Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Zuruf von der SPD:Wer hat das denn gesagt?)

Das können wir im Ausschuss alles tun. – Ich möchte mich zunächst bedanken bei den Fraktionen von CDU und FDP für die Anerkennung der Arbeit, die in dem „Netzwerk gegen Gewalt“ geleistet wird. Frau Kollegin Künholz, ich glaube, es war Ihre erste Rede. Ich hätte mich gefreut, Sie hätten nicht Ihre Wahlkampfrede gehalten.

(Reinhard Kahl (SPD): Gute Rede!)

Da Sie die Debatten der letzten Jahre hier nicht mitbekommen haben, will ich Sie einfach daran erinnern: Das „Netzwerk gegen Gewalt“ gibt es seit Ende 2002. Vieles von dem, was wir dort gemacht haben – darauf sind wir sehr stolz –,hat in diesem Hause parteiübergreifend große Anerkennung gefunden. Wenn wir hier weiterkommen wollen, dann empfehle ich uns gemeinsam, aus den Schützengräben der Wahlkämpfe herauszutreten und nicht immer den gleichen Käse zu erzählen, den wir schon hundertmal miteinander diskutiert haben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD))

Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich denen danken, die diese Arbeit leisten, sowohl hauptamtlich als auch – das ist mir ganz besonders wichtig – ehrenamtlich.

(Beifall des Abg. Peter Beuth (CDU))

Frau Künholz, Sie haben einen Großteil Ihres Beitrags auf die aus meiner Sicht schlimme Diskussion verwandt: Wo kommen die Stellen her? – Wenn wir das Thema gescheit angehen wollen, dann möge uns der Himmel davor bewahren, wieder in eine Diskussion über Stellen oder darüber,wer welche Zuschüsse bekommt,zu verfallen.Intelligente Sicherheitspolitik – das habe ich oft genug gesagt – ist immer vernetzte Politik. Gewalt hat nicht nur eine Ursache. Deshalb gibt es auch nicht nur eine Antwort.

Sie haben hier die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses des Lahn-Dill-Kreises zitiert. Ich habe diese sehr bedauert. Ich kenne bis heute keinen vernünftigen Grund, warum die nicht mitgemacht haben. Wenn ich das Argument „Fachlichkeit“ höre, dann bin ich sehr zurückhaltend.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das stimmt!)

Ich habe gelegentlich den Eindruck, es wird so lange um das Problem herumgeredet, bis alle das Problem beschrieben haben, aber kein Einziger hat sich um das Problem gekümmert. Genau darin liegt das eigentliche Thema.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Nancy Fae- ser (SPD))

Wenn Sie von Lahn-Dill reden, dann nehmen Sie das Beispiel AGGAS, das Sie vielleicht kennen und das eine große Errungenschaft der Polizei ist. Bei vielen dieser Projekte ist die Polizei der Initiator gewesen. Es ist unsere Philosophie, dass wir das nicht alleine als Polizei machen, sondern dass wir viele Partner brauchen. Einer unserer wichtigster Partner sind die Kommunen. Ohne Jugendamt, ohne kommunale Ansprechpartner sind wir in vielen Bereichen nicht in der Lage, vernünftig Prävention zu betreiben.

Daher kann ich es überhaupt nicht verstehen, wenn die Debatte auf die spannende Frage fokussiert wird, wer wem die Fachlichkeit abspricht. Das ist für mich vergleichsweise nachrangig. Das Allerwichtigste ist, dass etwas geschieht.Wenn wir heute darüber reden – wir haben nun einige Erfahrung auf diesem Gebiet –, dann kann ich nur sagen:Ich bin sehr dankbar für das,was dort in den zurückliegenden Jahren geleistet wurde. Herr Kollege Greilich und Herr Kollege Beuth haben einige Beispiele genannt. Ich will aus Zeitgründen nicht alles wiederholen. Aber ich will auf ein paar Punkte eingehen.

Wir haben seit vielen Jahren die gemeinsame Überzeugung – jedenfalls früher CDU und FDP in der Regierung und in der zurückliegenden Zeit als Union –, dass beides, Prävention und Repression, notwendig ist und dass alles, was Gewalt und Straftaten verhindert, vernünftig ist.

Damit sind wir bei Prävention. Prävention ist viel breiter angelegt, als das in dieser Debatte deutlich wird. Zu Prävention gibt es z. B. ein Stichwort, das keiner genannt hat, aber auf das ich sehr stolz bin und wo ich auch Danke sagen will. Hessen ist das einzige Land, das Präventionsvereinbarungen mit Partnern hat, die Ihnen bisher vielleicht noch gar nicht aufgefallen sind. Wenn wir gegen FlatrateSaufen antreten – einer der Gründe für Gewalt, nämlich Alkohol – und Hessen das einzige Land ist, das einen Vertrag mit dem Landesverband des Hotel- und Gaststättenverbandes und allen Kommunalen Spitzenverbänden hat, wie wir dagegen vorgehen, dann ist das richtige Prävention, und das gehört zum „Netzwerk gegen Gewalt“.

Mit der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft und den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen haben wir einen Vertrag, einen gemeinsamen Wettbewerb unter dem Stichwort „sicheres Wohnen“: Wie planen wir eine Stadt, wie bauen oder renovieren wir Stadtviertel, damit keine Angsträume bleiben und die Menschen sich dort wohlfühlen? All das gehört mit zum „Netzwerk gegen Gewalt“. Das wurde alles bisher nicht erwähnt, ist aber notwendig.

Das Stichwort Demografie ist gefallen. In einer Gesellschaft, in der wir immer mehr ältere Menschen haben, ist gerade der Bereich Stadtgestaltung, Wohngestaltung und auch Wohnumfeldgestaltung von überragender Bedeutung, sowohl für das subjektive Sicherheitsempfinden wie auch für die Prävention gegenüber dem Phänomen der Gewalt.

Meine Damen und Herren, von daher haben wir hier keine Nachholbedarf, aber wir wollen es weiter ausbauen. Wir wollen es regionalisieren, und da brauchen wir Partner. Dazu lade ich herzlich gerne ein, und wir werden das wie vieles andere auch hier vertiefen können.

Ich möchte noch gerne einen Bereich stärker einbinden, der gerade für die Prävention aus meiner Sicht unverzichtbar ist. Damit meine ich die Vereine. Ich sage das mit vollem Nachdruck: Ich achte alle diejenigen, die hauptberuflich in diesem Bereich arbeiten. Das können sie nur erfolgreich tun, wenn sie es nicht als Job verstehen, sondern mit Herzblut machen. Dafür mein ausdrücklicher Dank.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings sage ich ganz deutlich – Sie werden es mir nachsehen, und die, die mich länger kennen, wird es nicht überraschen –: Das, was z. B. die Sportvereine im Bereich der Prävention in sinnerfüllter Freizeitgestaltung gerade von jungen Menschen leisten und anbieten, ist ohne Beispiel.

(Beifall bei der CDU)

Das geschieht in diesem Lande jeden Tag durch Tausende Ehrenamtlicher, und die brauchen wir. Es geht nicht darum, dass sich irgendeine Kommission zusammensetzt und zum 35. Mal das Thema diskutiert und feststellt, was man tun müsste.Wir brauchen nicht so viele, die beschreiben, was man tun müsste.Wir brauchen viel mehr von denen, die etwas tun.

Wenn jeden Nachmittag auf dem Sportplatz, jedes Wochenende und häufig abends in der Halle Leute sind, die

viele Tausend Jugendliche betreuen, ihnen Ansprechpartner sind, Partner sind, dann leisten die etwas für die Prävention und damit auch für die Gewaltvermeidung, was überhaupt nicht überschätzt werden kann.

Um das zu unterstützen – darin waren wir uns bisher immer einig, und ich appelliere an Sie, dass das so bleibt –, haben wir z. B. Jahr für Jahr den Ansatz für die Förderung der Vereine in diesem Lande immer wieder erhöht. Das hat Hessen als einziges Land in Deutschland getan. Genau das sind Punkte, an denen Sie sehen, um was es in der Praxis geht. Für das „Netzwerk gegen Gewalt“ brauchen wir viele Partner. Wir nehmen viele Ideen auf. Wir brauchen Geld, wir brauchen Stellen, aber wir dürfen die Diskussion nicht dort beenden, wo sie in der Vergangenheit meist stecken geblieben ist:Alle beschreiben das Problem und hoffen gemeinsam darauf, dass es jemand löst.

Wir sind aufgerufen, jenseits parteipolitischer Grabenkriege auch in Zukunft mit Engagement und Augenmaß zu handeln. Die Landesregierung ist dazu bereit. Ich freue mich auf eine engagierte Diskussion.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, den Antrag Drucks. 17/58 an den Innenausschuss, federführend, und an den Sozialpolitischen Ausschuss, beteiligt, zu überweisen. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 36 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Trennung von Netz und Verkehr bei der Bahn – Drucks. 17/80 –

Dazu rufe ich Tagesordnungspunkt 40 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG – Drucks. 17/85 –

Außerdem rufe ich Tagesordnungspunkt 44 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Privatisierung der Deutschen Bahn AG – Drucks. 17/90 –

Vereinbarte Redezeit: zehn Minuten. Ich erteilte Herrn Boddenberg für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Außerhalb des eigentlichen Inhalts dieser Anträge,die wir heute bezüglich der Zukunft der Deutschen Bahn diskutieren wollen, möchte ich zunächst einmal sehr herzlich der Fraktion der GRÜNEN und der Fraktion der FDP danken. Herr Al-Wazir, Sie haben zum ersten Mal mit einem gemeinsamen Antrag das wahr gemacht, was Sie angekündigt haben, dass wir nämlich in Zukunft häufiger über die Sache reden, uns auf wichtige Kernfragen konzentrieren und die Spielereien, die zu Beginn dieser Legislaturperiode und am Ende der letzten Legislaturperiode betrieben wurden, ein wenig zur Seite schieben.

Die angestrebte und beginnende Privatisierung der Deutschen Bahn ist der letzte große, wichtige Schritt in unserem Lande, ehemalige Staatsunternehmen in eine neue Struktur, in neue Wettbewerbssituationen, kurzum in eine Situation zu führen, die viele Wettbewerber dieser Unternehmen an ausländischen Standorten schon seit vielen Jahren hinter sich haben.

Wir haben in Deutschland die Telekommunikation privatisiert. Wir sind dabei, die Post zu privatisieren, sie am Ende zu 100 % in den Wettbewerb zu stellen. Wir haben die Luftverkehrsunternehmen privatisiert, und wir haben die Energieunternehmen privatisiert. Das zuletzt genannte Beispiel ist allerdings ein eher schlechtes, denn es zeigt, dass der Weg in die Privatisierung nicht halbherzig gegangen werden darf, sondern immer mit Konsequenz verfolgt werden muss. Das heißt, wenn wir privatisieren, wenn wir privates Kapital in diese Unternehmen holen, wenn wir diese Unternehmen in den Wettbewerb stellen, dann müssen wir das so tun, dass diese wettbewerbsfähig sind, dass aber auch Wettbewerb stattfinden kann, frühere Monopolunternehmen also nicht etwa weiterhin in der Lage sind,Wettbewerb zu verhindern.

Da immer wieder darüber diskutiert wird, was das kostet und ob das Arbeitsplätze bringt, kann man am Beispiel der Telekommunikationsbranche ganz gut nachweisen, dass die Privatisierung der gesamten Branche einen enormen Schub in Richtung Arbeitsplätze und Innovationen gegeben hat. Diejenigen, die heute in ihre Parteiprogramme schreiben, dass eine Privatisierung dieser Bereiche des Teufels sei und am Ende den Beschäftigten nur schade, müssen schon eine Antwort auf die Frage geben, was die Alternative wäre. Herr van Ooyen, in der Telekommunikation sind Sie auf dem Weg zurück zur Wählscheibe, wir sind auf dem Weg in ein Zeitalter, das der Menschheit bereits unglaublich viel an Entwicklung gebracht und der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen gleichermaßen genutzt hat.

Deswegen sagen wir zu dem, was in Richtung Bahnprivatisierung passiert ist, das ist grundsätzlich der richtige Weg. Wir stellen allerdings fest, dass die Sozialdemokraten in Berlin auf diesem Weg ins Stolpern gekommen sind, Herr Kahl.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da regieren zwei Parteien!)

Der jüngere Vorschlag von Herrn Beck lautete, den Nahverkehr auszuklammern – einen der wichtigen Teile des Verkehrs der Deutschen Bahn AG mit einem aufgrund der Regionalisierungsmittel des Bundes, basierend auf der Gesetzgebung aus dem Jahr 1997, relativ garantierten Umsatzvolumen in Höhe von 7 Milliarden c. Jetzt gibt es den Vorschlag, Verkehr und Logistik in eine Tochtergesellschaft einzugliedern und diese, allerdings nur zu 24,9 %, zu privatisieren, was wiederum bedeutete – das sagen z. B. meine Berliner Parteifreunde –, dass dieses Unternehmen kein DAX-Unternehmen werden wird. Das ist ein kleines, aus meiner Sicht aber wichtiges Argument dafür, zu sagen, dass das nicht das Ende der Diskussion sein kann.

Im Parteiprogramm der Hamburger Sozialdemokraten und in vielen Diskussionen auf SPD-Parteitagen und anderswo heißt es dazu: Es handelt sich um einen Kernbereich öffentlicher Daseinsvorsorge, den wollen wir nicht den Renditeerwägungen globaler Kapitalmärkte aussetzen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Wenn Sie das nicht wollen, Herr Kahl, dann frage ich Sie allen Ernstes: Wen wollen Sie eigentlich für eine Beteiligung an diesem Unternehmen interessieren, wenn Sie sagen, Sie haben etwas gegen deren Renditeüberlegungen?

(Zurufe von der SPD)

Herr Kahl, jedes Unternehmen des privaten Kapitalmarktes, das Geld in die Hand nimmt, um in ein Unternehmen zu investieren, hat zunächst einmal genau diese Renditeüberlegungen. Jeder, der das anders handhaben würde, würde sich der Untreue nicht nur verdächtig, sondern auch schuldig machen. „Wenn schon, denn schon“, Herr Kahl. Das ist meine herzliche Bitte an die Sozialdemokraten, auch hier in Hessen, falls es noch einige wenige gibt, die sich in solchen Fragen mit dem Querdenken beschäftigen. „Wenn schon, denn schon“ heißt, wir müssen akzeptieren, dass aus Renditeerwägungen heraus investiert wird. Wir sagen: Der Weg muss offen sein, mit Blick auf eine Mitbestimmung in diesem Unternehmen größere Anteile zu erwerben.

Ich will das Argument Daseinsvorsorge noch einmal kurz ansprechen, Herr Kahl, und Ihnen in Erinnerung rufen, um welches Unternehmen es sich handelt. Dieses Unternehmen wirbt unter anderem mit dem Slogan und Leitbild: der DB-Konzern auf dem Weg zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen. – Die Deutsche Bahn AG ist also dabei, sich weltweit aufzustellen, und sie ist an vielen Stellen schon so aufgestellt. Da komme ich mit Ihrer Daseinsvorsorge ein wenig ins Schleudern. Man kann darüber streiten, ob z. B. für den Bereich Energieversorgung andere Überlegungen gelten. Darüber haben wir im Zusammenhang mit der HGO schon häufig diskutiert. Aber man kann die Daseinsvorsorge nicht mit weltweiter Logistik, mit dem weltweiten Transport- und Güterverkehr der Deutschen Bahn AG verbinden. Kurzum, wir sagen, privates Kapital ist am Ende auch geeignet, ein Unternehmen zu kontrollieren, das sich weltweit, aber auch auf nationalem Boden erfolgreich bewegt – an einigen Stellen erfolgreicher, an einigen Stellen weniger erfolgreich. Umso mehr wollen wir dort unternehmerischen Einfluss haben, damit dieses Unternehmen vorankommt.