Die Schwächung der öffentlich-rechtlichen Banken wird aber nicht nur von Brüssel vorangetrieben, sondern eben auch von Wiesbaden. Das Siebte Gesetz zur Änderung des Hessischen Sparkassengesetzes ermöglicht die Bildung von Sparkassenstammkapital.
Für DIE LINKE ist die Bildung und Handelbarkeit von Stammkapital der erste Schritt zur Privatisierung von Sparkassen.
Herr Irmer, Hessen war doch bis zum letzten Jahr auch nicht sozialistisch, nur weil es dieses Gesetz noch nicht gab, oder?
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist der Staatssozialismus, den gab es in der Ostzone! Das ist Geschichte! Dort wollen Sie wieder hin!)
Auch wenn die Handelbarkeit zunächst auf Verkäufe innerhalb des öffentlichen Bankensektors beschränkt wird, kann uns das keinesfalls beruhigen. Denn – das hat der Kollege von der SPD bereits angesprochen – es gibt die Gefahr, dass Privatbanken bzw. deren Verbände beim Europäischen Gerichtshof wegen Wettbewerbsbenachteiligung klagen, und bei einer entsprechenden Gerichtsentscheidung können sich dann auch private Geschäftsbanken in Sparkassen einkaufen.
In diesem Gesetz wird der EU-Kommission die Vorlage geliefert, die sie zum weiteren Aufbrechen des öffentlichen Bankensektors braucht. Es droht indirekt doch eine Privatisierung, die der Landesregierung auf dem direkten Weg nicht durchsetzbar erschien. Es handelt sich um eine Arbeitsteilung zwischen Wiesbaden und Brüssel.
Daher lehnt DIE LINKE die Regelung zur Bildung und Handelbarkeit von Stammkapital bei Sparkassen ab,denn wir befürchten hier längerfristig eine Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Sparkassensektors.
Wir wollen nicht, dass sich die Ausrichtung der Träger weg vom öffentlichen Auftrag hin zum Renditedenken entwickelt. Die negativen Folgen wären der Verlust der Gemeinwohlorientierung, der regionalen Verwurzelung und der Präsenz vor Ort, der Grundversorgung der Bevölkerung, der Wirtschafts- und Kulturförderung, aber auch der Verlust von Arbeitsplätzen in der Region.
Im Kern geht es Ihnen um eine weitere Liberalisierung der Finanzmärkte. Der öffentlich-rechtliche Bankensektor stellt ein Hindernis für alle die dar, die einen noch ungezügelteren Kapitalismus
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist staatsmonopolistischer Kapitalismus, Stamokap-Theorie, linkssozialistische Altkommunisten! Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das ist ja unglaublich! Mannomannomann!)
Wohin das führt, das kann man derzeit an den Finanzmärkten beobachten. Die weltweit zu befürchtenden Verluste dieser Krise beziffert der IWF – mir nicht als sozialistisches Institut oder Vereinigung bekannt – in seinem jüngsten Finanzstabilitätsreport auf fast 1.000 Milliarden US-Dollar.
Herr Irmer, wenn sogar Herr Ackermann das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes verloren hat, wie er erklärte,
dann sollte auch die Hessische Landesregierung einmal darüber nachdenken, ob man an diesem Vertrauen noch festhalten sollte.
Mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach, die Bildung und Übertragung von Stammkapital bei der Sparkasse Offenbach zu ermöglichen, hat das nun begonnen. Mit 64 : 5 Stimmen haben sich die Stadtverordneten dafür ausgesprochen. Eingebracht wurde dieser Antrag vom rot-grünen Magistrat. Frau Habermann, Herr Al-Wazir, anders als mein Vorredner hoffe ich sehr, dass Sie hier im Landtag anders entscheiden werden, als Sie das in der Offenbacher Stadtverordnetenversammlung getan haben.
DIE LINKE teilt die Bedenken vonseiten des DGB, ver.di und der Personalräte und befürwortet daher die betreffenden Teile des vorliegenden Gesetzentwurfs der SPD. DIE LINKE tritt dafür ein, dass die Trägerschaft für die Sparkassen bei den Kommunen bleibt und damit unter der Kontrolle der kommunalen Parlamente. Eine Übertragung der Trägerschaft auf den Verband lehnen wir ab.Wir stehen für eine Stärkung der regionalen Verankerung der Sparkassen.Wir wollen keine Konzentration, die Arbeitsplätze gefährdet. Das Regionalprinzip muss erhalten bleiben. Das Filialnetz darf nicht ausgedünnt werden.
Auch hier sind wir uns mit den Personalräten einig: Wir wehren uns dagegen, ohne politische Diskussion, quasi im Kleingedruckten, Grundsatzentscheidungen zu treffen. Daher lehnen wir diese Teile im Gesetzentwurf der SPD ab.
DIE LINKE will eine breite Debatte und keine übereilte Weichenstellung, die zu einem Konzentrationsprozess in der Sparkassenlandschaft führen würde.
Wir wissen, dass die öffentliche Trägerschaft kein Garant für eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik ist.Sie ist aber eine notwendige Voraussetzung dafür.Nur mit dieser Rechts- bzw. Eigentumsform kann eine effiziente gemeinwohlorientierte Kreditvergabe sichergestellt werden. Nur bei öffentlichen Banken kann das Spar- und Kreditge
schäft in einem gewissen Ausmaß von den Renditeerwartungen der Finanzmärkte abgekoppelt werden. Private gewinnmaximierende Kreditinstitute können dies nicht. Es ist uns zwar wichtig, den öffentlichen Bankensektor zu verteidigen, dennoch wollen wir darüber hinaus eine Weiterentwicklung. Dazu gehört, die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten für die demokratisch bestimmten Vertreter in den Verwaltungsräten zu vergrößern. Es ist ganz wichtig, dass wir eine Einbeziehung der Beschäftigten haben. Dafür wird sich DIE LINKE stark machen. – Danke.
Frau Abg. Wissler, vielen Dank. – Zu einer Kurzintervention hat Herr Abg. Lortz für die Fraktion der CDU das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Wissler, wie kommen Sie eigentlich darauf, hier zu behaupten, dass im Hessischen Landtag irgendjemand bei der Debatte über die Einführung des Stammkapitals in der letzten Legislaturperiode die Zielsetzung gehabt hätte, Private in die Ägide der Sparkassen eindringen zu lassen? Das war in diesem Hause nicht der Fall.
Wir haben hierüber sehr lange und ausführlich diskutiert. Ich bitte Sie herzlich darum, zu akzeptieren – das gehört zur Redlichkeit der Diskussion –, dass die große Mehrheit dieses Hauses ausdrücklich bestätigt hat, dass ein Eintritt Privater in den Bereich der Sparkassen abgelehnt wird. Ich habe für Ihre Ausführungen überhaupt kein Verständnis. Ich sage Ihnen Folgendes: Als einer der Verwaltungsratsvorsitzenden der Sparkassen in Hessen und Thüringen müsste man es mit der Angst bekommen,wenn Sie in Hessen in irgendeiner Form das Sagen bekämen. Dann müsste man um die Strukturen und die Aufgabenerfüllung der Sparkassen in Hessen wirklich Angst haben.
Ich bitte ganz herzlich darum – ich konstatiere, man kann zum Stammkapital diese oder jene Position vertreten; es gibt im Sparkassenverband sowie in der Verbandsversammlung Vertreter, die die eine oder andere Position vertreten –, dass wir hieraus keine ideologische Diskussion in Richtung staatsmonopolistischer Kapitalismus machen, sondern dass wir eine ernsthafte Debatte darüber führen, wie wir dafür Sorge tragen können, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer Sparkassen in Hessen und Thüringen im gemeinsamen Verband auch zukünftig vernünftig gesichert ist. – Vielen Dank.
Herr Kollege Lortz, danke schön. – Die nächste Worterteilung geht an Herrn Abg. Posch für die Fraktion der FDP.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich richtig, dass wir nicht über irgendein
Problem diskutieren, sondern darüber, ob die Sparkassen in Hessen und Thüringen auch zukünftig in der Lage sein werden, unsere mittelständischen Unternehmen in Hessen mit Krediten zu versorgen. Das ist ganz ohne Zweifel der Fall.
Herr Kollege Frankenberger, wenn Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass es auf der einen Seite die Institute seien, die sich der Gewinnerwirtschaftung widmen, und dass es auf der anderen Seite Institute gebe, die lediglich eine Allgemeinwohlverpflichtung verwirklichten, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben die sparkassenpolitische Realität in Hessen wirklich noch nicht zur Kenntnis genommen.
Das sind Dinge, die einander nicht ausschließen, sondern ergänzen. Ich sage Ihnen das einmal sehr deutlich: Wenn in den Sparkassen keine Gewinne erwirtschaftet werden, dann werden sie keine Gemeinwohlverpflichtung erfüllen können.
Bitte tun Sie daher nicht so – hierbei sind Sie sehr nahe bei der Argumentation der Kollegin Wissler –,als ob dies zwei Dinge wären, die völlig voneinander zu trennen sind. Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren,als wir seinerzeit über die Einführung des Stammkapitals diskutiert haben, ging es genau darum, die Ertragsfähigkeit einiger hessischer Sparkassen zu verbessern. Denn es entspricht der Realität, dass die Ertragskraft einiger Sparkassen nicht in Ordnung ist.
Wir wissen doch, dass wir in der Rhein-Main-Region seit über zehn Jahren über eine unglückselige Gemengelage, die historisch erklärbar ist, diskutieren. Ich muss feststellen, dass der Sparkassen- und Giroverband – aus welchen Gründen auch immer – in der Vergangenheit in Kooperation mit den Sparkassen nicht in der Lage war, eine Konsolidierung bzw. eine Auflösung dieser Gemengelage im Rhein-Main-Gebiet hinzubekommen. Das war der Grund, weshalb wir einen anderen Weg gesucht haben. Dieser bestand darin, die Option zu eröffnen, Stammkapital zu bilden. Sie tun mit Ihrer Argumentation gerade so, als sei dies den Sparkassen zwangsweise auferlegt worden. Das war nicht der Fall.