Protokoll der Sitzung vom 15.05.2008

Herr Kollege Rock hat sich für die Fraktion der FDP zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der soeben gehörte Wortbeitrag hat mich natürlich provoziert. Wenn ich mir anhören muss, dass in diesem Hause scheinbar eine Fraktion – womöglich nur eine Person – die Mo

ral gepachtet hat, dann ist das für mich mittlerweile unerträglich.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen uns diese Vorhaltungen von Ihnen nicht ununterbrochen machen lassen. Es ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung, wenn Sie hier derart auftreten. Wir haben ganz klar gesagt, wo wir ansetzen wollen. Wir haben über dieses Thema bereits im Ausschuss debattiert, doch Sie haben sich hierzu im Ausschuss mehr als zurückgehalten, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

(Florian Rentsch (FDP):Zu diesem Thema hat DIE LINKE nichts gesagt!)

Für meine Fraktion möchte ich natürlich ausdrücklich darauf hinweisen:Wenn wir feststellen,dass es Kinder gibt – es geht uns hierbei ausdrücklich darum, dass nicht nur Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen, betroffen sind –, die in den Schulen entsprechende Defizite haben, dann sind wir der Meinung, dass kurzfristig geholfen werden muss, und zwar auf dem kleinen Dienstweg.

(Beifall bei der FDP)

In diesem Zusammenhang greift das Konzept der FDP: die 105-prozentige Versorgung an den Schulen sowie die Autonomie der Schule. Diesem Problem muss man natürlich nachgehen. Den Schulen muss es personell ermöglicht werden,den Lehrern oder den Sozialarbeitern so viel Zeit zur Verfügung zu stellen, diesem Problem überhaupt nachzugehen. Es nutzt nichts, wenn einfach 2 oder 3 c zum Mittagessen hinzugegeben werden und die Probleme, die dort bestehen, nicht nachhaltig angegangen werden. Das ist richtig. Wenn wir das Konzept „Autonomie der Schule“ vorantreiben und die Verantwortung nach unten geben, wird sich dies lösen. Ich bin sicher, dass die soziale Kompetenz und die Menschlichkeit dort noch immer am größten sind, wo Probleme auftreten – und nicht hier in der ersten Reihe des Landtags. Die Leute, die damit tagtäglich zu tun haben, sind die Richtigen, um sich darum zu kümmern. Unsere Aufgabe ist es, ihnen hierfür einfach die Möglichkeit zu geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Frau Sozialministerin Lautenschläger.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben mit dem Härtefonds sehr schnell Kindern geholfen, die in der Schule schlichtweg hungern. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, dass wir unbürokratisch geholfen haben, damit die Lehrer vor Ort, die dort als Beamte tätig sind,schnell eingreifen können.Ich gebe zu,die Hauptkritik, die mich in diesem Hause heute getroffen hat – damit kann ich aber ausgesprochen gut leben –, ist, dass gesagt wurde, ich hätte zu unbürokratisch gehandelt. Das ist eine Kritik, mit der man sehr gut umgehen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sind selbstverständlich bereit, und das haben wir auch im Ausschuss gesagt,uns gemeinsam anzuschauen,wie wir damit umgehen müssen.Wir sind bereit, zu fragen, ob die Regelung auf Dauer Bestand hat oder ob sie verändert werden muss.

Aber von Ihnen hier heute zu hören, wir müssten es auf die kommunale Ebene verteilen, dann würde das besser werden, und es würden vielleicht mehr Kinder davon profitieren – zumindest stellen Sie das so dar –, das halte ich schon für massiv unredlich. Denn erstens handelt es sich dabei um eine freiwillige Leistung. Die konnte sich die Stadt Frankfurt nach dem Haushaltsrecht vielleicht leisten. Die Stadt Kassel hatte schon wesentlich größere Probleme, im Vorfeld aktiv zu werden. Deswegen sind die Schulleiter aus Kassel auch ganz schnell bei der Besprechung dabei gewesen,zu sagen:Das ist eine prima Lösung, so vorzugehen, damit Kindern in der Schule, wo vorher von Sponsoren Geld eingeworben wurde, schnell und unbürokratisch geholfen wird.

Frau Ministerin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Ich lasse sie sofort zu. Ich will nur noch den dritten Punkt nennen. – Zum dritten Punkt. Wir haben ausdrücklich nicht gesagt, dass es eine Regelung nur für Hartz-IVEmpfänger ist. Denn wer diesem Hessischen Landtag schon länger angehört oder wer sich in den letzten Jahren intensiv mit der Frage von Kinderschutz sowie Vernachlässigung von Kindern beschäftigt hat, der weiß sehr genau, dass es nicht ein Thema von Familien ist, die SGB II beziehen, sondern dass wir in diesem Bereich ganz unterschiedliche Familien aus unterschiedlichen Einkommensgruppen haben. Manche liegen vielleicht knapp über dem Satz. Es betrifft Alleinerziehende, die mit ihrem Haushaltsbeitrag, den sie erwirtschaften, tatsächlich nicht auskommen. Eine Familie mit mehreren Kindern, die SGB II bezieht, kommt vielleicht noch zurecht, aber eine Alleinerziehende schon nicht mehr. Daher brauchen wir erst einmal eine schnelle und unbürokratische Hilfe.

Liebe Frau Kollegin Fuhrmann, hier immer Krokodilstränen zu weinen, aber nichts davon zu sagen, was auf Bundesebene passiert:Wir als Arbeits- und Sozialminister haben die ASMK abgewartet, die, wenn ich es richtig im Kopf habe,im November letzten Jahres stattgefunden hat.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Denn wir sind davon ausgegangen, dass der Bundesarbeitsminister dann handelt. Er hat nicht gehandelt. Deswegen sind im Bundesrat nach wie vor Anträge anhängig, die sich mit diesem Thema befassen.Wir hoffen, dass nach den nächsten Beschlüssen tatsächlich gehandelt wird, ein Vorschlag erarbeitet wird und uns nicht noch einmal erklärt wird, dass alles im grünen Bereich sei. Deswegen haben wir kurzfristig, mit der letzten Lesung des Haushalts, den Härtefonds eingerichtet, weil dann die Konferenzen vorbei waren,auf denen der Minister erklärt hat:„Dort ist im Moment kein Handlungsbedarf, man prüft weiter.“

Jetzt lasse ich gerne die Zwischenfrage zu.

Frau Ministerin, ist es richtig, dass im sogenannten HartzIV-Gesetz geregelt wurde – wir haben über Kindergärten gesprochen –, dass die Zuständigkeit für die Erstattung der Kindergartenbeiträge und für die Kosten von HartzIV-Empfängern eindeutig bei der kommunalen Seite ist?

Es ist richtig,dass dort der Jugendhilfeträger zuständig ist. Deswegen haben andere Länder, die einen Härtefonds eingerichtet haben, das auf die Schulen begrenzt.Weil wir wissen,dass in den Schulen solche Probleme bestehen,haben wir sehr bewusst gesagt,dass wir dort sehr schnell helfen. Normalerweise springt ansonsten der Jugendhilfebzw.der Sozialhilfeträger ein.Aber auch viele Kommunen haben das längst sehr unbürokratisch geregelt. Deswegen waren wir der Auffassung,jetzt eine sehr unbürokratische, schnelle Regelung mit unseren Lehrern zu treffen. Wir halten sie für sehr wohl in der Lage, dass sie richtig auswählen und hinschauen – und nicht wegschauen.Denn genau durch das Hinschauen der Lehrer in der Vergangenheit ist das Problem quasi nach oben gekommen.

Überall dort, wo es nicht mehr von Fördervereinen oder von Menschen persönlich übernommen wurde, wurde gesagt:Wir brauchen eine extra Regelung. – Das ist ein ganz wichtiger Bereich.Es macht keinen Sinn,erst abzuwarten, wie wir die Finanzkraft der Kommunen berechnen, welche Kommune sich wie organisiert, wie sie das Mittagessen organisiert, und dann zu sagen: Nur die Kinder, die im Regelsatz Hartz IV sind, sind zu bezuschussen. – Dort, wo Not besteht, muss geholfen werden. Es ist ein unbürokratischer Nothilfefonds. Deswegen sage ich noch einmal: Mit Ihrer Kritik, das sei zu unbürokratisch, kann ich gut leben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Wolfgang Grei- lich (FDP))

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Fuhrmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Frage „unbürokratisch“ stimme ich Ihnen zu. Unbürokratisches Handeln ist etwas Schönes, aber nicht unprofessionelles und ungerechtes Handeln, Frau Ministerin. Das ist hier der Fall.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich habe mich auf die Ausführungen des Kollegen Rentsch gemeldet, der sich wieder relativ ideologiebelastet geäußert hat. Lieber Herr Kollege Rentsch, ich habe überhaupt kein Problem damit, zuzugeben, dass es in diesem Land Wohlstandsverwahrlosung gibt. Die gibt es seit Jahren mit zunehmender Tendenz. Das ist völlig richtig.

(Florian Rentsch (FDP): Die sollen kein Mittagessen bekommen?)

Die Partei der Besserverdienenden ist die Partei der FDP.

(Axel Wintermeyer (CDU): Die GRÜNEN!)

Ich benutze jetzt einmal ein Klischee. Es tut mir fürchterlich leid, aber wenn beide Elternteile zusammen auf den Golfplatz gehen, bin ich nicht der Auffassung, dass das Kind das Mittagessen aus einem Härtefonds des Landes bezahlt bekommen sollte. Diese Meinung vertrete ich allerdings entschieden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Unverschämt ist das! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Rentsch, wenn Sie das wollen, dann sprechen wir über die Finanzierung des Ganzen. Wir haben hier einen Fonds von 5 Millionen c. Der reicht vorne und hinten nicht. Das werden wir sehen. Der Bedarf ist größer. Unser Antrag belief sich auf 8 Millionen c. Ich bin nicht sicher, ob dieser Betrag überhaupt jemals ausgereicht hätte, weil wir nämlich auch die Kindertagesstätten als Begünstigte in dem Fonds haben wollten. Das ist ausdrücklich ein Härtefonds für Kinder aus Familien, die Hartz IV beziehen, oder aber für Niedrigverdiener, die knapp über dem Satz liegen, denn denen geht es genauso miserabel. Die haben ein Problem, die Schulspeisung zu bezahlen. Die Eltern, von denen ich gerade gesprochen habe, können das Mittagessen ohne Zweifel bezahlen. Das sollen sie auch.

(Florian Rentsch (FDP):Woher sollen das die Lehrer wissen? – Michael Boddenberg (CDU): Zeigen Sie uns die Eltern, die auf dem Golfplatz stehen!)

Zweiter Punkt. Wenn Sie hier ständig die Bundesebene ansprechen: Wir haben beantragt, dass die Bundesebene den Kinderregelsatz dringend überprüft. Das wird auch passieren.

(Zuruf des Abg.Michael Boddenberg (CDU) – Florian Rentsch (FDP):Woher soll das der Lehrer wissen?)

Herr Kollege Rentsch, wenn Sie der Auffassung sind, dass wir die Schulspeisung für alle Kinder kostenlos zur Verfügung stellen sollten, was die logische Folge Ihrer Forderung wäre, dann frage ich:Wo ist das Finanzierungskonzept der FDP-Fraktion? Ansonsten kann man darüber selbstverständlich reden.

Frau Kollegin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, Herr Präsident, ich möchte nicht. Ich bin nämlich gerade bei meinem letzten Satz. – Es muss eindeutig ein unbürokratischer Härtefonds für diejenigen sein, die es brauchen,aber nicht unprofessionell und ungerecht.So ist es hier aber leider gehandhabt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU):Ich wusste noch gar nicht,dass Frau Fuhrmann Golf spielt! Ich kenne solche Leute nicht!)

Das Wort hat Frau Abg.Henzler für die Fraktion der FDP.

Frau Kollegin Fuhrmann, Ihre Ausführungen reizen mich, doch noch etwas zu sagen. Sie begrüßen einen unbürokratischen Härtefonds und sagen, er solle nicht unprofessionell sein. Dann erzählen Sie von den Freizeitaktivitäten der Eltern. Wie wollen Sie es bitte regeln? Möchten Sie, dass die Eltern ihren Einkommensteuernachweis bei der Schule abgeben, wenn sie beantragen, dass ihre Kinder ei

nen Zuschuss für das Mittagessen bekommen? Das ist genau das, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Zukünftig muss jeder beim Schwimmbadbesuch, beim Metzger, beim Bäcker, beim Wirt erst einmal die Einkommensbescheinigung vorlegen, und dementsprechend werden dann die Preise gemacht. Das nennen Sie unbürokratisch und gerecht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es liegen keine Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass alle drei Anträge – Drucks.17/87,17/183 und 17/187 – verabredungsgemäß an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen werden. Dann ist das beschlossen. – Dem widerspricht keiner.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE betreffend Neubenennung der Vertretung des Landes Hessen im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas im Europarat (KGRE) – Drucks. 17/128 –