Das ist der Grund, warum wir das hier leider zum dritten Mal einbringen müssen. Herr Kollege Müller, beim ersten Mal – das ist noch gar nicht so lange her, es ist trotzdem schon in der vorletzten Legislaturperiode gewesen – ist es den Mitgliedern der ablehnenden Mehrheit der CDUFraktion – die Mitglieder der FDP waren, wie immer, im Beiboot hintendran – gar nicht aufgefallen, dass wir den Wortlaut des Gesetzestextes aus Baden-Württemberg 1 : 1 abgeschrieben hatten. Herr Kollege Müller, im Land der Häuslebauer ist das schon seit Jahrzehnten geltendes Recht.
Insofern kann ich Ihnen zu dem Stichwort „Eingriff in das Eigentumsrecht“ sagen: Mir ist nicht bekannt, dass in Baden-Württemberg der Sozialismus herrscht. Vielmehr herrschen, nach dem, was mir bekannt ist, in Baden-Württemberg die CDU und die FDP.
Was die CDU angeht, war es zumindest noch nie anders. Ich glaube, bei irgendeiner Irrung oder Wirrung gab es zu Anfang des Landes Baden-Württemberg sogar einmal einen Ministerpräsidenten der FDP. Insofern kann ich sagen:Wenn Sie behaupten, dass das, was wir hier vorschlagen, Sozialismus sei, dann sollten Sie einmal nach Süden schauen. – Vielen Dank.
Herr Al-Wazir, vielen Dank. – Ich darf in der Folge der Redner fortfahren. Frau Wissler, Sie erhalten jetzt Gelegenheit, für die Fraktion DIE LINKE zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die alarmierenden Klimaberichte der Vereinten Nationen und anderer machen seit Jahrzehnten deutlich, dass für den Klimaschutz mehr getan werden muss als das, wozu internationale Klimakonferenzen und die führenden Wirtschaftsunternehmen derzeit bereit sind. Die Überhitzung des Klimas wird weltweit weitreichende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen haben. Das betrifft nicht nur die Gegenden, die akut von Überschwemmungen und Verödung bedroht sind, sondern das betrifft auch Hessen. Dass Sie, die Mitglieder der Landesregierung, auf diese Bedrohungen, die mittlerweile sogar von Militärstrategen und konservativen Innenpolitikern beschrieben werden, nicht reagieren, ist fahrlässig und geradezu erschreckend.
Ihre Nachhaltigkeitsstrategie legt die Mängel einer Politik offen, die sinnvolle Projekte mit jährlich zu bewilligenden Finanzierungen abspeist.Wirklich nachhaltig wirkt sie nur hinsichtlich der Enttäuschung der Menschen, die sich ernsthaft für den Klimaschutz engagieren und von der Regierung erwarten, dass sie die Dringlichkeit dieses Thema endlich erkennt.
Dieser Dringlichkeit wird aber auch nicht durch große Titel und Namen der nötige Nachdruck verliehen. Die dazugehörige Drucksache wurde schon angesprochen. Es handelt sich um Drucks. 247 aus der vergangenen Wahlperiode. Sie trug den einfachen, schlichten und treffenden Titel: „Änderung des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes“. Inhaltlich ging es dabei um genau dieselbe Frage, über die wir heute reden. Heute hat das allerdings den großen Namen: „Erstes Hessisches Zukunftsenergie- und Klimaschutzgesetz“.
Großer Name – kleiner Gesetzentwurf. Damit wecken Sie natürlich die Neugierde auf die weiteren Gesetzentwürfe. Aber inhaltlich – –
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der zweite Gesetzentwurf wurde vor zwei Stunden eingebracht!)
Inhaltlich aber zielt der Entwurf in die richtige Richtung. Die Wärmedämmung an Altbauten enthält gewaltige Potenziale an Energieeinsparung, und das ist noch mehr als durch alle auf Bundes- und Länderebene beschlossenen Erleichterungen und Förderungen für den nachhaltigen Neubau. Ein Umbau des Baubestandes könnte dabei helfen, dass volkswirtschaftliche und individuelle Kosten reduziert werden und der CO2-Ausstoß gesenkt wird.
Dass eine solche Sanierung der Bausubstanz erhebliche positive Auswirkung auf die Konjunktur und auf den Arbeitsmarkt hätte, liegt auf der Hand.Wie bei vergleichbaren Gesetzentwürfen der GRÜNEN stolpern Sie immer wieder an der empfindlichen Stelle, wenn es nämlich um die Einschränkung des Rechts auf Eigentum geht.
Um tatsächliche Rechtssicherheit für Mieter und Eigentümer zu schaffen,die neuen Freiheiten dieses Gesetzes in Anspruch zu nehmen, wären noch zwei Klarstellungen vorzunehmen, was eine „unwesentliche Beeinträchtigung“ bei der Nutzung des betroffenen Grundstückes ist. Darüber gibt es keine verlässliche Bestimmung. Mit einer vagen Formulierung, die wir ins Gesetz schreiben, provozieren wir geradezu nachbarschaftlichen Streit bis in die x-te Instanz.
In der Begründung Ihres Gesetzentwurfs verweisen Sie auf „erhebliche Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks“. Wollen wir solche Beeinträchtigungen, und zu welchem Grad wollen wir die gestatten oder eben auch nicht? Ich finde, es klingt ein bisschen so, als würden Sie vor den Konsequenzen Ihres eigenen Vorschlages zurückschrecken,weil das Eigentum nicht angerührt werden soll. Darauf zielt auch die Festlegung, dass die Nutzung der Wärmeisolierung nicht „außer Verhältnis“ zu den dadurch entstehenden Nachteilen stehen dürfe.
Die Frage ist: Wie hoch bewerten Sie nun den Klimaschutz im Verhältnis zu den Eigentumsrechten? – Frau Wallmann, Herr Müller, Sie sprechen vom Schutz des Eigentums. Ich frage Sie einmal: Gilt das auch für die Menschen des Südens? Gilt das auch für die Menschen, die ihr Eigentum durch Überschwemmung, durch Hochwasser infolge der Klimakatastrophe verlieren? Gilt der Schutz des Eigentums auch für diese Leute?
Wenn wir dabei sind, über Energiepolitik zu reden – wir liegen heute ganz gut in der Zeit, eine Stunde vor der Zeit –, veranlasst mich der Titel des Gesetzentwurfs, ein paar Ausführungen grundsätzlicher Art zu machen,
weil der Regierung offensichtlich Inspirationen auf dem Weg zum Musterland der erneuerbaren Energien fehlen. Deshalb möchte ich mit ein paar Anregungen aushelfen. Vielleicht kann das in Ihr Zukunftsenergiegesetz einfließen. Manchmal hilft es, einen Blick über den Atlantik zu werfen.Von Amerika können wir in der Tat lernen.
Meine Herren, nicht so schnell. Sie denken jetzt natürlich an US-amerikanische Arbeitsmarktpolitik. Ich meine etwas anderes. Ich habe etwas Interessantes gelesen, und zwar über eine Initiative in Venezuela.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Regierung unter Hugo Chávez hat die „Misión Revolución Energética“ ins Leben gerufen. Das heißt zu Deutsch „Mission Energierevolution“. Damit sollen die Energieversorgung dezentralisiert, Energie eingespart und erneuerbare Energien ausgebaut werden.
Das wichtigste Projekt ist ein Windpark auf der Halbinsel Paraguaná.Weitere Windparks sind geplant.Auch die Solarenergie soll dort eine weitaus stärkere Rolle spielen.
Herr Irmer, ich weiß gar nicht, was Sie haben. Ich spreche hier gerade über unseren potenziellen Absatzmarkt für die Wachstumsbranche in Nordhessen.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich wollte Sie nur auf die Widersprüche in Ihrer Politik aufmerksam machen!)
In Venezuela sind vermutlich nordhessische Wechselrichter oder deutsche Windradtechnik im Einsatz. Ich rede hier über einen Absatzmarkt.
Was ich besonders interessant fand, war, dass seit 2006 in Privathaushalten, in Unternehmen und in den Regierungsgebäuden – um zum ersten E, der Energieeinsparung, zu kommen – mehr als 53 Millionen Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzt wurden, und das auf Staatskosten. Das hat so funktioniert, dass mehrere Tausend junger Menschen durchs Land von Haushalt zu Haushalt gezogen sind und dort diese Sparlampen verteilt haben,
womit enorme Einsparungen von umgerechnet etwa 2 Milliarden US-$ erzielt werden sollen. Panama macht das jetzt nach. Dort werden 6 Millionen Sparlampen verteilt, um Stromverbrauchsspitzen zu kappen und Blackouts zu verhindern. Ich finde, das wäre doch eine Sache, die man durchaus auch in Hessen überlegen könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Verschenken ist sicher die ansprechendste Art, eine neue Technik schnell zu verbreiten. Europa setzt bei der Glühbirne im Gegensatz zu Venezuela lieber auf Verbote. Bis 2012 soll der Verbrauch verboten werden. Ich möchte also die Mitglieder der Regierungsfraktionen ermutigen, sich bei der Bearbeitung ihres Zukunftsenergiegesetzes an der venezolanischen Energierevolution ein Beispiel zu nehmen und positive Anreize zu setzen.
Wem etwas geschenkt wird, der hat doch weniger Motivation, sich mit seinem Nachbar um überstehende Isolierteile zu streiten. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir während der Redebeiträge ein paar Punkte notiert. Ich hatte mir vorher ein bisschen Luft gelassen, damit ich die Möglichkeit habe, noch zu reagieren.
Frau Wissler, ich möchte mit Ihnen anfangen. Man kann alles vorschreiben.Aber man muss beachten, dass es auch Gesetze zum Schutz des Eigentums gibt. Das heißt für uns, wir haben diese Formulierung mit der Beeinträchtigung explizit mit hineingenommen, weil wir wollen, dass etwas umgesetzt wird und vor Gericht Bestand hat. Es kann niemandem zugemutet werden, wenn der Nachbar auf der Grundstücksgrenze dämmt, dass er nicht mehr durch sein Hoftor hineinkommen kann.
Es gibt Dinge, die muss man in einem Gesetz mit beachten. Sie unterstützen dieses Gesetz. Deshalb sind wir d’accord.Deshalb rede ich lieber zu den Kolleginnen und Kollegen der CDU und zu den Kollegen der FDP.
Wir können abwarten, klar. Aber es nützt nichts. Es muss gehandelt werden. Sie hätten längst Zeit gehabt, einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen. Sie haben ein Ministerium im Rücken. Das haben wir nicht.Wir haben auf das reagiert, was damals an Anregungen gekommen ist. Dies haben wir mit eingebaut. Herr Müller, deswegen stimmt der Vorwurf „neuer Titel, gleicher Inhalt“ nicht.Wir haben das eingebaut, von dem wir dachten, das können wir übernehmen, damit vielleicht auch die CDU bereit ist, unserem Gesetzentwurf zu folgen.
Frau Wallmann, ich denke, so einfach kann man es sich nicht machen. Ich habe bewusst gewartet, weil ich von Ihrer Seite wissen wollte, wie Ihr Gesetz aussehen wird. In der Presse haben Sie dies schon kundgetan. Ich war sehr erstaunt, als ich lesen musste – „Wiesbadener Tagblatt“, 09.05., im Pressespiegel vorhanden, Sie hatten eine 100Tage-Bilanz abgegeben –: