Ich glaube, dass das eine sehr große Herausforderung für die Zukunft ist, und zwar eine Herausforderung auf allen Ebenen, von Sportlern über Politiker bis hin zur Wirtschaft. Diese Verantwortung wird nicht mit den Olympischen Spielen im Jahr 2008 enden. Ich habe eher den Eindruck, dass sie erst beginnt, weil wir jetzt Formen finden müssen, gemeinsam eine Zuspitzung der Lage in Tibet zu verhindern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Menschenrechtssituation in China nachhaltig verbessert. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Das Wort hat Herr Kollege van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich will nicht auf die Olympischen Spiele eingehen, weil man da sehr unterschiedlicher Meinung sein kann, ob es sich
um ein sportliches oder eher um ein Gladiatorenereignis handelt, das zum Instrument geworden ist. Es waren die Chinesen, die diese Olympischen Spiele zustimmend angenommen haben – das stimmt schon –, aber es waren sicherlich Sponsoren, die eher auch in der bundesrepublikanischen Landschaft ihre Interesse auf ökonomischem Gebiet vorangebracht haben.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Internationaler Großkampftag! – Holger Bellino (CDU): Um was geht es denn jetzt?)
Es geht darum, dass man dieses Ereignis jetzt Gott sei Dank im Fokus hat, aber ich will die Notwendigkeit der Olympischen Spiele nicht bewerten. Das wollte ich damit nur sagen.
Die Forderung nach Schutz der kulturellen Identität und des Selbstbestimmungsrechts, auch für die Tibeter, ist völlig berechtigt. Diese Rechte stehen jedem Volk zu. Nach internationalen Menschenrechtspakten ist das gar nicht anders zu bewerten.
Die Kultur dieses tibetischen Volks muss allerdings selbst wiederum die Menschenrechte respektieren, als dialektische Position. Deshalb möchte ich auf Folgendes hinweisen. Der Aufbau einer Demokratie in Tibet wird nicht nur durch die Repressionspolitik Chinas behindert, sondern auch von dem Umstand, dass Tibet auf keine demokratische Tradition vor dem chinesischen Einmarsch zurückgreifen kann.
Eine Wiederherstellung der alten buddhistischen Theokratie, in der die meisten Menschen als Leibeigene und Sklaven vegetierten, in der gnadenlose Ausbeutung und grausamste Strafen das Leben der Mehrheit prägten, kann jedenfalls niemand fordern, dem es ernsthaft um Menschenrechte geht.
Es gibt viele Berichte von Historikern über das feudale Tibet oder viele kritische Anmerkungen zur Diskrepanz zwischen Worten und Taten.Deshalb haben wir sehr deutlich gesagt, dass es sich nicht um den Führer einer Glaubensrichtung handeln kann, sondern tatsächlich um einen Repräsentanten dieser Glaubensrichtung, und hatten deshalb diesen Änderungsantrag vorgelegt, dem jetzt auch die anderen Fraktionen nachgekommen sind, wie ich gerade gesehen habe. – Das Wort „Führer“ ist in unserem Land ja relativ stark belastet.
Es ist an der Gleichwertigkeit von sozialen und politischen Menschenrechten anzuknüpfen. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass es auch darum gehen muss, die Bemühungen der chinesischen Regierung bei der Verwirklichung von sozialen Menschenrechten, z. B. der Armutsbekämpfung,zu würdigen.Das steht auch in dem Antrag, was ich gut finde.
Daraus folgt aber keine Verteidigung der faktischen Menschenrechtsverletzungen in China, die umfassender sind als nur die in Tibet; da geht z. B. um gewerkschaftliche Rechte, da geht es um die Todesstrafe, da geht es um all die Dinge, die wir angeprangert haben und die wir anprangern werden. Da geht es aber auch darum, dass es bei den Menschenrechten keine Rangordnung formaler Natur geben kann. Deshalb sind wir entschieden der Meinung, dass eine verbindliche Menschenrechtsbetrachtung, und dies nicht nur in China, erfolgen muss. Die Men
schenrechtsverstöße in Tibet und in China selbst, wie ich gesagt habe, sind grundsätzlich nicht hinnehmbar.
Von offizieller deutscher Seite wurde bisher der Geschäftemacherei mit China stets der Vorzug gegenüber deutlicher Kritik gegeben.Wenn sich solche Kritik nun vor den Olympischen Spielen verstärkt, ist es gut. Man darf dabei aber nicht dem freundlichen Medienimage auf den Leim gehen, das der amtierende Dalai Lama dem tibetischen Buddhismus verleiht.Wer die traditionelle tibetische Kultur mitsamt ihren antidemokratischen und menschenrechtswidersprechenden Momenten en bloc und ohne Vorbehalte schützen will, ist möglicherweise zynisch.
Dies gilt auch, wenn der Dalai Lama – Herr Wagner, hören Sie zu – sich hin und wieder halb als Buddhist und halb als Marxist begreift.
(Holger Bellino (CDU):Wie man so technokratisch reden kann bei diesem Thema! – Axel Wintermeyer (CDU): Erklären Sie Ihren Antrag, und lesen Sie nicht ab, was Sie aufgeschrieben haben! – Unruhe bei der CDU)
Nun ja, ich musste mich ja ein bisschen vorbereiten, weil ich ganz gespannt bin auf Ihre Reaktionen. Deswegen muss ich ein bisschen fixierter sprechen.
Mir geht es darum, dass alle Menschen, die in Tibet und in der Region leben, auch ihre Menschenrechte realisiert wissen möchten. Man darf nicht nach rassistischen oder anderen, beispielsweise religiösen Gesichtspunkten Nationen und Völker bilden. Hier geht es darum, tatsächliche Mitwirkung in allen Bereichen durchzusetzen. Ich meine das nicht nur in Tibet. Ich sehe, wie die CDU und manche in der FDP kleinlaut werden, wenn es sich um andere Gegenden der Welt handelt, die von Menschenrechtsverletzungen genauso betroffen und bedroht sind. Ich denke dabei an Abu Ghuraib, ich denke an Guantanamo. Da würde ich gerne Ihre Vokabeln lauter hören.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin meinen Vorrednern Dr. Wagner, Frau Schulz-Asche
und Frau Everts sehr dankbar für ihre Beiträge. Ich kann für die FDP in diesem Haus sagen, dass wir zu 100 % hinter den Ausführungen von Ihnen dreien stehen. Vielen Dank, dass Sie es so formuliert haben.
Menschenrechte sind unteilbar, Menschenrechte gelten überall,an jedem Ort auf dieser Erde.Deshalb müssen wir uns als Landesparlament zu Wort melden, wenn derartige brutale Vorgehen der chinesischen Sicherheitskräfte tagtäglich über die Medien in unsere Wohnzimmer gebracht werden müssen.
Die Abschottung Tibets von der Weltöffentlichkeit ist unerträglich für alle Demokraten und Menschen, die im Rechtsstaat leben wollen.Deshalb ist dieser Beschluss des Hessischen Landtags, getragen von den vier demokratischen Fraktionen, auch ein wichtiger Hinweis dahin, wie wir denken und wie wir handeln. Ich sage es sehr deutlich: Die FDP-Fraktion in diesem Haus unterstützt ausdrücklich den Hessischen Landessportbund.
Er hat in einer Erklärung von vor zwei Tagen festgestellt, dass es einen Boykott der Olympischen Spiele aus Sicht des Sports nicht geben kann. Ich bin der festen Überzeugung, es darf ihn schon einmal gar nicht aus Sicht der Politik geben.
Wenn wir meinen, Politik machen zu müssen, und hier müssen wir Politik machen, dann bitte nicht auf dem Rücken der Sportler, sondern mit den geeigneten Mitteln und Maßnahmen, die wir haben.
Wir als Hessen haben eine besondere Verantwortung,weil wir auch eine besondere Beziehung zum Dalai Lama haben. Es ist insbesondere dem Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zu verdanken, dass wir diese Beziehungen als hessische Bürgerinnen und Bürger haben – ich sehe einige Freunde des Dalai Lama als Gäste unserer Parlamentssitzung hier sitzen. Wir konnten in den Kontakten mit dem Dalai Lama erkennen, was er für ein Mensch ist. Ich hatte, wie einige hier im Raum auch, die Ehre und das Glück und die Erfahrung, beim Dalai Lama persönlich in Dharamsala sein zu dürfen und in einer besonderen Privataudienz mit ihm sprechen zu können.
Ich jedenfalls – und, ich glaube, auch alle meine Kolleginnen und Kollegen – bin mit dem Gefühl aus Dharamsala abgereist, dass es sich dabei um eine Persönlichkeit handelt,die nicht nur predigt,dass man auf Gewalt verzichten muss, sondern die es auch vorlebt, dass man Gewaltverzicht üben muss.
Deshalb ist es so banal, wenn die Fraktion der LINKEN nun meint, eine Relativierung der Menschenrechtsverletzungen vornehmen zu wollen.
Herr van Ooyen, Sie müssen schon lesen, was Sie beantragen.Sie haben eine Relativierung der Menschenrechtsverletzungen durch die Chinesen in Tibet und an den Tibetern vornehmen wollen. Da machen wir als FDP nicht mit, und da machen berechtigterweise auch alle anderen Fraktionen nicht mit.
Wir haben den Dalai Lama hier in Hessen als Redner gehabt.Das war ein Erlebnis für viele,die damals schon dem Hessischen Landtag angehört haben. Ich rede aber nicht über persönliche Erlebnisse, sondern ich rede darüber, dass wir wissen, weil wir den Dalai Lama kennen, dass er ein Mensch ist, der es verabscheut, dass dort Menschen mit Knüppeln und anderen Dingen auf Menschen zugehen.
So wollte und will der Dalai Lama nicht sein Volk in einer friedlichen Region zu Hause leben lassen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeden Angriff darauf müssen wir verurteilen, gerade als Hessischer Landtag.