Wir brauchen außerdem – gerade in den Klassen 5, 6 und 7, wo wir teilweise zu große Klassen haben – zusätzliche Stunden für Übungs- und Vertiefungsphasen sowie für Differenzierungsmaßnahmen.
Wir brauchen auch einen Ausbau der Ganztagsangebote, aber ich sage sehr deutlich: Ich möchte, dass die Schüler „Luft zu schulfreiem Atmen“ haben. Es muss auch noch etwas anderes als Schule geben.
Deshalb brauchen wir hier Flexibilität.Ganztagsangebote ja, aber es ist in der Tat ein Widerspruch, wenn Sie sagen, Sie wollen eine „gebundene“ Ganztagsschule. Das hätte Auswirkungen auf den Sport und auf das Ehrenamt. Das ist doch gar keine Frage. Zu sagen, die Schüler sollen in die Schule kommen, sollen integriert werden, das mag rudimentär funktionieren, aber als Vorsitzender eines Sportvereins sage ich Ihnen aus der Lebenswirklichkeit: Es ist graue Theorie, zu glauben, dass das flächendeckend funktioniert. Deshalb halte ich das System der Ganztagsangebote für richtig.
Liebe Frau Kollegin Habermann, Sie haben gesagt, wir hätten einen Lehrermehrbedarf, wir bräuchten 15 bis 20 % mehr Lehrer. Sie hätten aber konsequenterweise hier und heute sagen müssen: Wir stellen einen Antrag und fordern soundso viele Lehrerstellen mehr; das kostet das und das, und wir schlagen vor, das so und so zu bezahlen.
Das wäre ehrlich gewesen. Jetzt versuchen Sie, zu kritisieren, und sagen gleichzeitig: Lieber Kultusminister, mach mal. – Ehrlicher wäre es, Sie stellten den Antrag, wir brauchen soundso viele Lehrer, und die finanzieren wir so und so. Dann hätte das ganze Paket einen Sinn.
Ein Wort zum Thema Stundentafel. Die KMK hat den Umfang auf 265 Stunden festgelegt – mit der Möglichkeit, fünf Stunden davon abzuweichen. Ich sage aber auch: Das ist eine Gratwanderung. Man kann nicht beliebig viele Stunden kürzen, vor allem dann nicht, wenn man weiß, dass in Deutschland im Schnitt 9.500 Vollzeit-Unterrichtsstunden bis zur Erreichung des Abiturs zur Verfügung stehen, während die Schüler im europäischen Ausland im Schnitt 11.500 Stunden zur Verfügung haben.
Das ist schon ein Unterschied. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein, was Stundenkürzungen angeht.
Ich glaube, dass das Problem aus der Sicht der Eltern dadurch lösbar ist,dass wir heute Wahlmöglichkeiten bieten. Ob integrierte Gesamtschule oder kooperative Gesamtschule: Man hat künftig eine Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9. Das ist auch in Ordnung. Dass das Ganze nicht so schlimm ist, wie es teilweise dargestellt worden
ist, kann man aktuell beispielsweise daran erkennen, dass im „Wiesbadener Kurier“ vom 24. April steht: 43 % der Wiesbadener Kinder wollen auf das Gymnasium, wollen G 8. – Ganz so abschreckend kann es also in der Konsequenz nicht sein.
Lassen Sie mich abschließend auf Ihren Vorschlag eingehen, der die Oberstufe betrifft. Meine Damen und Herren, da – zumindest zurzeit – die Oberstufe nach einer KMK-Vereinbarung nicht innerhalb von zwei Jahren durchlaufen werden darf, sondern mindestens zweieinhalb Jahre notwendig sind, geht das schon unter Zeitaspekten nicht. Das heißt, die KMK müsste erst eine andere Vereinbarung treffen.
Zweitens verkennen Sie völlig die Funktion der Klasse 11. Das ist nämlich die Kompensationsphase.Darauf hat Frau Henzler mit Recht hingewiesen. Ich nehme als Beispiel das Goethe-Gymnasium in Wetzlar, ein reines Oberstufengymnasium, das Schüler aus 10, 12, 15 Schulen aus dem Umkreis ab der Klasse 11 besuchen. Die Schüler brauchen eine Phase der Kompensation. Das ist doch überhaupt keine Frage. Wenn Sie die abschaffen, erschweren Sie natürlich auch den Übertritt von der Klasse 10 der Realschule in die Oberstufe. Dann fangen nämlich die Schüler nach Ihrer Definition in Klasse 12 mit Leistungskursen und Grundkursen an. Das macht keinen Sinn. Das heißt, Sie würden damit dazu beitragen, dass die Durchlässigkeit, die wir alle wollen, reduziert würde. Ich füge hinzu: Wenn Sie die Oberstufe auf zwei Jahre reduzieren, dann bedeutet das in der Sache, dass Sie etwa 20 Oberstufenstandorte in Hessen, kleine feine Oberstufengymnasien, gefährden, denn man kann ein Oberstufengymnasium mit nur zwei Jahrgangsstufen nicht fahren. Das wissen auch Sie.
Deshalb sage ich:Wir sollten die Diskussion in aller Ruhe weiter führen. Wir werden im nächsten Jahr Gelegenheit haben, mit allen Beteiligten darüber zu diskutieren. Es wird Regionalkonferenzen dazu geben. Ich sage abschließend: Wenn in 15 Bundesländern, inklusive Hessen, und einem „halben“ Bundesland, Rheinland-Pfalz, die Schüler in der Lage sind, nach acht Jahren das Abitur zu machen, dann schaffen das die hessischen Schülerinnen und Schüler auch.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Es ist gut,dass in die bildungspolitischen Debatten im Hessischen Landtag Bewegung gekommen ist. Herr Kollege Irmer, nach Ihrem Beitrag muss ich allerdings feststellen, in einigen Fraktionen ist so viel Bewegung, dass man sich am Ende im Kreise dreht;denn das,was Sie wollen,Herr Kollege Irmer, ist nach Ihrem Redebeitrag wirklich überhaupt niemandem mehr klar.
Die hessische CDU hat neun Jahre lang mit glühendem Eifer ihre Schulpolitik betrieben, hat gegen den Rat aller Experten, gegen jeden Ratschlag alles durchgezogen, sei
es die Unterrichtsgarantie plus, sei es die Beschränkung des Ganztagsschulprogrammes, sei es G 8. Die Quittung haben Sie bei der Landtagswahl bekommen. Nach der Landtagswahl gab es eine kurze Phase, da hat die hessische CDU gesagt: Das, was wir bislang mit glühendem Eifer vertreten haben,ist in wesentlichen Teilen falsch.– Seit heute Morgen, seit Ihrer Rede, Herr Irmer, wissen wir, dass Sie das offenkundig wiederum für falsch halten und eigentlich alles so machen wollen, wie es bisher war.
Herr Kollege Irmer, das ist der falsche Weg. Die orientierungsloseste Partei in bildungspolitischen Fragen in diesem Hessischen Landtag ist die hessische CDU.
Das erstaunt umso mehr, als die handelnden Personen – mit einer Ausnahme – die gleichen sind. Es ist der gleiche Ministerpräsident, der vor der Wahl mit glühendem Eifer alle Reformen von Frau Wolff verteidigt hat,der sich nach der Wahl eine kurze Phase des Nachdenkens genommen hat, von dem man jetzt nicht mehr weiß, wo er hin will. War es nun richtig, oder war es falsch? Keiner weiß, was die hessische Union derzeit will.
Auch Herr Banzer gehört dem Kabinett nicht erst seit gestern an. Herr Banzer war bei fast allen bildungspolitischen Vorschlägen dabei – ich sage „fast“ deswegen, weil er ein bisschen später in das Kabinett eingetreten ist. Herr Banzer ist aber nie dadurch aufgefallen, dass er irgendetwas an diesem Kurs als falsch bezeichnet hätte. Wenn die handelnden Personen das, was sie mit glühendem Eifer vertreten haben, nach der Wahl auf einmal völlig falsch finden und heute Morgen wieder völlig richtig finden, dann kann man mit Fug und Recht sagen:Die CDU ist bildungspolitisch völlig orientierungslos. Das ist nicht gut, weil ein Mitglied der CDU Kultusminister ist und die Geschicke unserer Schulen bestimmt.
Herr Banzer, Sie müssten diesem Haus irgendwann einmal darlegen, was Sie eigentlich wollen. Bislang sind Sie ein Ankündigungsminister, ein Minister, der sich Gedanken macht, der über vieles redet, der aber in keiner Weise konkret handelt. Sie kündigen allerlei an, Sie stiften allerlei Verunsicherung an den Schulen. Sie präsentieren Überlegungen, ohne sie vorher rückgekoppelt zu haben, aber bis heute weiß der Hessische Landtag nicht, was der geschäftsführende Kultusminister Banzer eigentlich will. Ich glaube, Sie täten gut daran, diesem Hause schnellstmöglich zu erläutern, was Sie eigentlich wollen.
Was die Mehrheit dieses Hauses will, ist klar. Die Mehrheit dieses Hauses sagt, das völlig vermurkste Modell G 8, das die Regierung Koch in Hessen eingeführt hat, muss schnellstmöglich korrigiert werden.
Die Mehrheit dieses Hauses ist sich in noch mehr bildungspolitischen Fragen einig, denn wenn die Regierung ausfällt, Orientierungen in bildungspolitischen Fragen zu geben, dann ist es das gute Recht und auch die Pflicht der
Diese Orientierung ist sehr klar. Die Mehrheit im Hessischen Landtag will, dass wir in Hessen endlich wieder ein durchlässiges Bildungssystem bekommen. Die Mehrheit im Hessischen Landtag will,dass wir die völlig vermurkste Regelung für eine verkürzte Schulzeit bis zum Abitur endlich korrigieren, und die Mehrheit im Hessischen Landtag will, dass wir zugunsten der Eltern und der Schulen, die das wollen, mit einer sechsjährigen Mittelstufe endlich mutige Schritte hin zu einem längeren gemeinsamen Lernen unternehmen. Das ist der Mehrheitswille der Mitglieder des Hessischen Landtags.
Herr Minister Banzer, wenn Sie auf eigene Orientierungen nicht zurückgreifen können und auch Ihre Partei Ihnen in bildungspolitischen Fragen keine Orientierung geben kann – ich habe das dargestellt –, täten Sie gut daran, schlicht und ergreifend das zu machen, was die Aufgabe eines geschäftsführenden Kultusministers ist, nämlich den Mehrheitswillen der Mitglieder des Hessischen Landtags umzusetzen.
Wir streiten im Hessischen Landtag jetzt nicht über das Ziel. Ich habe das Ziel, für das es im Hessischen Landtag eine Mehrheit gibt, sehr genau beschrieben. Vielmehr streiten wir über den richtigen Weg. Ich finde, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schülerinnen und Schüler haben auch ein Anrecht darauf, dass wir über den richtigen Weg streiten.
Deswegen möchte ich jetzt auf die Vorschläge der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE, die die Grundlage der heutigen Debatte sind, konkret eingehen. Unser grüner Kurs ist, dass wir rasch wirksame und umsetzbare Korrekturen an der verkürzten Schulzeit zum Abitur wollen. Genauso warnen wir aber klar und deutlich davor, dass wir, was unsere Schulen betrifft, unzureichend vorbereitete Schnellschüsse abgeben.
Genau an diesem Punkt fangen meine Zweifel an den Vorschlägen an, die die Fraktion der SPD und die Fraktion DIE LINKE heute in den Landtag eingebracht haben.Wir finden den Vorschlag einer flexibilisierten Oberstufe,dass man also die Oberstufe in zwei oder in drei Jahren durchlaufen kann, sehr diskussionswürdig, sehr interessant und sehr innovativ.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir sind uns doch sicherlich darin einig, dass eine solche Reform kurzfristig nicht machbar ist, sondern dass sie gründlich vorbereitet werden muss.Wir sind uns auch einig,dass man das vermurkste G 8 nicht korrigiert, indem man einen weiteren Schnellschuss obendrauf setzt.
Wenn wir uns darüber einig sind,können wir schon einmal sagen: Dieser Vorschlag einer flexibilisierten Oberstufe, den wir, wie gesagt, sehr interessant finden, trägt nicht dazu bei, an unseren Schulen die aktuellen Probleme mit der verkürzten Schulzeit zu lösen.Wir GRÜNE sind aber der Meinung, dass wir diese Probleme schnellstmöglich bearbeiten müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich kann und will Ihnen auch nicht den Hinweis ersparen, dass das,
was Sie im Hessischen Landtag vorschlagen, in keinem anderen Bundesland gemacht wird, auch nicht in einem SPD-regierten Land. Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern,Bremen,Brandenburg,Berlin,Sachsen und Rheinland-Pfalz machen das nicht – alles SPD-regierte Länder.
Frau Kollegin Ypsilanti, nur weil andere das nicht machen, heißt es nicht, dass das falsch ist. Das sei ausdrücklich zugestanden.Aber es heißt, wir müssen das sehr sorgfältig vorbereiten, und wir müssen sehr sorgfältig darüber diskutieren. Deshalb kann das leider keinen Beitrag leisten, um die aktuellen Probleme an unseren Schulen zu lösen.
Daher wäre es sehr sinnvoll,wenn wir in der großen Landtagsanhörung Mitte Juni über diesen Vorschlag redeten und in den kommenden Wochen und Monaten sehr ausführlich darüber berieten.
Zum Vorschlag der LINKEN. Die Fraktion DIE LINKE sagt, sie wolle per Gesetz dafür sorgen, dass möglichst schon zum kommenden Schuljahr, also in wenigen Wochen, zum G 9 zurückgekehrt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, ich glaube, das wird so schlicht und ergreifend nicht funktionieren.
Ich möchte gar nicht darauf abheben, wie lange Gesetzesberatungen in diesem Landtag dauern. Ich gestehe Ihnen jetzt zu, dass wir, wenn wir alle Augen zudrückten und das Verfahren sehr beschleunigten, vielleicht noch kurz vor den Sommerferien ein Gesetz verabschieden könnten. Aber ich glaube, es kann keine seriöse und verantwortungsvolle Bildungspolitik sein, eine Reform, die dann alle Schulen, ob sie wollen oder nicht, umsetzen müssen, kurz vor den Sommerferien zu beschließen. Ich denke, so etwas sorgt für mehr Unruhe an den Schulen, als dass es ihre tatsächlichen Probleme löst.