Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Freunde sagen viel über einen aus, aber manchmal kann man sich Freunde nicht aussuchen. Wir können uns momentan auch unsere Verehrer nicht aussuchen, wie im wirklichen Leben.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Hinweis auf das Patenschaftsprogramm für den Austausch mit den USA ist gut. Aber ich glaube, Willi van Ooyen sprengt die Altersgrenze, die dort vorgesehen ist, schon etwas.

Ich möchte gerne auf das eingehen, was Willi van Ooyen gesagt hat. Ich glaube, dass Willi van Ooyen – Stichwort: Friedensbewegung – sich viel darauf einbildet, ein geschichtsbewusster Mensch zu sein. Mir fällt auf, dass bei der Frage der Präsenz der USA in Europa in einem Punkt immer etwas fehlt: Es wird nämlich völlig ausgeblendet, wie die hierher gekommen sind. Die sind hierher gekommen, weil die Deutschen nicht die Kraft hatten, sich selbst vom Faschismus zu befreien.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU, der SPD und der FDP)

Ich finde, auch das gehört zur historischen Wahrheit hinzu. Das ist der Grund, warum es eine Präsenz der USA in Westeuropa gegeben hat und bis heute gibt, wenn auch in reduzierter Form.

Natürlich ist es so, dass wir als GRÜNE dazu stehen, dass es eine transatlantische Verbindung gibt, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA gibt, und zwar nicht geteilt in altes und neues Europa, sondern eine Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA.

Wenn man dazu steht und diese Grundentscheidung getroffen hat, dann ist Kritik an der gegenwärtigen Administration der USA sehr viel glaubwürdiger, als wenn man das Gefühl hat, als ob man nur darauf wartet, dass dort irgendwo ein Fehler gemacht wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Insofern finde ich schon, dass dazugehört, dass klar ist, dass es eine Verbindung zwischen Europa auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite gibt. Es ist natürlich auch so, dass wir keinen Hehl daraus machen, dass aus unserer Sicht die Regierung der Vereinigten Staaten in den letzten Jahren große Fehler begangen hat. Der größte Fehler, den diese Administration begangen hat, war der Einmarsch in den Irak. Ich glaube, jeden Tag kann man sehen, was das für ein Fehler war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg.Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die Selbstbindung an das Recht ist für uns natürlich nicht verhandelbar. Das bedeutet z. B. auch, dass wir klare Worte zur Existenz von Guantánamo finden müssen, dass wir klare Worte auch zur Menschenrechtssituation weltweit finden müssen. Es ist kein imperialistischer Ansatz, wenn man sagt,es gibt Menschenrechte,die universell gelten und nicht verhandelbar sind – für niemanden.

(Allgemeiner Beifall)

Deswegen sagen wir nicht, dass es völlig falsch ist, dass die US-Truppen eine Standortentscheidung getroffen haben. Die wirtschaftlichen Effekte sind nicht zu vernachlässigen. Wer sieht, wie früher in Rheinland-Pfalz gegen die dortigen Kasernen und Einrichtungen protestiert wurde, wer heute sieht, wie sehr darum gekämpft wird, in Konversionsprogramme zu kommen,der merkt durchaus,dass es einen großen wirtschaftlichen Faktor gibt. Ich glaube allerdings, dass wir als GRÜNE sehr froh sein werden, wenn im November 2008 eine neue Administration gewählt wird.

Natürlich wissen wir nicht – das ist das Wesen der Demokratie, auch der amerikanischen Demokratie –, wer am Ende neuer Präsident oder neue Präsidentin wird. Aber von den dreien, die jetzt noch zur Auswahl stehen, wird es so sein – das ist jetzt schon klar –, dass der eine aus eige

ner Erfahrung und die beiden anderen aus politischer Überzeugung sicher sind, dass man stärker wird, wenn man sich an Recht, an internationale Gepflogenheiten und internationale Bindungen hält.

Insofern glaube und hoffe ich, dass die transatlantische Verbindung in den nächsten Jahren wieder besser werden wird. Deswegen sagen wir, dass es der Linkspartei gut anstehen würde, sich von ihrem reflexartigen Antiamerikanismus zu lösen.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist doch nicht wahr!)

Gleichzeitig würde es allen anderen gut anstehen, im Rückblick auf die letzten sieben oder acht Jahre aus der uneingeschränkten eine kritische Solidarität zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Dementsprechend sind wir der Auffassung, dass dieser Antrag aus heutiger Sicht vonseiten der Fraktion der GRÜNEN mit einer Enthaltung quittiert wird. Warum wir dazu gekommen sind,habe ich hoffentlich deutlich gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist erschrocken über diese Aktuelle Stunde, die die LINKEN hier beantragt haben, weil sie letztlich nur einen gepflegten Antiamerikanismus bei den LINKEN zum Thema im Hessischen Landtag machen soll – nichts anderes.

(Marjana Schott (DIE LINKE): Falsch!)

Aber es ist relativ klar. Wer wie die LINKEN heute noch vom real existierenden Sozialismus träumt und den Untergang der Unrechtsregime von Ostberlin bis Moskau bedauert und Frieden ohne Waffen sagt, aber eigentlich Schwerter zu Pflugscharen meint, der demaskiert sich Tag für Tag, der demaskiert sich Plenum für Plenum.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nur wer den Fortschritt – wie wir am Dienstag gehört haben – in der Europäischen Union ablehnt, weil er im tiefsten Herzen eine Systemveränderung erreichen will, ist in der Lage, eine Aktuelle Stunde mit solch einem Thema zu beantragen. Das sind die LINKEN. Das überrascht aber nicht. Im „Wiesbadener Kurier“ vom 8. Januar 2008 liest man von einer Veranstaltung im Vorfeld der Landtagswahl, die die LINKEN in Wiesbaden abgehalten haben. Dort sind alle Argumente, die Herr van Ooyen eben angeführt hat, dargestellt.

Ich räume Folgendes gleich ab: Die Landesregierung wird die Flächen im Bereich von Fort Biehler nicht nutzen müssen. Es werden andere Flächen genutzt. Die Domäne wird Ausgleichsflächen bekommen. Die diskutierten Verkehrsbelastungen wird man in den Griff bekommen. Ich könnte Ihnen erklären, dass die Landbeschaffungsmaßnahme, von der Sie eben gesprochen haben, auf der

Grundlage des Bundesplanungsrechts, eines besonderen Planungsrechts des Bundes erfolgt, aber das interessiert Sie ja nicht.

(Widerspruch von der LINKEN)

In dem „Kurier“-Artikel vom 8. Januar über Ihre Veranstaltung sind alle inhaltlichen Argumente aufgeführt, die Sie eben dargestellt haben. Das interessiert Sie alles nicht. In dem Artikel wird Willi van Ooyen, Spitzenkandidat für Hessen und Organisator der Ostermärsche, als er zum eigentlichen Thema der LINKEN kommt, wie folgt zitiert: „Wir müssen die Friedensbewegung in den Hessischen Landtag einbringen. Nur dann wird es dort kritische Stimmen geben.“

Ich könnte weiter zitieren, dass Sie im Anschluss, wie am heutigen Tage, gesagt haben: „Mit der Verlegung des USHauptquartiers nach Wiesbaden steigt die Terrorgefahr für die Landeshauptstadt Wiesbaden.“

Ihnen geht es um nichts anderes, als Angst zu schüren, Angst zu verbreiten und damit Antiamerikanismus zum Gegenstand von Debatten zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Al-Wazir, ich glaube, es ist richtig, dass Herr van Ooyen nicht nur die letzten sieben Jahre betrachtet. Mit Sicherheit können wir uns an verschiedensten Stellen auch mit politischen Entscheidungen der US-Amerikaner kritisch auseinandersetzen. Aber der Ursprung des Antrags für diese Aktuelle Stunde lässt schlicht und einfach einen Hinweis vermissen, welche Aufbauleistungen die US-Amerikaner für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt und auch für Hessen geleistet haben.

Wir haben in den Jahren 2005/2006 „60 Jahre Hessen“ begangen.Wir hätten „60 Jahre Hessen“ nicht begehen können, wenn nicht mit der Eisenhower-Proklamation Nr. 2 vom 19. September 1945 die Grundlage zur Bildung unseres Bundeslands gelegt worden wäre. Wir hätten keine vorkonstitutionelle Hessische Verfassung, wenn die Amerikaner nicht den Anstoß dazu gegeben hätten. Seit dieser Zeit waren die US-Amerikaner in Hessen nicht etwa Besatzer, wie Sie immer noch meinen, sondern in erster Linie Freunde, Partner und Unterstützer,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

und zwar mit der Folge, dass die deutsch-amerikanische Freundschaft eine wesentliche Wurzel in dem guten Verhältnis der hessischen Bevölkerung zu den US-Amerikanern hatte.Dies ist ein Grundpfeiler unserer Freundschaft geworden. Ohne die Amerikaner, auch das muss man an dieser Stelle sagen, hätte es weder den Aufbau Hessens noch die Luftbrücke gegeben.Als die Menschen in Berlin eingeschlossen waren, sind sie von Amerikanern aus Hessen versorgt worden.

(Beifall bei der CDU, der SDP und der FDP)

Wer für die Blockade in Berlin verantwortlich war, wissen Sie. Ich will an dieser Stelle auch sagen: Es hätte ohne die US-Amerikaner und ihre Präsenz in Deutschland und in Hessen keine Wiedervereinigung Deutschlands gegeben. Auch hierfür waren die Amerikaner maßgeblich mitverantwortlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Man könnte einwenden, wie es manche von Ihnen tun, die Wiedervereinigung sei ein Fehler gewesen.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich sage für die Hessische Landesregierung: ohne Wiedervereinigung keine Weiterentwicklung in einem friedlichen und zusammengehörenden Europa.

Herr Staatsminister,ich darf Sie darauf hinweisen,die vereinbarte Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Ende. – Man muss an dieser Stelle klarmachen, dass es hier nicht etwa um Landverbrauch geht, um Verkehrsbelastung, um Umweltbelastung, und dass es keineswegs um die Fragestellungen geht, die Herr van Ooyen dargestellt hat. Es geht Ihnen um etwas vollkommen anderes. Es geht Ihnen schlicht und einfach darum, abzustreiten, dass nach der Überwindung des Kalten Krieges bei allen demokratischen Parteien ein tief verankertes Bewusstsein vorhanden ist, dass Verteidigungsbereitschaft und Verteidigung der Freiheit gegen Unfreiheit Aufgabe des vereinten Deutschlands ist. Deswegen liegen Sie mit einem solchen Thema für eine Aktuelle Stunde schlicht und einfach falsch. Diese Aktuelle Stunde ist ein Zeichen von unsinnigem Antiamerikanismus, der bei den LINKEN gute Tradition hat.Er wird keinesfalls Richtlinie der Politik der Landesregierung sein oder werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herzlichen Dank. – Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur sofortigen Abstimmung über den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP betreffend Verlegung des Hauptquartiers der US-Streitkräfte nach Wiesbaden, Tagesordnungspunkt 60. Wer für die Annahme des Dringlichen Entschließungsantrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist der Dringliche Entschließungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP gegen die Stimmen der LINKEN bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf: