Ich will das Argument Daseinsvorsorge noch einmal kurz ansprechen, Herr Kahl, und Ihnen in Erinnerung rufen, um welches Unternehmen es sich handelt. Dieses Unternehmen wirbt unter anderem mit dem Slogan und Leitbild: der DB-Konzern auf dem Weg zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen. – Die Deutsche Bahn AG ist also dabei, sich weltweit aufzustellen, und sie ist an vielen Stellen schon so aufgestellt. Da komme ich mit Ihrer Daseinsvorsorge ein wenig ins Schleudern. Man kann darüber streiten, ob z. B. für den Bereich Energieversorgung andere Überlegungen gelten. Darüber haben wir im Zusammenhang mit der HGO schon häufig diskutiert. Aber man kann die Daseinsvorsorge nicht mit weltweiter Logistik, mit dem weltweiten Transport- und Güterverkehr der Deutschen Bahn AG verbinden. Kurzum, wir sagen, privates Kapital ist am Ende auch geeignet, ein Unternehmen zu kontrollieren, das sich weltweit, aber auch auf nationalem Boden erfolgreich bewegt – an einigen Stellen erfolgreicher, an einigen Stellen weniger erfolgreich. Umso mehr wollen wir dort unternehmerischen Einfluss haben, damit dieses Unternehmen vorankommt.
Was wir aber nicht wollen, das sind eine halbherzige Privatisierung und, damit verbunden, ein halbherziger Wettbewerb. Wir wollen eine klare Trennung. Da sind wir durchaus anderer Meinung als manche Berliner CDUParteifreunde. Wir wollen nämlich eine klare Trennung des Unternehmens Schiene vom Unternehmen Verkehr/ Logistik.
Wir wollen diese Trennung deswegen, weil wir an anderer Stelle, ich habe es eingangs angesprochen, erlebt haben, dass am Ende kein Wettbewerb stattfindet, wenn man keine klaren Wettbewerbsstrukturen und faire Wettbewerbsmöglichkeiten schafft. Wir sind der Meinung, dass sich alle am Wettbewerb Beteiligten, auch die Verkehrsunternehmen, mehr anstrengen, bessere Leistungen bringen, als wenn sie keinem Wettbewerb unterliegen. Wenn es denn um die Frage der Versorgung geht – auch da sind wir als Landespolitiker gefragt –, dann muss es möglich
sein, dass man klar definiert, was man haben will, dass man klar Sicherheitsaspekte definiert, um nicht das zu erleben, was beispielsweise in England passiert ist. Da stimmen wir überein. Wir alle wollen die Privatisierung des Schienennetzes nicht. Wir wollen und müssen dafür sorgen, dass Wettbewerb unter den Verkehrsunternehmen stattfindet. Das wiederum heißt, es kann nicht sein, dass der, der die Schienenwege verwaltet, der die Kosten kalkuliert – trotz Regulierungsbehörde –, am Ende in Interessenkollisionen gerät, um es freundlich auszudrücken, weil er eine Unternehmenstochter hat, die ihm zu 75 % gehört und gleichzeitig sein Kunde ist.
Ohne Böses dabei zu denken: Es wäre von einem Manager, der in beiden Unternehmen Verantwortung trägt, fast zu viel verlangt, sein eigenes Unternehmen – aus seiner Sicht – zu benachteiligen. Deshalb sagen wir: Es muss Wettbewerb stattfinden, und das geht eben nur mit einer klaren Trennung.
Deswegen lautet unsere Forderung, dass wir dort konsequenter sind. Deswegen lautet unsere Aussage, dass dies ein sehr wichtiger, für die gesamte Republik nachhaltiger Schritt ist.Deswegen fordern wir die demokratischen Parteien auf – das betone ich mehr denn je ganz bewusst –, sich zu diesem notwendigen Weg zu bekennen.
Anders ist es mit der Linkspartei. Ich glaube, dass muss man schon aushalten. Eben ist der Eindruck entstanden, dass man, wenn man hier vorne steht, sozusagen sakrosankt ist und jeden Unsinn erzählen darf,während ein Abgeordneter, der dazu berufen ist und hin und wieder Zwischenrufe macht, gleich mit Gewalt konfrontiert wird.
Frau Kollegin von den LINKEN, Sie haben das hier eben so zartfühlend vorgetragen. Ich will Ihnen kurz sagen, was die Kollegin, die eben hier gestanden hat, zu dem Thema Staatsunternehmen sagt. Sie sagt:
Ich weiß, das klingt nach DKP, aber niemand bei den Hessen-Linken hatte mit der DKP zu tun. Mit einer Ausnahme, aber das ist 20 Jahre her. Es gibt deshalb schon Unterschiede zwischen uns WessiLinken und den DDR-Altkadern im Osten. Aber die Grundsätze sind gleich.
Das sagt die Kollegin, die hier vorne sitzt. Ich fordere die LINKEN auf, uns endlich einmal zu sagen, was sie meinen,wenn sie in ihr Grundsatzprogramm bzw.in ihr Gründungsprogramm
Die Demokratisierung der Wirtschaft erfordert, die Verfügungsgewalt über alle Formen des Eigentums sozialen Maßstäben unterzuordnen.
Ich fordere Sie auf, dass Sie damit aufhören, nebulös schwadronierend durch die Lande zu laufen und Glücksmomente zu erzeugen. Kommen Sie hierher, und erklären Sie am Beispiel der Deutschen Bahn AG, was Sie damit meinen. Meinen Sie damit die Rückführung aller bereits
privatisierten Unternehmen in Staatseigentum? Meinen Sie damit am Ende auch das Instrument der Zwangsenteignung für den Fall, dass Unternehmen das nicht freiwillig machen?
Was meinen Sie damit, wenn Sie von der „Demokratisierung des Eigentums“ sprechen? Ich fordere Sie auf, endlich konkreter zu werden und damit aufzuhören, haltlose Parolen vorzutragen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie können bei der nächsten Rede zuhören! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Boddenberg, dafür werden wir Mehrheiten schaffen!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach intensiven Diskussionen hat die SPD am Montag dieser Woche ein Strukturmodell zur Zukunft der Deutschen Bahn beschlossen. Lieber Herr Boddenberg, dieses Strukturmodell wird von der SPD-Fraktion in diesem Haus genauso unterstützt wie von der SPD-Fraktion in Hamburg.
Das Unterfangen war sicherlich nicht ganz einfach. Es hat auch eine gewisse Zeit erfordert. Das will ich hier durchaus einräumen.Aber es steht jetzt,und wir sind überzeugt, dass wir mit diesem Strukturmodell keinen faulen Kompromiss und auch nichts Halbherziges vorlegen, wie Sie das vorhin formuliert haben. Ganz im Gegenteil, das von uns entwickelte Holdingmodell ist bestens geeignet, die Ziele der dritten Stufe der Bahnreform zu erreichen.
Im Einzelnen geht es darum – das will ich hier noch einmal hervorheben –, mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, den Fahrgästen ein verlässliches,bezahlbares und attraktives Verkehrsangebot zu machen und, nicht zuletzt, einen zentralen Beitrag zur Erfüllung des grundgesetzlich verankerten Auftrags zur Daseinsvorsorge beim Verkehrsangebot, beim Ausbau und beim Erhalt des Schienennetzes zu leisten. Dabei ist es für uns besonders wichtig, dass Erreichbarkeit und Mobilität in der Fläche im Mittelpunkt bleiben.
Wir sind überzeugt, ausreichende Erlöse aus der Teilprivatisierung erzielen zu können, die zur Erhöhung des Eigenkapitals der DB AG, insbesondere aber zur Verbesserung und zum Ausbau der Schieneninfrastruktur, der Bahnhöfe und auch des Lärmschutzes dringend benötigt werden.
Verehrter Herr Kollege Boddenberg, hier soll mit einem Teilbetrag ein Innovations- und Investitionsprogramm aufgelegt werden, von dem auch wir in Hessen profitieren werden.
Mit dem neuen Strukturmodell werden wir die Bahn für einen fairen Wettbewerb im europäischen Markt fit machen, und wir unterstützen ausdrücklich die Unternehmensziele der Bahn, die Sie vorhin hier formuliert haben. Für den Güterverkehr – das wissen Sie alle – ist der Markt
nämlich bereits seit 2007 geöffnet, und für den internationalen Personenverkehr wird er europaweit im Jahr 2010 geöffnet werden.
Wir schützen also die Bahn AG nicht mit unserem Modell, ganz im Gegenteil. Wir zerschlagen sie aber auch nicht, sondern wir versuchen, beides miteinander zu vereinbaren, und das ist uns gelungen.
Angesichts der ehrgeizigen Ziele,die wir verfolgen,gibt es noch viel zu tun. Was wollen wir also mit dieser Reform erreichen? Der Schienenverkehr muss für Personen und Güter gesichert bleiben. Ohne einen attraktiven Schienenpersonennahverkehr wird es keinen erfolgreichen Fernverkehr geben. Die Bahn muss kundenfreundlicher werden. Dazu gehören Qualität, Pünktlichkeit und Kundenrechte. Nur so wird es gelingen, mehr Kunden für die Bahn zu gewinnen.
Das Netz muss besser werden. Auch wenn in den letzten Jahren erhebliche Summen in das Schienennetz investiert wurden, gibt es noch einen riesengroßen Investitionsbedarf. Die Bahn muss leiser und energieeffizienter werden. Mehr Schienenverkehr ist nur zumutbar, wenn die Züge leiser werden und energieeffiziente Technologien eingesetzt werden.
Das beste Beispiel dafür haben wir doch bei uns im Mittelrheintal, nämlich im Rheingau-Taunus-Kreis: Wir alle streiten dort dafür, dass die Züge auf der Güterverkehrsstrecke leiser fahren.
(Michael Boddenberg (CDU): Das alles wollen Sie mit eineinhalb Milliarden Euro erreichen, Frau Kollegin!)
Nein, es gibt ganz seriöse Berechnungen, wonach das zwischen 4 und 7 Milliarden c liegt. Daran halte ich mich.
Die Verkehrsstationen und die Bahnhöfe müssen zum Bahnfahren einladen. Sie müssen mit den unterschiedlichen Verkehrsträgern optimal vernetzt werden und, auch für ältere Menschen, besser zugänglich sein.
Sehr verehrter Herr Boddenberg, nicht zuletzt: Die Bahn muss sichere Arbeitsplätze anbieten.Wir haben eine Verantwortung für die 230.000 Menschen, die heute bei der Bahn AG arbeiten. Deswegen sind wir für die Erhaltung des konzerninternen Arbeitsmarkts und gegen die Zerschlagung der Bahn AG.
Bei uns gelten für die Umsetzung dieser Ziele ganz konkrete Kriterien. Ich betone es noch einmal: Mit uns wird es keine Zerschlagung der DB AG geben.
Wir halten an der Form des integrierten Konzerns und damit auch am konzerninternen Arbeitsmarkt fest. Eine Vollprivatisierung wird es mit uns nicht geben. Der Bund darf in der Wahrung seiner Eigentumsrechte nicht eingeschränkt werden. Er muss die Verantwortung für die Ausgestaltung der Daseinsvorsorge behalten, um seinem im Grundgesetz fixierten Auftrag gerecht zu werden.
Private Investoren sind erwünscht.Aber sie dürfen keinen Zugriff auf das Kerngeschäft der DB AG haben. Hierzu
gehört nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die Sicherstellung eines Personennah- und -fernverkehrs mit einer vernünftigen Vertaktung.