Ich sage sehr deutlich: Die Diskussionen, die im Deutschen Bundestag vor einigen Tagen über die Frage gelaufen sind, ob das Kulturprogramm abgesetzt werden soll, halte ich für falsch. Ich halte es für richtig, dass im Rahmen des Kulturprogramms eine Vielzahl von Ausstellungen durchgeführt wird, dass deutsche Künstler an der Peking-Biennale teilnehmen und dass unser Sinfonieorchester, das Radiosinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, Auftritte in Peking im Rahmen des Kulturprogramms der Olympischen Spiele hat.Das sind Botschafter für die Durchsetzung der Menschenrechte. Die darf man nicht abziehen, sondern man muss sie ganz bewusst dorthin schicken.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. – Wir müssen hier noch vieles neu üben. Ich musste eben üben bzw. lernen, dass eine Geschichte, die vor 70 Jahren geendet hat, noch jemandem in dieser Art vorgeworfen wurde, wie Herr van Ooyen das getan hat,indem er auf das aus seiner Sicht antidemokratische und theokratische Regime des Dalai Lama und seiner Vorgänger hingewiesen hat.
Ich will Ihnen nur sagen:Ganz offensichtlich gibt es in dieser Region sehr wohl Entwicklungen, die von diesem System Abstand genommen haben. Offensichtlich ist Ihnen verborgen geblieben, dass in einem Nachbarland von Tibet erst vor wenigen Wochen die erste demokratische Wahl stattgefunden hat, und dies von einem theokratischen Fürsten, König, wie auch immer inszeniert.
Hören Sie auf, Feindbilder zu bauen, wo keine sind. Unterstützen Sie uns in dem Kampf darum, dass der Dalai Lama und die Tibeter ein Recht haben, so zu leben,wie sie es in ihrem Land gerne möchten. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube,es ist eine gute Tradition,dass wir uns jetzt seit fast eineinhalb Jahrzehnten im Hessischen Landtag vielleicht ein bisschen intensiver, als das die Regel in Landesparlamenten der Bundesrepublik Deutschland sein kann, mit der Situation in China und gerade auch mit der besonderen Situation der tibetischen Bevölkerung in China beschäftigen. In der Tat glaube ich – Herr Kollege Hahn hat es schon gesagt –, dass jenseits jeder nüchternen politischen Analyse an bestimmten Stellen persönliche Sympathie durch persönliches Erleben von Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen der CDU,der SPD,der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, durch das hier im Parlament Willkommen-Heißen, aber auch durch die Besuche nicht nur in Dharamsala, sondern auch auf Einladung der chinesischen Regierung in Tibet gewachsen ist.
Ich denke, das gibt uns eine besondere Verpflichtung, in einer solchen Debatte nicht zu schweigen, und auch eine besondere Verpflichtung, zu wissen, dass auf das, was wir dazu sagen, vielleicht etwas mehr gehört wird, weil es etwas deutlicher beobachtet wird als bei anderen. Die Tradition, dem Dalai Lama mit der Plattform des Hessischen Landtags im Jahr 1995 eine Perspektive für die Chance zur Diskussion in offiziellen Gremien der Bundesrepublik Deutschland gegeben zu haben, ist sehr wohl beobachtet worden, und sie hat etwas damit zu tun, ob die Angelegenheiten im Interesse des tibetischen Volkes in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielen. Deshalb finde ich es gut und richtig, dass wir hier eine solche Resolution verabschieden. Ich will das für die Landesregierung ausdrücklich dankend sagen.
Ich will hinzufügen, dass die Landesregierung die Wortbeiträge von Abgeordneten nicht zensieren oder bewerten darf. Aber ich kann mich dafür bedanken, dass Sie zu Beginn der parlamentarischen Arbeit etwas gemacht haben,an dem wir anderen vielleicht relativ lange gearbeitet haben, bis wir zu diesem Positionen gekommen sind. Das zeigt, dass wir hier eine jenseits der normalen Fronten gehende Übereinstimmung im Parlament haben.
Ich glaube, wir sollten uns bewusst sein: Jeder Satz, jede Aktivität, jede Frage des Boykotts oder Nicht-Boykotts werden in diesen Tagen beobachtet. Ich glaube, dass es richtig ist, heute zu sagen, dass es gut ist, solange es nicht außergewöhnliche Ereignisse gibt, die man im Vorhinein nicht sozusagen ignorieren darf, dass es eine möglichst intensive Diskussion gibt. Nichts hilft dem tibetischen Volk mehr als die kritische Debatte.Deshalb können die Olympischen Spiele, obwohl man vielleicht ganz andere Vorstellungen hatte und manche in der chinesischen Führung sich wahrscheinlich über die Dinge wundern, die derzeit geschehen, eine hilfreiche Sache sein, wenn man sie offensiv aufnimmt.
Dazu muss man zu Formulierungen finden. Dazu ist es auch wichtig, in einer Resolution zu sagen, dass man die Welt nicht neu ordnen kann, auch wenn wir das gelegent
Aber es gibt ein paar Dinge, auf die wir Wert legen können. Das Internationale Olympische Komitee mit all den Problemen der aus meiner Sicht falschen Zurückhaltung hat eines erreicht, auf das die Funktionäre durchaus gelegentlich hinweisen: dass z. B. eine Vereinbarung besteht, dass im Jahr der Olympischen Spiele Journalisten in ganz China Bewegungsfreiheit haben.
Ich habe viele Stunden mit Vertretern der chinesischen Regierung zugebracht, in denen mir erklärt worden ist, was ich nie bestritten habe, dass Tibet heute ein Teil des chinesischen Staatsgebietes ist. Aber dann gilt die Frage, die so oft erörtert worden ist, wenn Tibet ein Teil des chinesischen Staatsgebietes ist, wo sich Journalisten, die sich aufgrund der IOC-Vereinbarung frei in China bewegen können, auch bewegen können: nämlich auch in Tibet.
Niemand soll sich täuschen: Wir leben in einer medialen internationalen Gesellschaft. Für die Tibeter und ihren Schutz ist nichts existenziell wichtiger als die Sichtbarkeit ihrer persönlichen Situation auf den Bildschirmen der Welt. Es ist nichts wichtiger als das. Es gibt keine bessere Form von Lebensversicherung als dies.
Das Zweite ist: Wir aus Hessen entsenden eine der größten Delegationen aus hessischen Sportlern zu den Olympischen Spielen. Viele von uns hier im Saal kennen viele davon. Wir arbeiten oft gemeinsam mit ihnen, um jungen Leuten am Beispiel dieser Sportler Leistungsmotivation, Selbstbewusstsein, Courage und viele Dinge des Einsatzes zu vermitteln. Das IOC hat eine Verantwortung dafür, dass diese Sportler nicht ein Stück ihres Rückgrats im emotionalen Sinne abgeben müssen, wenn sie in Peking sind. Vielmehr müssen sie aus Peking als selbstbewusste Staatsbürger zurückkommen, wie wir sie in unserem eigenen Land erleben. Das muss das Internationale Olympische Komitee erlauben.
Man fragt sich an einer solchen Stelle – das ist eine neue Herausforderung des Parlaments –, ob man, diese Gemeinsamkeit betonend und sehr dankbar dafür seiend, endet oder ob man eine Bemerkung macht. Lieber Herr van Ooyen, ich will eine Bemerkung machen, weil ich glaube, dass wir an der Stelle etwas gemeinsam austragen müssen. Man kann über viele Entwicklungen, auch über die Entwicklung des Buddhismus, unterschiedlicher Meinung sein. Wie Sie wissen, bin ich Katholik. Über die demokratischen Strukturen der katholischen Kirche gibt es durchaus ambivalente Debatten.
Wenn wir heute über den Buddhismus und Buddhisten in China sprechen, sollten wir nie vergessen, dass Christen im Augenblick dort an bestimmten Stellen genauso verfolgt werden wie Buddhisten. Wir sollten hier keine Religionsdebatte führen.
Sie müssen sich aber klar werden – das ist in der parlamentarischen Debatte so –, was Sie mit Ihren Worten machen. Ich schaue einmal in den Raum. Herr Kollege Walter und ich, wir waren zusammen in Tibet.Wir haben noch ein bisschen im Kopf, wie uns die chinesischen Funktionäre die Welt erklärt haben.
Dazu gehörten z. B. die Sätze, dass man die Leute dort vom Feudalismus befreit habe und man wissen müsse, welche besondere Situation es gewesen sei,diese Leistung erbracht zu haben. Außerdem sei der Dalai Lama ein undemokratischer Diktator, der im Westen nur für die schönen Fernsehbilder freundschaftlich gehätschelt werde.
Sie müssen wissen, was der Hessische Landtag in China auslöst,wenn das analysiert wird,was wir diskutieren.Nur deshalb widerspreche ich Ihnen; sonst wäre es mir heute bei der Einigkeit nicht wichtig genug.Verstehen Sie, wenn man im Hessischen Landtag mit ähnlichen Worten die Situation beschreibt, dann ist das aus der Sicht der chinesischen Führung eine erfreuliche Relativierung der Bemerkungen der anderen. Aber das ist der falsche Weg, Herr van Ooyen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abge- ordneten der SPD)
Verstehen Sie, niemand hier im Haus sagt, dass der Dalai Lama Staatsoberhaupt von Tibet werden soll; denn wir haben hier im Haus längst die Ein-China-Politik akzeptiert. Sie ist friedenssichernd. Alles andere würde zu Unfrieden führen. Das sagen wir, wenn wir mit dem Dalai Lama reden, und das sagt er auch selbst, und zwar seit mehr als 20 Jahren.
Die mit der Religion zusammenhängenden Fragen können die Betroffenen organisieren, wie sie wollen, und der weltliche Teil ist selbst im Exil inzwischen so organisiert, dass demokratische Wahlen durchgeführt werden. Es gibt einen direkt gewählten Ministerpräsidenten in der Exilgemeinde,es gibt ein Parlament,es gibt eine Regierung,es gibt heftigste Diskussionen über wichtige Fragen. Das ist weit entfernt von dem, was in der autonomen Region Tibet unter den Regeln der tibetischen Regierung möglich ist.
Folgendes muss klar sein. Wenn man den Eindruck hat, auf der einen Seite steht eine alter,ignoranter,von freundlichen westlichen Medien gehätschelter Mann, und auf der anderen Seite steht die „Beglückung“, jedenfalls eine Relativierung dessen, was man auch sehen muss, dann ist das ein Form der Gleichgewichtigkeit in der Frage der Menschenrechte, die ich für mich nicht akzeptiere.
Nur deshalb entscheide ich mich an dieser Stelle, das in die Debatte über einen Konsens zu geben.Sie müssen verstehen, dass eine Annahme Ihres Antrags alle diese Missverständnisse verfestigen würde. Wir können an dieser Stelle dem tibetischen Volk nur helfen,wenn wir uns einer Relativierung enthalten, denn nur dann werden die chinesischen Institutionen in der Beobachtung unserer Aktivitäten erkennen, dass es sich nicht lohnt, auf die Relativierer zu warten. Das ist die Entscheidung, die dort getroffen wird: die Entscheidung, ob man das aussitzen kann,ob das in 20 Jahren vorbei ist oder ob das eine Sache ist, auf die man besser Rücksicht nimmt, weil man schneller in der freien Welt akzeptiert werden will, in der Staatengemeinschaft, für die man doch so viel investiert hat,
indem man die Olympischen Spiele ins Land geholt hat. Wir sagen, wir brauchen China in der Staatengemeinschaft und nicht außerhalb der Staatengemeinschaft, aber unter den Bedingungen, die in einer freien gemeinschaftlichen Welt herrschen sollten.
Ganz zum Schluss zurück zur Emotion. 1995 hat es jeder gespürt, und ich habe es an vielen Stellen gesagt: Was ist denn das Besondere an dem Freiheitskampf der Tibeter? Wir haben, auch in diesem Parlament, viele empfangen, die Freiheitskämpfe geführt haben. Die meisten hatten irgendwo und irgendwann auf ihrem Weg etwas mit Waffen zu tun. Ich gehe jetzt ganz weit zurück: Das reicht von Südtirol bis nach Palästina, und es bleibt nicht auf der palästinensischen Seite, sondern das gilt auch für die anderen, die man dort trifft.
Die Tibeter sind in der Weltöffentlichkeit – auch als Symbol – als die Einzigen sichtbar, die das nicht machen. Es gibt noch mehr Minderheiten, die zum Teil gar nicht gesehen werden, die das gleiche Schicksal haben.Auch das ist unbestreitbar. Aber für viele Menschen auf der Welt ist der Maßstab dafür, ob es auch ohne Bomben geht, die Frage,ob die Tibeter am Ende verlieren oder nicht.Das ist ein Teil der Bedeutung des Konflikts – neben der wichtigen Frage, dass wir jeden einzelnen Menschen in Tibet schützen wollen, dass er seine Religion ausüben kann, dass er seine Meinung sagen kann und seine Sprache sprechen kann. Aber wenn Milliarden Menschen über das Fernsehen miterleben, wer Erfolg hat oder keinen Erfolg hat, wenn die, die Gewalt anwenden, im Kampf um ihre Selbstständigkeit damit Erfolg haben, während die, die keine Gewalt anwenden, nur eine Autonomie haben wollen und keine Selbstständigkeit mehr fordern, diejenigen sind, über die man hinweggehen kann, dann ist das eine gefährliche Botschaft an die Kinder auf allen Kontinenten der Welt. Das ist der Grund dafür, warum wir in dieser Frage mit solcher Entschlossenheit arbeiten.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aussprache angelangt.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 17/68, ab. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.– Das ist die Fraktion DIE LINKE.Gegenstimmen? – Das sind CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Jetzt lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 17/99, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.– Das sind CDU,SPD,FDP,BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, also das ganze Haus. Das hätte ich kürzer formulieren können. Dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Schutz der Bevölkerung in Tibet, Drucks. 17/34. Wer diesem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Hand
zeichen. – Das ist das gesamte Haus. Damit ist der Dringliche Antrag in der geänderten Fassung angenommen. Ich bedanke mich herzlich.
Die Geschäftsführer haben vereinbart, dass Tagesordnungspunkt 16 auf den morgigen Tag geschoben wird. Da
mit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe die Sitzung.