Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Härtefonds zur Mittagessenversorgung an hessischen Schulen schafft unbürokratisch schnelle Hilfe – Drucks. 17/183 –

und schließlich Tagesordnungspunkt 56:

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend Härtefonds zur Mittagessenversorgung an hessischen Schulen schafft unbürokratische schnelle Hilfe – Drucks. 17/187 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Das Wort hat Frau Kollegin Fuhrmann für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Prinzip „Gut gemeint ist nicht gut gemacht“ trifft hier eindeutig zu. Ich habe diesen Antrag überschrieben mit „Stümperei der Landesregierung“, und ich denke, dass das auch wirklich der Fall ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir hatten in der letzten Wahlperiode Anträge von den Fraktionen der SPD und der GRÜNEN zum Haushalt, um das Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien und anderen Geringverdienerfamilien mit zu unterstützen, damit kein Kind hungern soll. Diese Anträge wurden von der absoluten Mehrheit der CDU im Haushaltsausschuss komplett abgelehnt, um dann in der dritten Lesung einen eigenen Antrag einzubringen.Allein dieses Verfahren ist wieder einmal für den alten Landtag typisch gewesen.

Dann hat die Landesregierung diesen Fonds in Höhe von 5 Millionen c aufgelegt, und die „Rundschau“ hat am 17. April getitelt: „Nichtstun zahlt sich aus“. – Damit hat die „Frankfurter Rundschau“ den Nagel auf den Kopf getroffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es kann unmöglich sein, dass die Kommunen, die sich dieses gesellschafts- und sozialpolitischen Problems, nämlich hungernde Kinder in Ganztagsschulen, angenommen und gehandelt haben, jetzt leer ausgehen und keine Anträge an diesen Härtefallfonds richten können.Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Wir wollen nicht die belohnen, die zugesehen haben, dass Kinder mit knurrenden Mägen in der Schule sitzen, und die gesagt haben: Warten wir doch einmal ab, wann das Geld vom Bund oder vom Land kommt.– Das ist eine völlige Fehlsteuerung. Dieser grobe Webfehler in dem Konzept muss dringend beseitigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Argumentation der Landesregierung ist, dass es bei dem Fonds nicht darum geht, flächendeckend für eine ausreichende Mittagessenversorgung zu sorgen, sondern dass es erst einmal nur um Hilfe in Notlagen geht. Diese Einschätzung teile ich ausdrücklich. Was aber sichergestellt werden muss, ist, dass flächendeckend die Versorgung in Notlagen erfolgt. Es kann nicht sein, dass das

Land einen Härtefonds einrichtet, der nicht sicherstellt, dass in ganz Hessen an allen Schulen solche Anträge gestellt und beschieden werden können. Sie haben hier ein Windhundprinzip eingeführt, und Sie bestrafen die Kommunen, die schon gehandelt haben. Das ist ein Skandal, und das ist Stümperei.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Es spielt für die Kinder und ihre Eltern selbstverständlich überhaupt keine Rolle, woher das Geld kommt – ob die Kommune,das Land oder der Bund die Mittel bereitstellt. Wichtig ist,dass das Geld in den Fällen bereitgestellt wird, in denen es notwendig ist. Es ist wichtig, dass dann, wenn das Land einen Fonds auflegt, auch sichergestellt wird, dass das Geld genau da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird.

Sie haben das Geld jetzt ohne jede Vergaberegel an die Karl Kübel Stiftung übergeben, und Sie haben beschlossen, dass die Schulen die bedürftigen Schülerinnen und Schüler auswählen. Das Prinzip ist unbürokratisch und vom Grundsatz her auch nicht falsch.Aber Sie machen es sich wirklich zu einfach, wenn Sie den Topf hinstellen und nach dem Windhundverfahren sagen: Nun stellt einmal schön Anträge. – Was ist denn dann, wenn die Lehrerinnen oder Lehrer Notlagen nicht erkennen oder wenn das Geld ausgeschöpft ist? All diese Fragen haben Sie überhaupt nicht beantwortet.

Sie haben im Sozialausschuss gesagt, dass Sie nichts über die regionale Verteilung wissen, Frau Ministerin. Sie haben auch gesagt, Sie wissen nicht, wo der größte Bedarf besteht. Ich glaube, wenn man sich die Verteilung der Sozialhilfequote in Hessen anschaut, dann kann man eine ungefähre Ahnung davon bekommen, dass es einen größeren Bedarf in der Stadt Offenbach gibt als in meinem Heimatkreis, nämlich dem Hochtaunuskreis. Das wird mit Sicherheit so sein.

Ich sage Ihnen Folgendes. Wir fordern Sie dringend auf, dass Sie mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine Vereinbarung anstreben, wie diese Mittel verteilt werden und inwieweit sich die kommunale Seite auch selbst beteiligt. Denn ich glaube, dass wir uns alle darüber einig sind, dass 5 Millionen c nicht ausreichen werden, um allen, die es nötig haben, einen Zuschuss zum Mittagessen zu geben.Ich denke,es ist überfällig,dass sowohl für Schulen als auch für Kindertagesstätten Mittel aus einem solchen Fonds abgerufen werden können. Deswegen hatten wir einen Haushaltsantrag von 8 Millionen c vorgesehen. Im Zweifel hätte auch ein Teil nachgelegt werden müssen.

Kehren Sie um. Sehen Sie zu, dass Sie vernünftige Vergaberegeln haben. Machen Sie eine Vereinbarung mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Wenn der Bund irgendwann einsteigt, ist das umso besser. Dann kann man einen solchen Haushaltstitel auch sehr gern wieder einschränken bzw. streichen. Aber im Augenblick ist es überfällig, dass den Kindern geholfen wird, und zwar nicht nur an Schulen, die melden, sondern an allen Schulen, wo eine solche Notlage besteht. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Müller-Klepper für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Worten wird der Bauch nicht voll. Wir haben gehandelt, damit Schülerinnen und Schüler, die sich in einer finanziellen, sozialen oder familiären Notlage befinden, nicht hungern müssen, sondern ein ordentliches Mittagessen erhalten. Als sich die Signale häuften, dass eine zunehmende Zahl betroffen ist und die dringend notwendige Regelung auf Bundesebene weiter auf sich warten ließ, ist das Land eingesprungen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Und hat erst einmal alle unsere Anträge abgelehnt!)

Auf unseren Antrag hin wurden bei den Haushaltsberatungen 5 Millionen c zur Verfügung gestellt,um in diesem Jahr einen Härtefonds zu bilden und das Mittagessen für bedürftige Schulkinder in Hessen zu bezuschussen. Das Land überbrückt die bundesgesetzliche Lücke.

Der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder und Jugendliche reicht nicht aus, er deckt nicht die tatsächlichen Kosten. Als Folge davon werden in unserem wohlhabenden Land Kinder vom Mittagessen in der Schule abgemeldet.

Bundessozialminister Scholz hat den Auftrag, eine Lösung zu finden. Bereits im Januar 2007 wurde dieses Thema durch eine Bundesratsinitiative auf die bundespolitische Tagesordnung gesetzt. Doch bis heute ist nichts passiert. – Nein, ganz stimmt das nicht: Es gibt eine erneute Bundesratsinitiative mit der gleichen Intention. Sie wird auch von Hessen unterstützt.

Hier in Hessen wurde der Härtefonds vom Sozialministerium zügig auf den Weg gebracht und Anfang April gestartet. Die Abwicklung erfolgt direkt über die Schulen. Es gibt keine Stigmatisierung der Betroffenen. Dies ist eine kluge Lösung: Sie verhindert, dass dem Kind das Schild „Sozial benachteiligt“ umgehängt wird.

Das Verfahren wurde in Zusammenarbeit mit Schulleitern entwickelt und mit den Kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Es handelt sich um einen Ansatz, der ein Modell aus der Praxis aufgreift. Denn in einigen Schulen waren bereits in Eigeninitiative von Schulleitungen, Lehrern oder Elterninitiativen Spenden geworben und für das Mittagessen eingesetzt worden.

Das in Hessen angewendete Verfahren ist einfach zu handhaben. Es bietet schnelle Hilfe, die zielgerecht gewährt wird. Es ist ein guter Weg, die Schulen feststellen und entscheiden zu lassen, welches Kind diese Unterstützung braucht.

Dieser Weg setzt auf die persönliche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler und auf die Befähigung der Lehrkräfte zur pädagogischen und sozialen Einschätzung. Schulleitungen und Lehrer vor Ort wissen am besten, wer Hilfe braucht, weil sie vielfach den Familienhintergrund der Kinder kennen und in täglichem Kontakt mit ihnen stehen. Die Hilfe kann flexibel gewährt werden, weil das Verfahren nicht mit Definitionen überfrachtet ist. Die Schulleitungen haben diesen Weg ausdrücklich empfohlen. Ich finde, er leuchtet ein.

An den Haaren herbeigezogen finde ich die Argumentation, die im Sozialpolitischen Ausschuss zu hören war: Es könnte Lehrer geben,die sich nicht kümmern oder die bestimmte Schüler bevorzugen; deshalb solle die Verteilung über die Kommunen erfolgen.

Meine Damen und Herren, wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Solche schwarzen Schafe könnte es auch im ört

lichen Rathaus und Kreishaus geben. Ihr Misstrauen gegenüber den Pädagogen halte ich für völlig unberechtigt. Genauso verantwortungsbewusst, wie der Bedienstete einer Kommunalverwaltung eine Bearbeitung vornehmen würde, wird auch eine Lehrkraft ihrer Fürsorgeund Sorgfaltspflicht gerecht, wenn es um das Wohl der ihr anvertrauten Schüler geht.

Das Modell hat einen ganz besonderen Vorzug, der ihm Charme gibt.Es werden die Kinder von ArbeitslosengeldII-Beziehern unterstützt, aber nicht nur diese.Auch anderen Kindern, die sich in einer Notlage befinden, die vernachlässigt werden, kann kurzfristig geholfen werden.

Ungerechtfertigt finde ich die Kritik an der finanziellen Ausstattung des Fonds. 5 Millionen c für dieses Jahr sind der fünffache Betrag dessen, was das Land RheinlandPfalz unter der SPD-Landesregierung für diesen Zweck eingesetzt hat. Überhaupt haben, wenn ich das richtig recherchiert habe, bisher nur unser Nachbarland sowie Nordrhein-Westfalen und wir gehandelt und sich nicht mit dem Warten auf das Handeln des Bundes abgefunden.

Frau Fuhrmann, es gilt also nicht das, was Sie eben zitiert haben: „Nichthandeln zahlt sich aus“, sondern wir tun etwas, und das zahlt sich für die betroffenen Schülerinnen und Schüler aus.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Vor dem Hintergrund dieser Sachlage finde ich die Nörgelei am Verfahren aufgesetzt.

(Widerspruch der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn der Weg der Mittelverteilung über die Kommunen gewählt worden wäre, dann hätten Sie vermutlich den bürokratischen Aufwand kritisiert.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nein!)

Bei diesem Härtefonds handelt es sich um ein soziales Projekt, das Diskriminierung verhindert und ein Stück Gesundheitsvorsorge darstellt. Wir lassen es von Ihnen nicht schlechtreden.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wir lassen uns von Ihnen auch nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Der liegt beim Bundessozialminister. Der Bund steht in der Pflicht.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wenn es Ihnen um eine dauerhafte Lösung geht,dann setzen Sie sich bei Herrn Scholz dafür ein.

Die Umsetzung des Härtefonds ist gut angelaufen. Derzeit gibt es keinen Grund für eine Korrektur.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Lassen Sie uns zu gegebener Zeit die von der FDP geforderte Evaluation anschauen. Dann werden wir sehen, ob sich dieses Modell bewährt hat. Ich bin da äußerst zuversichtlich. – Ich danke Ihnen.