Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Ich erteile Herrn Kollegen Rentsch das Wort für eine Kurzintervention.
Herr Kollege Dr. Spies, erst einmal vielen Dank für Ihre sympathische Rede in diesem neuen Landtag. Die Umgangsformen haben sich unglaublich geändert. Zum Zweiten passen wir heute von den Krawattenfarben gut zusammen:ich als Liberaler mit einer roten Krawatte,und Sie mit einer gelben Krawatte.
Herr Kollege Dr. Spies, ich habe mich wegen zweier Punkte gemeldet, die mir sehr wichtig sind. Der erste Punkt ist das Thema England. In Großbritannien gibt es ein staatlich organisiertes System, das sich sehr ähnlich anhört wie die Überlegungen von Ulla Schmidt. So ein System wollen wir nicht. Ich bin froh, wenn Sie sagen, Sie wollen so etwas auch nicht: staatlich organisiert, ohne freie Berufe und mit Zuteilungsmedizin. Wenn wir uns hier einig sind,sind wir ein ganzes Stück weiter.Sie sollten das dann aber auch nach Berlin zu Ihrer Bundesgesundheitsministerin kommunizieren.
Zweitens. Ich freue mich, dass heute Frau Dr. Stüwe als Präsidentin der Landesärztekammer hier ist. Ich glaube,
dass für die Ärztinnen und Ärzte die bundespolitische Diskussion eine Auswirkung auf ihre Arbeit in Hessen hat.
Es ist eben nicht nur eine bundespolitische Diskussion, die in Berlin geführt wird. Das muss uns gar nicht interessieren. Sie sind selber Mediziner, Sie sollten es selber wissen. Gehen Sie in hessische Praxen, schauen Sie, mit welcher Bürokratie und mit welchen Problemen sich die Ärzte in Hessen herumschlagen müssen. Gehen Sie in die Krankenhäuser. Schauen Sie sich die Auswirkungen des Krankenhaussonderopfers an, das die Bundesregierung verabschiedet hat und das die Krankenhäuser in schwierige Situationen bringt. Dort muss rationiert werden. Das ist doch nicht logisch, das ist doch nicht nachzuvollziehen.
Deshalb müssen wir hier feststellen:Natürlich hat das,was in Berlin gemacht wird, eine konkrete Auswirkung für hessische Ärztinnen und Ärzte,ob niedergelassen oder im Krankenhaus angestellt. Es ist ein Problem, dass die Gesundheitsversorgung durch die Reform von Frau Schmidt immer schlechter wird.Wenn wir gemeinsam etwas dagegen tun wollen, bin ich sehr begeistert. Sie haben recht, unser Wahlprogramm bietet eine ganze Reihe von Möglichkeiten, initiativ zu werden. Allerdings darf man dann nicht nur die Überschriften lesen.Ich weiß nicht,ob Ihnen der Fließtext auch immer so gut gefällt.
Nichtsdestotrotz bin ich gerne bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.Wir haben eine Menge an Problemen auf Landesebene zu klären.Wenn Sie dazu beitragen,dass es den Medizinern auf der einen Seite und den Patienten auf der anderen Seite in Hessen besser geht, freue ich mich sehr auf die Zusammenarbeit. – Vielen Dank.
Lieber Herr Kollege Rentsch, nicht dass wir uns missverstehen: So groß ist die Liebe denn doch noch nicht – auch wenn das Gelb heute ausdrücklich für Sie gewählt war und der blaue Hintergrund dazu auch;
ich habe die rote Krawatte bei Ihnen ähnlich verstanden –, dass wir die grundsätzlichen Positionen, die die Gesundheitspolitik auf Bundesebene angehen und bei denen wir durchaus unterschiedliche Auffassungen haben, deswegen negieren oder sie nicht zum Disput stellen.
Ich glaube allerdings, wir sind sehr nah beieinander, trotz der Kritikpunkte, die Sie eben noch einmal angebracht haben. Dass viele der niedergelassenen Kollegen sich über eine Fehlkonstruktion beklagen, die mehr Bürokratie bedeutet, darüber bin ich mit Ihnen einig. Man muss aber sehr genau gucken, welche Teile davon landespolitische Aufgaben sind, an welchen Stellen die landespolitische Aufgabe darin bestünde, hier Aufsicht auszuüben und dafür zu sorgen, dass die Effizienz der Selbstverwaltung steigt. An der Stelle wären wir gut beraten, zu
Deshalb mache ich noch einmal ausdrücklich das Angebot,dass wir in diesen Fragen,in denen wir landespolitisch über Gesundheitspolitik reden und in denen wir uns weitaus näher sind, als wenn wir die große bundespolitische Klammer davor setzten, zusammenarbeiten. Wir müssen in den landespolitischen Fragestellungen sehr genau prüfen, wie viele gemeinsame Projekte unter den besonderen Bedingungen dieses Landtags anstehen und erreichbar sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir da in der Kooperation weiter kommen,als es in der Vergangenheit war oder als es die bundespolitischen Auseinandersetzungen immer wieder nahelegen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Spies. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Lautenschläger das Wort.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht liegt es an dem lichtdurchfluteten Landtag, dass so viele Gemeinsamkeiten aufgedeckt werden. Also formuliere ich es auch so, dass jeder auch einen Teil davon hat: Der Gesundheitsfonds hat Licht und Schatten.
Vielleicht kommt das dann jeder Fraktion ein wenig entgegen. Wir haben hier schon häufiger Licht und Schatten des Gesundheitsfonds diskutiert. Es geht darum, bestimmte Bereiche in der Gesundheitspolitik auf einen Weg zu bringen. Als Landesregierung haben wir immer klar dazu gesagt, dass wir uns an einigen Stellen, gerade was den wettbewerblichen Bereich angeht, ein wesentlich konsequenteres Vorgehen gewünscht hätten. Das war in der bundespolitischen Konstellation nicht machbar. Klar ist aber auch, mit dem GKV-WSG sind einige Dinge auf den Weg gebracht worden,die dringend notwendig waren. Das betrifft sowohl das Vertragsrecht der Ärzte bei der Frage von Wahltarifen und von Hilfsmitteln als auch die ausdrückliche Verankerung des Wettbewerbsrechts im § 69 SGB V. Damit ist eine größere Transparenz hineingekommen, und es entstehen mit dem Wettbewerbsrecht neue Möglichkeiten.
Klar ist aber auch, durch das Festhalten an einem lohnbezogenen Beitragssystem wurden Wachstumsimpulse für den Arbeitsmarkt verhindert. Auf der anderen Seite schafft der Gesundheitsfonds aus unserer Sicht durch die Trennung von einkommensbezogenen Beitragseinnahmen und risikoorientierten Einnahmen der Krankenkassen einen Weg dorthin – der aus meiner Sicht durchaus nicht unterschätzt werden darf –,dass es eine gemeinsame Pauschale gibt, die Risikokomponenten beinhaltet. Zusätzlich wird Freiraum gelassen, sich darum zu bemühen, dass die eigenen Versicherten gesund bleiben oder möglichst schnell gesund werden.
Wenn ich mir persönlich auch weitere Anreize gewünscht hätte, damit der Patient, der Versicherte mehr mitsteuern kann – da sind wir sicherlich nur einen Schritt des Weges gegangen, das muss ausgebaut werden –, so denke ich, dazu werden wir neue Konstellationen brauchen. Herr Kollege Spies, bei Ihnen kann ich auch nach wie vor nur
den Ansatz finden, dass Sie überlegen, wie Sie in diesem System weiter regulieren und weitere Einschränkungen vornehmen können.
Da hoffe ich sehr, dass Sie, wenn wir im Landtag über das Land Hessen diskutieren, nicht auch noch die hessischen Kassen, die Krankenhäuser und die Ärzte mit Ihrer Regulierungswut treffen wollen, sondern dass wir Gestaltungsspielraum erhalten,
den wir in den letzten Jahren für die Krankenhausseite ausgebaut haben, aber auch auf eine Finanzierungsgrundlage gestellt haben,die sich bundesweit sehen lassen kann. Denn wir waren das Land, das bei der Krankhausfinanzierung ausgebaut und eben nicht abgebaut hat und das es gleichzeitig geschafft hat, festzuschreiben, dass gerade im ländlichen Bereich – darum geht es, wenn wir über Krankenhäuser reden – die Notfallversorgung gesichert bleibt. Das ist uns bundesweit als Ersten gelungen. Andere fangen jetzt an, das aufzunehmen.Aber das muss ohne Überregulierung, ohne neue Vorschriften geschehen, sondern so, dass vor Ort der Beruf überhaupt ausgeübt werden kann. Dort, wo das Land es mitregeln kann, werden wir es immer so halten, dass wir die Verantwortung vor Ort in die Selbstverwaltung hineingeben. Aber wir werden natürlich auch schauen, wie das mit dem Gesundheitsfonds auf der Bundesebene aussieht.
In der Debatte wurden einige der ganz schwierigen Punkte schon angesprochen. Dazu gehören der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich und auch der Rücktritt des Wissenschaftlichen Beirats. Dort ist nach wie vor eine ganze Reihe von Fragen offen, wenn es um die Umsetzung geht. Wenn wir jetzt in die Umsetzungsphase kommen bei der Ausgestaltung von Verordnungen, muss klar darauf geachtet werden, dass Fehlanreize verhindert werden. Dass ein Risikostrukturausgleich mit Morbiditätsorientierung eingeführt wird, halten wir grundsätzlich für richtig. Das muss aber so geschehen, dass nur ein Teilbereich abgedeckt wird, sodass es das Ziel einer Krankenkasse bleibt, möglichst nicht alle Patienten, die es noch nicht sind, krank zu machen, sondern weiterhin präventiv tätig zu werden und vernünftige Programme einzuführen.
Es wird noch eine ganze Menge Diskussionsbedarf geben. Als Landesregierung werden wir im Bundesrat,wenn Verordnungen vorgelegt werden – einige davon bedürfen der Zustimmung des Bundesrats –, sehr genau schauen, wie das in Zukunft geregelt wird. Die Gutachten liegen vor, aber es gibt noch eine ganze Menge Dissens auszuräumen, damit es zum Schluss auch funktionieren kann.
Auf der anderen Seite gibt es die Konvergenzregelung. Heute sind eine ganze Menge Zahlen in den Raum gestellt worden. Ich bin Dr. Bartelt ausgesprochen dankbar, dass er versucht hat, die Reihenfolge der Gutachten aufzugreifen; denn wir reden inzwischen über viele unterschiedliche Zahlen. Einig sind wir uns wahrscheinlich darüber, dass wir keine Verschlechterung der Situation der Patienten in Hessen wollen. Selbstverständlich gehört aber auch dazu, dass wir bei der Konvergenzregelung – Herr Dr. Spies, ich glaube, Sie müssen genauer hinschauen, warum sie eingeführt worden ist, wie es heute ist – –
Herr Dr. Spies, Sie können sich einmal mit den hessischen Ärztinnen und Ärzten zusammensetzen und darüber reden, wie es ausschaut.Auf der einen Seite reden wir über einen Ausgleich im Gesundheitsfonds.Auf der anderen Seite haben wir bestehende Vergütungssysteme.
(Dr.Thomas Spies (SPD): Ja, Frau Ministerin, auch das haben Sie letztes Jahr nicht ordentlich gelöst!)
Herr Dr. Spies, Sie werfen alles durcheinander.Aber wir können uns gerne am Rande des Plenums zusammensetzen. Dann kommen wir auch auf diese Frage.
Wir haben bestehende Vergütungssysteme,und zugegebenermaßen gibt es in Bayern andere als in Schleswig-Holstein oder Sachsen. Dadurch kommt jetzt das verrückte Ergebnis bei den Gutachten heraus, von dem Wille und Wasem deutlich sagen: So kann es nicht funktionieren, weil mit theoretischen Zahlen gerechnet wird. – Wir als Hessen würden, wenn das tatsächlich zuträfe, zu den Gewinnerländern zählen, weil dann Geld nach Hessen fließen würde. Ich schüttle dazu durchaus auch den Kopf, Herr Rentsch, aber selbstverständlich sagt das Gutachten aus, dass Geld aus Sachsen nach Hessen fließen würde. Hier entbehrt vieles einer gewissen Logik.
Das heißt aber auch, dass bisher im Grundsatz des Fonds oder in der Konvergenzklausel nicht Berücksichtigung gefunden hat, dass wir in den unterschiedlichen Landesteilen unterschiedliche Lebensverhältnisse haben, und zwar nicht nur deutschlandweit, sondern schon hessenweit.
(Dr. Thomas Spies (SPD): Der ganze Paragraf ist falsch, den Stoiber gemacht hat! Es fehlen nur die Ähs!)
Selbstverständlich muss das bei der Umstellung auf ein neues System eine Berücksichtigung finden. Deswegen werden wir uns mit diesen Gutachten,wenn sie Einfluss in die Verordnung finden, weiter intensiv auseinandersetzen. Denn wir werden selbstverständlich darauf achten, dass es keinen Nachteil für hessische Interessen gibt. Das ist unsere Aufgabe. So verstehen wir das, was wir als Landesregierung im Bundesrat begleiten werden. Deswegen wird es eine weitere Diskussion zu diesen Gutachten geben.
Denn die Gutachter selbst haben deutlich gesagt, dass es im Moment nicht so funktioniert. Das wird aus meiner Sicht ganz klar aus den Gutachten. Deswegen wird das Bundesgesundheitsministerium gefordert sein, gemeinsam auf der Basis des Vereinbarten eine Lösungsmöglichkeit vorzulegen.
Als dritten Punkt, der beim Gesundheitsfonds noch nicht gelöst ist, nenne ich die Vorlage der Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen. Dort gibt es inzwischen Eckpunkte; denn auch dort ist klar, dass man nicht plötzlich zwischen unterschiedlichen Kassenarten umschichten kann. Es muss gewährleistet sein, dass Kassen, die bisher in einem anderen System gewirtschaftet haben, dadurch nicht in eine Schieflage kommen und gleichzeitig die Länder nicht weiter haften. Das heißt aber auch, dass wir selbstverständlich die Interessen des Landes Hessen im Bundesrat vertreten werden, wenn die Verordnung vorgelegt wird. Wir werden schauen, ob sie dem entspricht, was in den Eckpunkten jetzt vereinbart wurde, die aus meiner Sicht zumindest in diesem Punkt auf einem richtigen Weg sind.
Es gibt also nach wie vor eine ganze Menge offener Fragen auf dem Weg zur Umsetzung des Gesundheitsfonds, die auch daher kommen, dass gleichzeitig neue Vergütungsstrukturen im niedergelassenen Bereich umgesetzt werden sollen, die auch noch nicht vorliegen, aber gleichzeitig in Kraft treten sollen. Deswegen müssen wir gemeinsam abwarten, wie weit die Gespräche sowohl aufseiten der Selbstverwaltung als auch aufseiten des Bundesgesundheitsministeriums kommen, ob die Verordnungen rechtzeitig vorgelegt werden können und wie sich die Verordnungen auf den Gesundheitsfonds auswirken.
Das betrifft sowohl die Konvergenzregelung als auch die Frage: Wie wird ein vernünftiges System hergestellt, das nicht nur einen Finanzkraftausgleich bewirkt, sondern auch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich an der richtigen Stelle einbezieht und gleichzeitig den Wettbewerb nicht verbaut? Es ist Ziel der Landesregierung, dass wir dort mehr Wettbewerb auf Dauer bekommen. In einigen Bereichen sehen wir schon klar die Auswirkung, dass es mehr Wettbewerb gibt. Aber in anderen Bereichen wird es künftig weiteren Nachbesserungsbedarf geben. Deswegen wird es dabei bleiben: Es hat Licht und Schatten, und es scheint für jeden in diesem Parlament etwas dabei zu sein.
Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. – Für eine Kurzintervention erteile ich Herrn Dr. Spies das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Böse Zungen sagen immer, der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat sei das erfolgreichste Instrument zur Verhinderung geordneter Gesetzgebung. Manchmal braucht es diesen Vermittlungsausschuss gar nicht. Manchmal gelingt das schon in Verhandlungen durch Zustimmung durch eine Landesregierung.
Frau Ministerin, wir wollen klarstellen: Diesem § 272 SGB V, von dem das Gutachten sagt, er sei inkonsistent, widersprüchlich und ganz und gar untauglich, das zu erreichen, was er erreichen soll, haben in diesem Haus lediglich Sie zugestimmt. Die Einzige, die Verantwortung für das Chaos trägt, das im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds entstanden ist, nämlich mit dieser völlig unpraktikablen und völlig unsinnigen Konvergenzregelung, sind Sie in diesem Haus.
Tatsächlich ist diese Regelung überhaupt nur deshalb entstanden, weil Herr Stoiber auf den letzten Drücker einbringen wollte, dass er eine eigene Rolle spielt. Das Einzige, was an diesem Paragrafen fehlt, sind die Ähs, die Herr Stoiber sonst dazwischen gebracht hätte.