Ich möchte gar nicht darauf abheben, wie lange Gesetzesberatungen in diesem Landtag dauern. Ich gestehe Ihnen jetzt zu, dass wir, wenn wir alle Augen zudrückten und das Verfahren sehr beschleunigten, vielleicht noch kurz vor den Sommerferien ein Gesetz verabschieden könnten. Aber ich glaube, es kann keine seriöse und verantwortungsvolle Bildungspolitik sein, eine Reform, die dann alle Schulen, ob sie wollen oder nicht, umsetzen müssen, kurz vor den Sommerferien zu beschließen. Ich denke, so etwas sorgt für mehr Unruhe an den Schulen, als dass es ihre tatsächlichen Probleme löst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, ich halte auch nichts davon, dass wir den Ansatz, den wir in den letzten fünf Jahren bei der absoluten Mehrheit der CDU hatten, jetzt unter anderen Vorzeichen verfolgen, nämlich nach dem Motto: „Mehrheit ist Wahrheit“. Ich halte nichts davon, dass wir jetzt unter anderen Vorzeichen eine Bildungspolitik machen, in der es heißt: „Wir wissen es aber besser als die Schulen vor Ort“, die den Schulen vorschreibt, was sie machen sollen, und die all das,was mit Eigenverantwortlichkeit und demokratischen Entscheidungen in den Schulgemeinden verbunden ist, über Bord wirft.
Deswegen glaube ich, es ist der falsche Weg, den Sie hier vorgeschlagen haben: per Gesetz und ohne ausführliche Diskussion mit den Betroffenen am besten schon zum nächsten Schuljahr zum G 9 zurückzukehren.
Was die Bildungspolitik betrifft, so möchte ich noch grundsätzlich sagen: Ich glaube, allein ein Rückgängigmachen der Reformen der vergangenen neun Jahre ist noch keine neue Bildungspolitik.
Ich habe die SPD in dem Fall gar nicht angesprochen. Frau Kollegin Ypsilanti, ich wusste, dass wir uns in der Frage einig sind. Vielen Dank, dass Sie das noch einmal bestätigt haben.
Ein Rückgängigmachen der Reformen allein wird die Probleme der Schulen nicht lösen.Vielmehr darf eine verantwortliche Bildungspolitik nicht allein darauf schauen, was in den letzten neun Jahren falsch war. Damit hat man schon genug zu tun; das stimmt. Wenn man eine verantwortliche Bildungspolitik machen will, muss man auch darauf schauen:Was ist jetzt die Wirklichkeit an den Schulen? Welche Vorschläge können wir machen, die jetzt umsetzbar und für die Schulen handhabbar sind?
Wenn man eine verantwortliche Bildungspolitik machen will, muss man sich also bemühen, den Prozess zu beschreiben:Wie kommen wir von dem Schulsystem,das uns Frau Wolff hinterlassen hat, zu einem Schulsystem, bei dem Gerechtigkeit und Durchlässigkeit wieder wesentliche Rollen spielen? Ich glaube, jede Fraktion, die sich diese Mühe nicht macht, wird das zarte Pflänzchen Vertrauen verspielen, das eine Mehrheit in diesem Landtag einer anderen Bildungspolitik entgegen bringt. Das wäre schade; denn in Hessen haben wir eine leidvolle Erfahrung mit verspielten bildungspolitischen Chancen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will, dass wir die Chance auf mehr Durchlässigkeit und ein längeres gemeinsames Lernen für diejenigen, die es wollen, nicht erneut verspielen. Deshalb müssen wir uns darüber sehr sorgfältig Gedanken machen.
Was schlagen wir GRÜNE zum Thema G 8 vor? Wir befinden uns in einer ganz angenehmen Situation, weil wir vor der Wahl das gesagt haben, was dann auch in unserem Wahlprogramm stand. Die Kolleginnen und Kollegen von der FDP haben ein paar Probleme; denn die Partei ist nicht dem gefolgt, was die Fraktion wollte. Dieses Problem haben wir GRÜNE dankenswerterweise nicht.
Wir haben vor der Wahl gesagt, was wir machen wollen. Das steht auch in unserem Wahlprogramm. Wir setzen jetzt auch genau das um, was in unserem Wahlprogramm steht.
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD sind, da sie unser Programm nicht scharf genug gelesen haben, manchmal der Meinung, wir würden irgendetwas verwässern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir verwässern gar nichts. Ihr habt „verwässert“ gelesen, als ihr euch unser Landtagswahlprogramm angeschaut habt.
Es gibt Unterschiede zu euch, und diese Unterschiede sind uns auch sehr wichtig. Unser Ansatz ist nämlich: Wir wollen schnell wirksame und machbare Korrekturen am G 8, und wir haben eine mittel- und langfristige Perspektive für die Richtung, die wir für unser Bildungssystem in Hessen einschlagen wollen.
Aber wir sollten beide Debatten nicht vermischen. Wir sollten in den nächsten Wochen und Monaten das machen, was ansteht, nämlich die drängendsten Probleme der Schulen zu lösen. Bezogen auf G 8 bedeutet das, dass die kooperativen Gesamtschulen das Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 bekommen. Das haben wir auf den Weg gebracht.
Das bedeutet auch eine Überprüfung der Lehrpläne. Ehrlich gesagt,da verstehe ich die Position der SPD nicht.Na
Frau Kollegin,warum Sie diese Maßnahme ausschließen wollen, das verstehe ich – ehrlich gesagt – nicht, weil das etwas ist, was schnell wirksam sein könnte und was wir auch umsetzen sollten.
Eine andere Maßnahme, die etwas länger dauert, ist eine andere Verteilung des Unterrichtsstoffs im gymnasialen Bildungsgang. Auch das müssen wir angehen. Und wir brauchen mehr Ganztagsangebote auch an den Gymnasien – ich sage: nicht nur an den Gymnasien, aber auch an den Gymnasien, wenn man diese verkürzte Schulzeit umsetzen will.
Das alles könnten und würden wir GRÜNE gerne in Regierungsverantwortung tun. Dieser Weg war am 5. April nicht zu gehen. Ich sage das sehr deutlich. Wir bedauern das. Gerade in der Schulpolitik zeigt sich, wie unvollständig ein Politikwechsel ohne einen Regierungswechsel bleiben muss.Wenn wir diesen Regierungswechsel hätten, dann müssten wir heute Herrn Banzer nicht dabei kontrollieren, ob er den Willen des Parlamentes umsetzt, sondern wären selbst in der Lage, den Willen des Parlaments in Regierungsverantwortung umzusetzen. Meine Damen und Herren, das wäre auch gut so. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich den Spielregeln von schulpolitischen Debatten in diesem Hause folgen müsste, müsste ich jetzt zwischen acht und zwölf Minuten der Viertelstunde die Beschimpfung der anderen Fraktionen einbauen.
Das haben Sie alle gemacht. Zum Glück haben Sie auch noch den Minister. Frau Habermann, ich weiß nicht, wenn ich eine Viertelstunde Redezeit hätte – ich habe nachgeschaut –, dann würde ich nicht elf Minuten darauf verwenden, sich mit mir zu beschäftigen, um danach nur vier Minuten Zeit für meine Vorschläge zu haben.
Jetzt mache ich das erst vier Wochen.Wenn das in der Zeit weitergeht, werden Sie bald Redezeitverlängerung beantragen müssen.
Frau Habermann, ich bin bei Vorschlägen der SPD hinund hergerissen. Da geht es mir wie mit dem halb vollen und dem halb leeren Glas. Ist es jetzt gut, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, weil er einen Fortschritt zeigt, oder
ist es schlecht, weil er vom Ergebnis her doch nicht tauglich ist, um diese Diskussion richtig vorwärtszubringen?
Ich will es positiv sehen, und dann bin ich eigentlich ganz froh, dass mit Ihrem Antrag jetzt eigentlich nur noch die Fraktion der LINKEN als Stimme in diesem Land zu hören ist, die uneingeschränkt sagt: Wir wollen G 9. – Alle anderen in Hessen, übrigens auch alle Landesverbände – Landeselternbeirat, Philologenverband, alle Verbände und Interessensverbände, es gibt viele im Bereich der Schulpolitik, das kann ich Ihnen sagen –, haben sich inzwischen geäußert,
mit welcher Begründung auch immer: „Jetzt können wir es nicht mehr ändern, es ist besser, jetzt bleiben wir dabei“, oder: „Es ist der richtige Weg für die Zukunft.“
Die Frage, wie ich eine Veränderung begründe, ist nicht für jeden ganz so einfach. Das muss man den Menschen schon überlassen. Aber mit Ausnahme dieser einen Geschichte sind wir inzwischen in Hessen einig, dass der Weg G 8 derjenige ist, der zu unterstützen ist. Das halte ich für einen großen Fortschritt.Das halte ich für einen wichtigen Beitrag zu einer entspannten Diskussion in den hessischen Schulen, und darüber bin ich froh. Deswegen entschließe ich mich, das Glas halb voll zu sehen, und sage, dann kommen wir wenigstens auf eine Basis und müssen jetzt gemeinsam darüber diskutieren, welchen Weg wir gehen.
Sie wissen, dass Ihr großer Parteivorsitzender und ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt schon vor 35 Jahren so schlau wie Sie war, der in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Eine Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre ist notwendig und vernünftig. – Wir haben 35 oder 30 Jahre dafür gebraucht, um das in Deutschland insgesamt umzusetzen. Ich freue mich, dass jetzt auch die SPD auf diesem Kurs ist.
Allerdings glaube ich, dass Sie ein wichtiges anderes Ziel der SPD dabei gefährden, nämlich das Ziel, dass die verschiedenen Bildungssysteme und die verschiedenen Bildungsabschlüsse durchlässig bleiben sollen. Es ist Ihnen von verschiedenen Rednerinnen und Rednern dieses Hauses vorgetragen worden, wie wichtig gerade die Klasse 11 zum Sammeln von unterschiedlichen Ausgangspunkten im Bereich der Schulausbildung ist.
Wenn wir differenzierte Schulsysteme wollen – Hessen ist wahrscheinlich das Bundesland mit dem unterschiedlichsten Angebot an Schulen, das bereitet uns allen oft erhebliche organisatorische Probleme –, dann muss ich wenigstens eine Dehnungsfuge einfügen, einen Bereich haben, wo ich bis dahin die verschiedenen Bildungsgänge sammle. Das kann ich eben in der Klasse 11 machen.
So ist die ausgestattet, und so ist sie vorgesehen. So ist sie nach meiner Meinung – das entspricht auch der Beschlusslage in der Kultusministerkonferenz – von der KMK gewollt. Es ist nicht so ohne Weiteres möglich, an dieser Vereinbarung über Oberstufenorganisation zu drehen.
Deswegen glaube ich, dass es für ein wichtiges anderes Ziel der hessischen Schulpolitik gefährlich wäre, wenn wir diesen Umsetzungsvorschlag unter Akzeptanz von G 8 mitgehen würden. Ich glaube aber auch, dass er nicht zukunftsfähig ist,
(Norbert Schmitt (SPD): Dass unterschiedliche Gymnasien zwischen G 8 und G 9 entscheiden müssen, ist kein Problem!)
weil wir in eine Situation kommen – damit müssen wir uns noch intensiv beschäftigen –, in der aus demografischen Gründen unsere Oberstufen kleiner werden.