Protokoll der Sitzung vom 03.06.2008

Am Ende des Schreibens wird weiter darauf hingewiesen – erneutes Zitat mit Genehmigung des Präsidenten –:

Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf Veränderungen in der Studierendenzahl unberücksichtigt lässt und weder im Gesetzestext noch in den Erläuterungen den Hinweis auf eine Dynamisierungsklausel enthält. Angesichts zu erwartender Steigerungen der Studierendenzahlen stellt dies eine erhebliche Verschlechterung der Finanzierung der Hochschulen dar.

Herr Kollege Siebel, die Hochschulen in Hessen, alle Hochschulpräsidien sagen, dass der Gesetzentwurf ihnen die Freiheit nimmt und das Geld. Das ist ein schlechter Tag für die hessischen Hochschulen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu dieser starken Kritik der Hochschulen haben Sie in der Anhörung gesagt: Wir gehen auf den Änderungsvorschlag ein. Sie sind mitnichten darauf eingegangen und haben die Präsidien entmachtet und dafür gesorgt, dass die Verantwortlichkeit für die Verteilung der Mittel eben nicht mehr in den Präsidien stattfindet, sondern dass es so kompliziert geworden ist,

(Michael Siebel (SPD): Die werden zielgenau eingesetzt!)

dass die Verteilung nach unten eigentlich nicht mehr funktionieren kann.

Aber nicht nur das ist mit dem Gesetzentwurf passiert, sondern die sogenannte Kapazitätsverordnung greift ebenfalls. In der Anhörung hat die Hochschulrektorenkonferenz darauf hingewiesen, dass es sich, wenn diese Mittel aus der Landeszuweisung kämen, um keine Drittmittel mehr handelt.Als solche seien dann die Mittel nicht kapazitätsneutral. Das bedeutet, dass die Mittel nicht zur Verbesserung der Qualität, sondern zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze verwandt werden müssen.

(Michael Siebel (SPD): Ein Land muss das Recht haben, zur Kapazitätsverbesserung Geld einzusetzen!)

Sie müssen aber auch einmal zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Siebel,dass das Kapazitätsrecht auf Bundesebene gilt und dass das, was Sie jetzt vorsehen, dazu führt, dass das, was wir bisher an Verbesserung für die Lehre haben, damit faktisch abgeschafft wird.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Der Ministerialdirektor aus dem Bundesministerium für Forschung, Dr. Christian Uhlhorn, hat darauf hingewiesen, dass gerade ein hohes Klagerisiko vor Gericht durch den Kapazitätsausbau folgen würde, und er hat darauf hingewiesen,dass jeder Studierende dann die Möglichkeit hätte,sich in die einzelnen Studiengänge einzuklagen,also das Geld auch nicht zur Verbesserung der Qualität der Lehre genutzt werden könnte.

Viele Sachverständige haben in der Anhörung auch darauf hingewiesen, dass ein Hochschultourismus stattfinden kann, dass nämlich aus anderen Bundesländern diejenigen, die keine Studienbeiträge zahlen wollen, die hessischen Hochschulen überfluten und am Ende sagen werden: Wenn wir in Hessen bleiben, können die Hochschulen als einzige Chance, um die Studienplätze in den einzelnen Fächern zu begrenzen, darauf zurückgreifen, einen Numerus clausus einzuführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird dann dazu führen, dass die hessischen Studierenden, die wohnortnah studieren wollen, die schlechteren Voraussetzungen haben – also auch das kein Vorteil.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Nicola Beer (FDP))

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Kollegin, Sie müssen dann bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Die heute bevorstehende Verabschiedung dieses Gesetzes ist ein schlechter Tag für die hessischen Hochschulen: weniger Geld, weniger Autonomie, weniger Qualität, aber dafür mehr Studierende. Das ist die katastrophale Hochschulpolitik der linken Seite.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Kühne-Hörmann. – Als Nächste hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass das jetzt eine der letzten Reden ist, die zum Thema Studiengebühren in diesem Hause gehalten werden, und das Thema nach heute endgültig vom Tisch ist.

Nach einigen Jahren der hochschulpolitischen Irrfahrt von CDU und FDP wird heute ein zentrales bildungspolitisches Grundrecht wieder allgemein zugänglich, nämlich das Recht auf den kostenfreien Hochschulzugang. Ab dem kommenden Semester müssen an hessischen Hochschulen keine Studiengebühren mehr gezahlt werden,und wir freuen uns mit den Studentinnen und Studenten in Hessen. Es werden sicher in dieser Woche einige Studentenpartys stattfinden, auf denen die Abschaffung der Studiengebühren gebührend gefeiert wird.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die Werktätigen bezahlen das für die Kapitalisten!)

Wir hoffen, dass das ein Startschuss für ganz Deutschland ist, damit Bildung generell und überall kostenfrei wird, von der Kita bis zur Uni.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE hat einen eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Studiengebühren im Hessischen Landtag eingebracht. Dieser beinhaltet die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren, der Langzeitstudiengebühren, der Zweitstudiengebühren sowie die Abschaffung des Verwaltungskostenbeitrags und – ganz wichtig – die Rückzahlung der bisher gezahlten Studienbeiträge.

Unser Gesetzentwurf wurde im Ausschuss mit den Stimmen aller Fraktionen abgelehnt. Wir bedauern sehr, dass SPD und GRÜNE mit CDU und FDP gestimmt haben und der Forderung der Studierenden nach Rückzahlung nicht nachgekommen wird. DIE LINKE bleibt dabei:Wir fordern die Rückzahlung der bereits gezahlten Studienbeiträge und werden das spätestens in der Haushaltsdebatte wieder einbringen.

(Beifall bei der LINKEN – Minister Volker Hoff: Ich denke, es sollte keine Diskussion über Studien- gebühren mehr geführt werden!)

Wenn Studiengebühren abgeschafft werden, dann auch für alle.Viele Studierende müssen sich verschulden, Familien müssen sich an anderer Stelle einschränken, um die Gebühren zu zahlen.Ihnen muss das Geld zurückgegeben werden.

An einem weiteren Punkt hatten wir Kritik am Gesetzentwurf von SPD und GRÜNEN: Wir sehen keine Notwendigkeit, im Zusammenhang mit der Abschaffung der Studiengebühren die Zwangsexmatrikulation zu ver

schärfen. In Art. 3 des Gesetzentwurfs wollten SPD und GRÜNE § 68 des Hessischen Hochschulgesetzes modifizieren und die Zwangsexmatrikulation nach drei statt bisher nach vier Semestern ermöglichen.

SPD und GRÜNE wollen darüber hinaus die Hochschulen dazu verpflichten,gegen die sogenannten Langzeitstudierenden vorzugehen – Zitat „von Amts wegen“ habe in Zukunft „eine Überprüfung der Leistungsnachweise zu erfolgen“. Die jetzige Fassung des § 68 ist eine Kannformulierung, d. h. die Hochschulen können, sind aber nicht dazu verpflichtet, müssen also nicht exmatrikulieren oder überhaupt irgendwie tätig werden.

Es geht also nicht, wie es SPD und GRÜNE darstellen, um eine Verhinderung von Zwangsexmatrikulation, sondern um eine Beschleunigung. Wie in allen anderen Bereichen ist es auch hier nicht hinnehmbar,dass alle für den möglichen Missbrauch weniger bestraft werden. Deshalb haben wir Art. 3 des Gesetzentwurfs im Ausschuss abgelehnt, haben ihm nicht zugestimmt, und deshalb wird er jetzt auch nicht Gesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit tragen wir auch den Aussagen der Betroffenen in der öffentlichen Anhörung vom 19. Mai Rechnung. Sowohl die Studierendenvertretung als auch die Hochschulen lehnen die vorgeschlagene Neuregelung des § 68 ab. Ich denke, das sind ganz schlechte Voraussetzungen, um den Artikel ins Gesetz zu schreiben.

Wir wollen Studiengebühren abschaffen und nicht den Druck auf die Studierenden erhöhen. Die Frage der Zwangsexmatrikulation steht für die LINKE nicht auf der Tagesordnung. Es geht jetzt um die Abschaffung der Studiengebühren;das werden wir heute tun.Wir wollen nicht, dass im Windschatten der Abschaffung, so ganz nebenbei im Kleingedruckten, Änderungen im Hessischen Hochschulgesetz vorgenommen werden in der Hoffnung, vielleicht merkt es keiner.

Gespräche zur Unterstützung der Studierenden halten wir für eine gute Idee, aber nicht als Drohung, sondern wirklich als Hilfe. Studierende brauchen eine allgemeine vernünftige Studienberatung, die den Studierenden bei ihrer Studienorganisation ohne drohende Exmatrikulation unter die Arme greift.Wir wissen aber auch, Gespräche allein werden die Probleme vieler Studierenden nicht lösen. Zwei Drittel aller Studierenden arbeiten – die Zeit fehlt zum Studieren. Zudem sind die Studienbedingungen oft schlecht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich dachte, sie werden jetzt besser!)

Wer Studierenden einen schnelleren Studienabschluss ermöglichen möchte, der muss sich für eine BAföG-Erhöhung einsetzen, der muss sich dafür einsetzen, dass das Kindergeld wieder bis 27 Jahre gezahlt wird, und der muss die Bedingungen an den Hochschulen verbessern,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich dachte, Sie wollen wie im Sozialismus die Zahl der Studienplätze beschränken!)

damit die Leute besser studieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Die beste Beratung hilft nämlich gar nichts, wenn Studierende, was nicht selten der Fall ist, mehr Wochenstunden im Betrieb als an der Universität verbringen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wir vergeben die Studienplätze – – )

Herr Irmer, Sie brauchen gar nicht dazwischenzurufen. Ich habe heute so gute Laune, dagegen können selbst Sie nichts ausrichten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich war noch gar nicht fertig, ich fange doch erst an! Wir vergeben die Studienplätze nach der politischen Gesinnung, das wäre doch mal etwas!)

Das Hessische Hochschulgesetz muss im nächsten Jahr novelliert werden. Für die LINKE steht dabei die Demokratisierung der Hochschulen im Vordergrund. Wir wollen die Einbeziehung der Studierenden in diesen Prozess. Auch über § 68 kann in dem Zusammenhang diskutiert werden. Für uns steht der Schutz der Studierenden vor Zwangsexmatrikulation im Vordergrund. Einer umfangreichen Novellierung sollte jetzt nicht durch Stückwerk an nicht dringlich zu ändernden Stellen vorgegriffen werden. So wollten mich Thomas Spies und Sarah Sorge belehren, als wir eine Regelung im Hessischen Hochschulgesetz zur Stiftungsuniversität ändern wollten, dass es sinnvoll sei, nicht jede kleine Regelung einzeln zu ändern, sondern eine umfangreiche Novellierung vorzunehmen. Deshalb bitte ich auch Sie: Lassen Sie uns jetzt nicht vorgreifen, sondern lassen Sie uns das Hessische Hochschulgesetz in einer umfangreichen Novellierung ändern und heute nur das ändern,was unmittelbar mit der Abschaffung von Studiengebühren zusammenhängt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Studierendenbewegung und ihrer breiten Unterstützung in der Bevölkerung ist es zu verdanken, dass Studiengebühren ab heute in Hessen Geschichte sind. Das kann nur der Anfang sein. Eine grundsätzliche Veränderung der Hochschulpolitik ist möglich und ist auch nötig. Die Abschaffung der Studiengebühren setzt ein Zeichen über Hessen hinaus.

(Dr. Walter Lübcke (CDU): Wissen Sie, was Sie da sagen?)