Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Die Erhöhung der Diäten wird im Bundestag in einem Eilverfahren durchgepeitscht. Ich sage noch einmal, dass eine Erhöhung um 490 c nun wirklich kein Pappenstiel ist. Wenn man sich vor Augen führt, welche anderen Diskussionen zurzeit geführt werden, z. B. im Zusammenhang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Rentnerinnen und Rentnern, kann man wirklich nur sagen: Wenn auf der Bundesebene solche Politik gemacht wird,brauchen wir uns auch auf der Landesebene nicht zu wundern, dass die Menschen irgendwann sagen: Das, was die in Berlin machen, ist völlig fern von dem, was die Bevölkerung braucht. Wir entfernen uns immer mehr von der Politik.

Dafür können wir in Hessen kein Verständnis haben. Ich bitte darum, dass die hessischen Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der SPD das an ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag weitergeben. Das, was in Berlin passiert, bedeutet ein Stück mehr Politikverdrossenheit. Wir brauchen aber weniger Politikverdrossenheit. Deshalb kann man dem eigentlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Wer die eigenen Bezüge um 15 % erhöht und nicht gleichzeitig sagt:„Lasst uns das an die Einkommensentwicklung koppeln“, der sorgt dafür, dass die Menschen nur noch den Kopf schütteln. Ich war froh – das richtet sich auch an die Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN –, dass Herr Lafontaine, der in Deutschland nicht immer nur für sachliche Beiträge verantwortlich ist, gesagt hat: Lasst uns doch die Diäten an die Einkommensentwicklung koppeln. – Dann passiert nämlich genau das, was die Fraktionen in Hessen vorgelegt haben.

Ich würde mir wünschen, dass die LINKEN dem Vorschlag ihres Bundesvorsitzenden an dieser Stelle folgen und dass das, was auf Bundesebene gesagt wird, auf der Landesebene umgesetzt wird. Herr Kollege van Ooyen, das, was Herr Lafontaine fordert, haben wir hier verwirklicht. Ich denke, Sie müssen heute erklären, ob das, was laut Herrn Lafontaine im Bund gelten soll,auch in Hessen gilt. Ich bin sehr gespannt auf das, was Sie gleich dazu sagen werden.

Fakt ist, dass der Entwurf, den wir vorgelegt haben, sicherlich transparenter, angemessen und maßvoll ist und letztendlich auch ein gutes Verfahren beinhaltet.

Deshalb habe ich wenig Verständnis dafür – das richtet sich an die GRÜNEN –, dass die GRÜNEN ein Ausstiegsszenario gesucht haben, um den LINKEN an dieser Stelle die Rolle des Märtyrers nicht allein zu überlassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bieten Ihnen an, die 28 c, die Sie möglicherweise mehr bekommen, sollte das Gesetz hier verabschiedet werden, an eine gemeinnützige Vereinigung zu spenden. Sie müssen sie nicht nehmen. Das können Sie gern machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich halte das für einen guten Schritt. Die LINKEN werden das mit Sicherheit machen. Eines muss man nämlich klar feststellen: Diese Debatte hat nichts mit der Transparenzregelung zu tun, die wir vor einem halben Jahr beschlossen haben und die jetzt in diesem Haus gilt. Jetzt einen erneuten Versuch zu unternehmen,dies zu verändern,

blendet doch völlig das aus, was wir eigentlich machen müssen. Wir haben nämlich beschlossen, zu überprüfen, ob es sinnvoll ist.

Herr Kollege Wagner, man muss einfach sagen, Sie haben auf eine relativ populistische Art und Weise ein Ausstiegsszenario gesucht. Das finde ich schade. Ich glaube nämlich, dass der neue Landtag, dessen Schaffung Sie so gern predigen, auch ein weniger populistischer Landtag sein sollte. Aber vielleicht können Sie mit Ihrem Redebeitrag gleich dazu beitragen, auf die sachliche Ebene zurückzukehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Rentsch. – Vor dem nächsten Wortbeitrag komme ich einer sehr angenehmen Pflicht nach. Ich habe eben im Publikum eine ehemalige Kollegin entdeckt: Frau Silvia Hillenbrand aus dem Landkreis Fulda. Sie ist jetzt Bürgermeisterin. Herzlich willkommen am alten Tatort – der sich allerdings verändert hat.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächster hat Herr Kollege Wagner für BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch hat mich so freundlich angesprochen. Deshalb habe ich gern das Wort ergriffen.Wir reden heute über einen Gesetzentwurf von CDU, SPD und FDP zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und über einen Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu diesem Gesetzentwurf.

Worum geht es? CDU, FDP und SPD beantragen eine Erhöhung der Diäten – ich will ausdrücklich sagen: eine sehr moderate Erhöhung –, die auf dem Bericht des Statistischen Landesamts über die Einkommensentwicklung in Hessen beruht.Wir finden das Verfahren richtig,das wir in Hessen seit sehr vielen Jahren praktizieren. Die vorgeschlagene Diätenerhöhung halten wir für sehr moderat. Herr Kollege Rentsch, deshalb haben wir mit einer Diätenerhöhung um 0,44 % überhaupt kein Problem. Sie unterscheidet sich sehr wohltuend von dem, was die Kollegen im Deutschen Bundestag gerade veranstalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben auch kein Problem damit, dass die Kostenpauschale für Abgeordnete um 1,6 % erhöht wird. Auch das entspricht der allgemeinen Preisentwicklung. In Hessen gibt es seit vielen Jahren ein transparentes Verfahren, wie diese Steigerungen ermittelt werden.

Aber, Herr Kollege Rentsch – das hat nichts mit Populismus oder mit altem und neuem Landtag zu tun –, hinter einen Punkt setzen wir große Fragezeichen. Das ist der dritte Gegenstand, den CDU, SPD und FDP regeln wollen, nämlich die automatische Diätenanpassung. Wir haben bislang das Verfahren,dass der Hessische Landtag auf der Grundlage der Berechnungen des Statistischen Landesamtes jeweils einzeln über die Diätenerhöhungen entscheiden muss. Dieses Verfahren ist sehr transparent. Wir glauben, wir Abgeordnete tun gut daran, in unseren eigenen Angelegenheiten Transparenz herzustellen.

Von diesem Verfahren soll jetzt abgewichen werden. An der Regelung, dass die Diäten jetzt automatisch, ohne eigene Beschlüsse des Landtags, angepasst werden sollen, haben wir große Zweifel.Ob alter oder neuer Landtag,ich finde, die Zweifel dürfen an dieser Stelle erlaubt sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Da das Thema Transparenz angesprochen worden ist: Ich glaube, dass wir Abgeordnete ein großes Interesse an der Herstellung von Transparenz haben sollten, da wir eben nichts zu verstecken haben und über unsere eigenen Rechtsverhältnisse sehr wohl begründet Auskunft erteilen können. Daher wäre es aus der Sicht meiner Fraktion sehr sinnvoll, dass wir völlige Transparenz bezüglich der Nebentätigkeiten von Abgeordneten herstellen. Bei der Frage: „Ist das, was die Abgeordneten bekommen, auch das, was sie tatsächlich verdienen?“, die die Bürger völlig zu Recht stellen, spielt es natürlich eine Rolle, ob die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD und FDP, deshalb gibt es natürlich einen Zusammenhang zwischen dem, was Sie im Abgeordnetengesetz ändern wollen, und dem, was wir vorschlagen.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir sagen: Lasst uns Transparenz über die Nebeneinkünfte schaffen. Herr Kollege Rentsch, die Regelung, die wir dort gemacht haben, ist eben nicht ausreichend, weil ein ganz entscheidender Punkt fehlt. Das, was derzeit an Nebentätigkeiten veröffentlicht wird, lässt die Einnahmen aus vor oder neben dem Mandat ausgeübten Berufen außen vor.

Meine Fraktion ist der Meinung,dass die Information,wie viel Einkünfte ein Abgeordneter neben seinem Mandat hat, für die Beurteilung der Frage, ob das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeit steht oder ob andere Interessen im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen, sehr entscheidend ist. Herr Kollege Rentsch, deshalb wollen wir, dass das der Größenordnung nach auch veröffentlicht wird.

Wir glauben auch, diesen Weg könnten alle Fraktionen in diesem Landtag mitgehen. Herr Kollege Rentsch, weil Sie uns Populismus vorgeworfen haben, sage ich Ihnen sehr deutlich: Mit dieser Änderung würde BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesem Gesetzentwurf in allen seinen Regelungsbereichen zustimmen. – Von Populismus also keine Rede, Herr Kollege Rentsch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Und? – Axel Wintermeyer (CDU): Das ist Erpressung!)

Herr Kollege Rentsch, Sie haben angesprochen, dass wir bislang noch unzureichende Erfahrungen mit der Veröffentlichung von Nebentätigkeiten haben. Die Regelung ist nicht sehr alt. Aber die Regelung ist auch nicht sehr gut. Das haben wir schon gewusst, als wir die Regelung verabschiedet haben. Deshalb macht es aus Sicht meiner Fraktion sehr viel Sinn, wenn wir schon im Abgeordnetengesetz etwas ändern, dass wir das gleich mitregeln, Transparenz über das schaffen, was wir tun; denn ein Mehr an Transparenz über das, was wir tun, und über das, was wir an Einkünften bekommen, schafft auch ein Mehr an Akzeptanz in der Bevölkerung.

Daran sollte uns allen gelegen sein. Wir Abgeordnete haben nichts zu verstecken, sondern die allermeisten von

uns machen, wie das in allen Berufen ist, einen sehr, sehr guten Job und sollen dafür auch eine angemessene Entschädigung bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Wagner. – Als Nächster hat Herr Schaus für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Florian Rentsch (FDP): Jetzt sagt er wieder, dass Herr Lafontaine recht hat!)

Ich warte gerne, bis Sie mit Ihren Kommentaren fertig sind.

(Zuruf von der FDP: Fangen Sie lieber an!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einer Ausschusssitzung sagte jüngst ein Abgeordneter sinngemäß, es könne doch nicht sein, dass die Abgeordnetenentschädigung vor Jahren der Beamtenbesoldung B 5 entsprochen habe und man jetzt auf die Besoldungsgruppe A 16 zurückgehen würde. Herr Wintermeyer, Sie haben das relativiert, es ist nur B 3, das habe ich jetzt erfahren. Das ist doch noch ein bisschen mehr als A 16. Ich will bei dem Beispiel bleiben, denn nun ist A 16 keine schlechte Besoldung, weil es sich immerhin um die höchste Besoldungsgruppe einer Beamtin oder eines Beamten ohne Wahlfunktion handelt,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das stimmt nicht!)

also z. B. die einer Regierungsdirektorin oder eines Regierungsdirektors in der hessischen Landesverwaltung. Und das ist schon etwas.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nein!)

Herr Wintermeyer, auf jeden Fall ist es mehr als doppelt so viel wie der Durchschnittsverdienst einer vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers, und dabei sind die kleinen zusätzlichen Vergünstigungen der Abgeordneten noch gar nicht berücksichtigt.

In einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Zeitschrift „Stern“, die in der letzten Woche vom Forsa-Institut vorgestellt wurde, lehnten 89 % der Wahlberechtigten die Erhöhung der Diäten der Bundestagsabgeordneten um zusammen 16 % bis zum Jahre 2010 ab und halten diese beabsichtigte Steigerung der Parlamentarierbezüge durch die Große Koalition für unangemessen und zu hoch. Lediglich 13 % halten diese Erhöhung der Bezüge für angemessen.

Nun liegt uns heute, ähnlich wie im Bundestag, ein Antrag einer in dieser Frage großen Koalition, offen assistiert durch die FDP und eher verschämt durch die GRÜNEN geduldet, vor, in der eine zugegebenermaßen maßvolle Erhöhung der Abgeordnetengrundentschädigung von nur 0,44 % auf 6.657 c pro Monat vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren,was Sie verschweigen,ist aber, dass auf der Grundlage der derzeit geltenden Parameter gar kein anderes Ergebnis als diese Erhöhung möglich war, die jetzt hier vorgeschlagen wird. Das Fahrwasser der derzeitigen Empörung über die Maßlosigkeit der Bundesabgeordneten nutzend, soll aber mit dem vorgelegten Gesetzentwurf von CDU, SPD und FDP weit Grundlegende

res beschlossen werden; denn diese Neuregelung enthält gleichzeitig eine Steigerungsautomatik für die gesamte Legislaturperiode, die bekanntermaßen bis zu fünf Jahre betragen kann.

Die Erhöhung der Grundentschädigung, aber vor allem diese Steigerungsautomatik auf fünf Jahre lehnen wir als DIE LINKEN entschieden ab.

(Beifall bei der LINKEN)