Protokoll der Sitzung vom 12.05.2009

Menschenrechtswidrige Frontex-Einsätze sollen sofort eingestellt, die „Shame Directive“ aufgehoben werden.

Über die Annahme europäischer Verträge müssen prinzipiell Volksabstimmungen entscheiden.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Es sollen klare Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten auf der Unionsebene erarbeitet und angewandt werden.

Das Recht auf einen existenzsichernden Mindestlohn bzw. eine individuelle existenzsichernde Grundsicherung soll kurzfristig EU-weit gewährleistet sein.

Sofort muss wirksam und nachhaltig gegen Finanz- und Wirtschaftskrisen vorgegangen werden.

Jetzt muss begonnen werden, das Konzept „Decent Work“ – die Forderungen der internationalen Gewerkschaftsbewegung – konsequent zu realisieren.

Die Einführung einer einheitlichen Steuerbasis und eines Mindestsatzes für Körperschaftsteuern in Europa ist notwendig, ebenso die Erhebung einer spezifischen Primär

energie- und CO2-Steuer sowie der Tobin Tax bzw. Finanzumsatzsteuer. Das sind Forderungen, die wir auch an Europa erheben.

Die Europäische Union soll unverzüglich auf alle Maßnahmen und Projekte verzichten,die ihre militärische Angriffsfähigkeit erhöhen. Sie soll sofort deutlich machen, dass sie die Prioritäten ihrer Außenpolitik grundsätzlich überdenkt – insbesondere durch den sofortigen Ausstieg ihrer Mitgliedsländer aus Militäreinsätzen, die Auflösung der Battle Groups und die Umwandlung der Europäischen Verteidigungsagentur in eine Abrüstungsagentur.

(Beifall bei der LINKEN)

Die EU soll nur Importe von Waren fördern, wenn die Herstellerländer alle Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO, der Weltgesundheitsorganisation und das Kyoto-Protokoll einhalten bzw. einen entsprechenden Stufenplan dafür verfolgen, der sie diesen Zielen näher bringt.

Jeder Handels- und jeder Kooperationsvertrag der Europäischen Union soll die Menschenrechtsklausel enthalten; ihre Umsetzung muss wirksam kontrolliert werden.

Indem Akteure Gemeinsamkeiten mit anderen suchen, sich die Probleme der anderen, insbesondere der Schwächeren und Schwächsten, aneignen und zuerst solche Handlungsoptionen für die politische Problembearbeitung einspielen, über die andere nicht verfügen, werden neue politische Bündnisse und solidarisches Miteinander entwickelt. Sie sind die Voraussetzungen für gesellschaftliche Transformationsprozesse in Richtung individuelle Freiheit in sozialer Gleichheit, gesellschaftlicher Solidarität und intakter Natur.

Wir sind nicht der Auffassung, wie in dem Antrag von FDP und CDU formuliert, dass angesichts der Krise die Kontrollmechanismen abgebaut werden sollen. Die umfassende Deregulierung hat mit Bürokratie- und Verwaltungsabbau wenig zu tun. Im Gegenteil, die Kontrollen in wichtigen Bereichen müssen ausgeweitet, und hier muss tatsächlich besser kontrolliert werden.

Für diese Ziele werden wir im Europawahlkampf eintreten. Wir werden den Europawahlkampf aktiv gestalten. Dazu haben wir uns mit vielen Gewerkschaften und vielen Initiativen auch beim Europäischen Sozialforum als einer gemeinsamen Plattform für die politische Auseinandersetzung in diesem Wahlkampf eingesetzt. Beim nächsten Europäischen Sozialforum im Juni des nächsten Jahres in Istanbul werden wir diese Arbeit fortsetzen und vertiefen. Wir gehen davon aus, dass DIE LINKE in Europa natürlich mit der Türkei als Mitgliedstaat in einem gemeinsamen Europa zu tun haben wird. Deshalb lasst uns von unten dieses gemeinsame Europa weiterentwickeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein kurzes Wort noch zu dem SPD-Antrag, der uns erst heute Morgen vorlag.Thorsten Schäfer-Gümbel hat schon einiges dazu gesagt.Ich hoffe,dass er noch einmal darüber nachdenkt, ob nicht in den Formulierungen, die gemeinsam zwischen SPD und DGB zustande gekommen sind, etwas weiter gehende Formulierungen zu finden sind als in dem vorliegenden Antrag.Wir werden noch einmal darüber nachdenken, ob nicht so eine Plattform, die gemeinsam von SPD und DGB entwickelt worden ist, eine bessere Grundlage für einen Entschließungsantrag sein könnte als der jetzt vorgelegte. Ich denke, es war deshalb gut, dass wir es an den Ausschuss gegeben haben. Viel

leicht kann man da im Einzelfall noch einmal darüber reden.

Grundsteine für das andere, bessere Europa legen wir aber auch am kommenden 16. Mai in Berlin. Berlin ist neben Brüssel und Prag eine der europäischen Metropolen, in denen wir mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund für einen Sozialpakt für Europa demonstrieren werden. Die Krise soll bekämpft, die Verursacher sollen zur Zahlung veranlasst werden. Schön wäre es, wenn dort viele Kolleginnen und Kollegen für ein soziales Europa zusammen demonstrieren würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr van Ooyen. – Herr Krüger, Sie haben die Möglichkeit, jetzt Ihre Position für die FDP-Fraktion vorzutragen. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sagen: Nach den letzten – ich weiß nicht – 15 Minuten fällt es einem wirklich schwer, wieder zu dem Thema zurückzukommen. Herr van Ooyen, das, was Sie hier vorgetragen haben, kann ich wirklich nur in Abwandlung eines Zitats aus Bayern vom Nockherberg klassifizieren: Der linke Herr van Ooyen über die linke Europapolitik des Herrn van Ooyen aus der Sicht des Herrn van Ooyen. – Das war der Inhalt Ihres Vortrags.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU))

Oder, ernsthafter qualifiziert: Sie haben wieder versucht, uns einzureden, dass die EU militaristisch und neoliberal ist. Sie wollen die gesamte EU zu Grabe tragen, wie Sie das in diesem Hause schon einmal getan haben.

(Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Belege!)

Meine Damen und Herren, da kann ich nur antworten, wie es öfter mal geschieht. Ich antworte mit einem Zitat: „Aus ideologischen und parteitaktischen Gründen befasst sich die Linkspartei zu wenig mit den wirklichen Inhalten des Lissabon-Vertrages.“ Das ist ein wortwörtliches Zitat Ihrer Europaabgeordneten Kaufmann, nachzulesen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 15. Februar 2009.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer diese Diskussion auch nur in den Ansätzen verfolgt hat, der weiß, dass man das, was wir hier eben vonseiten der LINKEN geboten bekommen haben, nicht ernst nehmen darf. Ehrlich gesagt, weigere ich mich, dass wir uns in diesem Haus auf diesem Niveau mit dem Thema Europa und dem Lissabon-Vertrag auseinandersetzen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Damit ist alles gesagt, was meines Erachtens zu diesem Beitrag der LINKEN anzumerken ist. Jedes Wort mehr wäre tatsächlich eine gewisse Verschwendung. Ich bin sonst nicht so.Aber in diesem Fall muss ich das klipp und klar sagen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie reden immer noch über uns! – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als diese Regierungserklärung auf die heutige Tagesordnung gesetzt wurde, war ich eigentlich der Meinung, dass wir uns im Wesentlichen in großer Einigkeit damit auseinandersetzen, dass es erhebliche Fortschritte in Bezug auf die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon gegeben hat.

Es ist vorhin schon einmal erwähnt worden: Wir alle sollten uns eigentlich darüber freuen, dass es nur noch eine letzte Hürde gibt. Diese ist das Referendum in Irland. – Wer die Meldungen der letzten Zeit verfolgt hat,der weiß, dass insbesondere nach den Ergebnissen der Abstimmung in Tschechien diese Hürde ganz offensichtlich zu nehmen sein wird. Leider Gottes, muss ich sagen, haben wir von dieser – ich sage einmal – positiven Nachricht hier heute nicht sehr viel gehört. Das war eine ganz große Enttäuschung, und es tut mir aufrichtig leid.

Ich habe noch einmal einen Blick in Ihre damals von GRÜNEN und SPD geplante Koalitionsvereinbarung geworfen. Ich war eigentlich davon überzeugt, dass heute zumindest 50 % der Beiträge zu Europa so wären, dass man sogar Beifall klatschen könnte – zu den 50 % in der damals zumindest beabsichtigten Koalitionsvereinbarung mit der SPD. Das, was der Kollege Häusling hier heute geboten hat, kann ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Natürlich muss man das alles mit einem guten Schuss Humor machen. Ich finde es schon sehr humoristisch, uns Herrn Daniel Cohn-Bendit als großen Europäer hier sozusagen gleichberechtigt mit Adenauer, Schuman usw. vorzuführen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist humoristisch sicher in Ordnung. Ob es ein wesentlicher Beitrag für unsere heutige Debatte und eine Ergänzung zu der Regierungserklärung ist, wage ich etwas zu bezweifeln.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich muss klipp und klar sagen: Dieser ganze Beitrag der GRÜNEN hat nichts anderes gezeigt, als dass Sie bei der Regierungserklärung nicht zugehört haben. Das kann ich möglicherweise noch nachvollziehen.

(Demonstrativer Beifall der Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Marius Weiß (SPD) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie kennen Herrn Hahn schon länger!)

Nein, aus Sicht der GRÜNEN kann ich es nachvollziehen, persönlich nicht.

Was man aber nicht mehr nachvollziehen kann, ist, dass Sie sie nicht einmal gelesen haben.Auch diese Chance haben Sie gehabt. Meine sehr geehrten Damen und Herren und insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, wenn Sie das gelesen hätten, lässt sich überhaupt nicht mehr nachvollziehen, was Herr Häusling hier von sich gegeben hat. Denn es sind klare und deutliche Ausführungen zu dem Thema Finanzplatz und Versicherungsstandort Frankfurt gemacht worden – ich kann

es jetzt nur schlagwortartig machen; ansonsten läuft die Zeit wieder davon –,

(Zuruf des Abg. Martin Häusling (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

zum Verkehrsdrehkreuz usw. Es ist ausführlich erläutert worden, dass das Antragskompetenzzentrum keine eigene Behörde oder was auch immer in dem Sinne werden soll, wie Sie es hier dargestellt haben. Es ist ausführlich über die Bedeutung von Regionalpartnerschaften gesprochen worden.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich nenne außerdem das Thema Ausschuss der Regionen und die Landesvertretung in Brüssel. Das alles ist klipp und klar nachzulesen und von Herrn Hahn ausführlich und sachlich hier begründet worden. Das gilt auch für das Thema der Förderung der deutschen Sprache und das Thema Bildung und, und, und.

Dann bekommt man einen solchen Beitrag geliefert, der entweder schon beinahe Ansätze von Vergesslichkeit innerhalb von Minuten zeigt oder im Grunde genommen nur noch als bösartige Missinterpretation zu werten ist.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)