Wir sollten uns auch einmal anschauen, wie das in anderen Bundesländern geregelt ist. Ich verweise beispielsweise auf das Innenministerium in Schleswig-Holstein. Ich möchte daran erinnern, dass die Vorschriften zu den automatisierten Kennzeichenlesegeräten auch dort – zur gleichen Zeit wie in Hessen – für nichtig erklärt worden waren. Was macht der Innenminister in Schleswig-Holstein? Der Innenminister in Schleswig-Holstein erklärt, dass er keinen zweiten Anlauf unternehmen wird; denn die Erfahrungen, die man damit gewonnen habe, zeigten, dass es ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag gebe und dass dadurch Personal gebunden werde, das er an anderer Stelle für eine sinnvolle operative Polizeiarbeit brauche.
Warum folgen wir diesem Beispiel in Hessen nicht? Ich kann nur dafür plädieren,dass wir Hessen diesem Beispiel folgen sollten, statt hier immer nur einen Alleingang zu unternehmen und einen Sonderweg zu verfolgen.
Liebe Kollegen von der FDP, mit diesem Teil des Gesetzentwurfs schaffen Sie auf jeden Fall nicht mehr Bürgerrechte, auch wenn Sie uns das hier so verkaufen wollen. Lesen wir einmal genau zwischen den Zeilen Ihres Gesetzentwurfs.
Ein anderer Punkt. Die Rasterfahndung ist heute schon erwähnt worden. Wir sind durchaus damit konform, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden müssen und dass die Vorschrift, wie sie bisher besteht, nicht ausreicht. Allerdings möchte ich daran erinnern, dass das, was Sie heute eingebracht haben, wortgleich mit dem Text ist, den Sie bereits im Juli 2006 eingebracht hatten. Die Kritik in der Anhörung, die damals zur rechtsstaatlichen Vorkehrung gelaufen ist, wurde nur teilweise umgesetzt. Sie berücksichtigen manche dieser Kritikpunkte überhaupt nicht.
Ich möchte Ihnen einen Herrn nennen, den wir alle kennen, den Hessischen Datenschutzbeauftragten, der oft von Ihnen als Unterstützer Ihres Gesetzentwurfs angeführt wird. Herr Ronellenfitsch meinte damals zur akustischen Wohnraumüberwachung: „Nicht unterstützen kann ich allerdings die Forderung, die Berufsgeheimnisträger pauschal von der Regelung auszunehmen.“ – Das meinte damals Herr Ronellenfitsch: „Mir ist nicht ersichtlich, warum im Anwendungsbereich des § 15 bei der Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zwischen Berufsgeheimnisträgern und allen übrigen Bürgern differenziert werden sollte.“ Die Kritik von damals – das möchte ich stehen lassen – haben Sie gar
nicht aufgegriffen. Das wundert mich. Ich möchte gern im Rahmen der Anhörung wissen, wieso, weshalb, warum.
Nun zur Rasterfahndung. Meine Damen und Herren, ich möchte festhalten,dass die Rasterfahndung einfach nichts bringt und nicht effektiv ist. Wir geben der FDP insofern recht, dass die Haltung vom Herrn geschäftsführenden Innenminister Bouffier nach dem Motto: „Die Vorschrift ist zwar nicht im Einklang mit der Verfassung, aber wir legen sie halt verfassungskonform aus“, und dass es keinen Handlungsbedarf gebe, auf keinen Fall akzeptabel ist. Darin gehen wir mit Ihnen d’accord.
Allerdings bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber nur wenig Spielraum bei einer verfassungskonformen Ausgestaltung der Eingriffsbefugnis. Wegen der Erhebung von Daten mit hohem Persönlichkeitsbezug darf die Rasterfahndung nur zur Anwendung kommen, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für die geschützten Rechtsgüter besteht.
Die Rasterfahndung kann also nicht – wie bereits heute erwähnt wurde – als bloße Vorfeldmaßnahme genutzt werden. Es bleibt daher kaum Platz für eine praktische Anwendung. Die Zweifel an der Effizienz und Geeignetheit dieses Mittels bleiben weiterhin bestehen. Deswegen lehnen wir die Rasterfahndung als ungeeignetes Fahndungsmittel ab.
Aber davon einmal ganz abgesehen: Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, so ganz kann ich das Bild, das Sie heute als Hüterin der Bürgerrechte abgeben, nicht durchgehen lassen. Es fällt mir halt schwer, denn als die jetzige Regelung ins HSOG geschrieben wurde – im Übrigen von Ihnen gemeinsam mit der CDU –, wurden alle kritischen Anmerkungen und alle Personen, die die Probleme aufgerufen haben, damals von Ihnen regelrecht beschimpft.
(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wo haben Sie das denn gelesen? – Widerspruch der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Nicola Beer (FDP))
Sich heute als Bürgerrechtspartei aufzuspielen – okay, Sie können sich gerne so aufspielen. Schönwetterbürgerrechtspartei zu sein – ob das der Weg ist, mag auch dahingestellt sein.
Meine Damen und Herren, um zum Schluss zu kommen: Das HSOG muss dringend überarbeitet werden. Darin gehen wir mit Ihnen konform. Deswegen ist der Gesetzentwurf eine richtige Intention. Wir lassen es aber nicht zu, dass die, die 2002 die verfassungswidrigen Regelungen ins Gesetz geschrieben haben – ja, ich darf auch einmal in die Vergangenheit schauen –, sich jetzt als die Hüterin der Grundrechte darstellen wollen.
Wenn es Ihre Kollegen mit der uralten Nummer von vor 100 oder vor zehn Jahren machen, dann dürfen wir doch wohl noch ein paar Jahre zurückschauen. Schließlich sind es sechs Jahre. Das ist auch in Ordnung.
Wenn man hier einfach einen neuen Vorstoß machen möchte, begrüßen wir das.Wir denken, dass Sie in den einen oder anderen Bereichen bewusst etwas ausgelassen haben. Bürgerrechtspartei nur zu schönen Zeiten zu sein,
Wir als GRÜNE werden daher in der Anhörung sehr darauf gespannt sein, was die Experten sagen werden, inwiefern das eine oder andere in der Praxis umsetzbar ist. Nichtsdestotrotz begrüßen wir Ihren Vorstoß und möchten hiermit sehen,dass wir gemeinsam dieses Gesetz letztendlich verfassungskonform gestalten können. – Vielen Dank.
Herr Präsident,liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass ich zu so später Stunde noch eine solche Aufmerksamkeit genießen kann. Ich wollte mich nicht melden, aber Frau Kollegin Öztürk hat mich
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dazu gezwungen! – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dazu gezwungen – genau, Herr Kollege Al-Wazir. Hätte sie meine Frage beantwortet oder überhaupt erst einmal angenommen, hätten wir uns vielleicht viel schneller mit dem Thema abschließend auseinandersetzen können.
Ich gebe zu, dass ich jetzt noch zwei Punkte zu der Frage dazubauen werde. Frau Kollegin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollten Sie gerade den Versuch unternehmen, die GRÜNEN als die Bürgerrechtspartei darzustellen und auf der anderen Seite die FDP als eine Partei, die mit ihrer Vergangenheit Schwierigkeiten hätte. Die Diskussion können wir gerne führen.
Wer hat denn in den Jahren seit 1998, als Gerhard Schröder und Joseph Martin Fischer eine Regierung gebildet haben, die Gesetze von Schily 1 und Schily 2 im Bundestag durchgehen lassen? Das waren die GRÜNEN gewesen.
Frau Kollegin Öztürk, ich nenne Ihnen nur ein einziges Beispiel. Es war das Bundesverfassungsgericht, das auf Antrag einer Reihe von Kollegen der FDP das Luftsicherheitsgesetz als verfassungswidrig beschrieben hat. Und das haben die GRÜNEN im Deutschen Bundestag unterschrieben.
Punkt zwei. Ihr Beispiel mit dem Herrn Ronellenfitsch verstehe ich nicht. Herr Ronellenfitsch hat bei dem
Thema gesagt, er möchte nicht eine besondere Bevorzugung der Berufsgruppen haben,die Geheimnisträger sind. Ich glaube, dass das, was die FDP will, mehr Bürgerrechte sind, weil wir nämlich wollen, dass diese Geheimnisträger weiterhin nicht überwacht werden dürfen.
Dritte Bemerkung. Das war meine Frage. Ich finde es so herrlich einfach, sich hierhin zu stellen und zu sagen: Das und das ist falsch. – Frau Kollegin Öztürk, wo sind denn die Vorschläge der GRÜNEN? Wo ist denn die Gesetzgebungsarbeit, die Sie in den letzten Wochen zu diesem Thema hätten leisten können?
Statt sich hierhin zu stellen und zu sagen: „Ihr macht aber das ein bisschen etwas falsch“, kommt doch einfach inhaltlich rüber. Dann können wir uns vielleicht sogar einigen. – Vielen herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Hahn. – Ich sehe keine Wortmeldungen. Für die Landesregierung hat Staatsminister Bouffier das Wort.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich will mich jetzt nicht in den hier im Hause bekannten Streit zwischen GRÜNEN und FDP einmischen, wer der größere Bürgerrechtsanwalt ist.
Es geht alles von Ihrer Zeit ab. Bleiben Sie gelassen und nüchtern. Insofern wiederhole ich das, was ich gestern gesagt habe.