschaft oder direkt nach der Geburt, wie das bei den Neuvola-Familienzentren in Finnland geschieht.In den ersten Lebensjahren werden die Weichen gestellt. Wer hier abgehängt wird, läuft hinter dem Zug her und holt ihn – wenn überhaupt – nur unter großen Mühen wieder ein.