Protokoll der Sitzung vom 08.03.2012

Frau Fuhrmann, zur Leistungssteigerung dürfen Antibiotika in der Milchproduktion nicht eingesetzt werden. Es ist auch nicht üblich, wie Sie es in Ihrem Antrag suggerieren. Es ist absolut unüblich.

(Beifall bei der FDP)

Regelmäßig werden im Rahmen der Rohmilchablieferung Hemmstofftests durchgeführt. Sie sind Teil eines Verfahrens, mit dem der Landwirt sicherstellt, dass bei der in Verkehr gebrachten Rohmilch die höchstzulässigen Werte für die Rückstandsgehalte von Antibiotika nicht überschritten werden.

(Beifall bei der FDP)

Zur Behandlung kranker Tiere müssen aber auch weiterhin Antibiotika zur Verfügung stehen, und Gesetze dürfen nicht in die Therapiefreiheit des Tierarztes eingreifen. Es darf hier nicht „Regel ersetzt Hirn“ heißen. Das sollte nicht zum Grundsatz werden.

(Beifall bei der FDP)

Ich konnte mich bei einem Hähnchenmastbetrieb in meiner Region Kassel persönlich davon überzeugen, dass täglich protokolliert wird, welche Zusatzstoffe und welche Medikamente den Tieren gegeben werden. Allerdings sind die Erhebungs- und Meldeverfahren noch sehr unterschiedlich.

Die EU strebt ein einheitliches Verfahren an, um eine Vergleichbarkeit der Daten zu erzielen. Hierdurch sollen die Betriebe identifiziert werden, die durch ungewöhnlich hohen oder ungewöhnlich niedrigen Arzneimittelverbrauch auffallen; denn schon kleine Maßnahmen können sehr hilfreich sein.

In dem von mir besuchten Mastbetrieb z. B. wird das Trinkwasser zusätzlich desinfiziert, sodass es einen deutlich höheren Reinheitsgrad als das Wasser hat, das normal aus der Leitung fließt. Allein dadurch gibt es von vornherein einen deutlich geringeren Arzneimittelbedarf und -verbrauch.

Wie mir in diesem Mastbetrieb berichtet wurde, führt der Einsatz geringer Mengen Antibiotika zu Beginn eines Mastdurchgangs – wenn man z. B. feststellt, dass die Verdauung etwas flüssig ist, muss man sehr schnell dafür sorgen, dass sich daraus nicht etwas Größeres entwickelt – in der Regel dazu, dass ein massiver Einsatz am Ende eines Mastdurchgangs entbehrlich ist. Wichtig ist jedoch ein regelgerechter Einsatz von drei Tagen, damit keine resistenten Keime herangezüchtet werden.

In der Diskussion sind gerade die Elemente der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, die das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher

schutz entworfen hat. Ein wesentliches Element der Einnahmen von Tierärzten ist das Dispensierrecht. Das ist eine Ausnahmeregelung zum Apothekenmonopol. Das Dispensierrecht hat die berufliche Tätigkeit von Tierärzten seit Jahren geprägt. Eine einschneidende Änderung würde zu einer starken Belastung des Berufsstands sowie der Beziehung zwischen Tierarzt und Tierhalter führen und die größte Bedrohung tierärztlicher Einkommen seit Jahrzehnten darstellen. Sollte das Dispensierrecht eingeschränkt werden, müsste das Einkommen von Tierärzten viel mehr auf die Bestandsbetreuung ausgerichtet werden.

Meine Damen und Herren, für die Verbraucher sind nur zwei Punkte wichtig: Erstens darf es keine Rückstände von Arzneimitteln im Fleisch geben, und zweitens sollten dort keine resistenten Keime vorkommen. Dem ersten Ziel dient das Verbot der Verabreichung von Medikamenten einige Tage vor der Schlachtung, sodass etwaige Rückstände in der Regel auf natürlichem Wege vorher ausgeschieden werden. Dem zweiten Ziel dient die Sicherstellung der sachgerechten Verabreichung von Medikamenten. Auf die sachgerechte Verabreichung kommt es an. Aber der wichtigste Schutz vor Keimen sind die Küchenhygiene und das Durchgaren des Fleischs.

Hessen hat zur Steigerung der Effizienz der amtlichen Überwachung beim Einsatz von Tierarzneimitteln bereits seit 2001 neun Stellen für Tierärzte bei den Regierungspräsidien angesiedelt. Als Fazit stelle ich fest, dass wir in Hessen schon auf einem guten Weg sind. Der Bundesrat hat bereits am 10. Februar – nachzulesen in der Drucks. 740/11 – einen Beschluss zum Aktionsplan der EU gefasst. Die Probleme sind erkannt und werden von den zuständigen Stellen in den kommenden Monaten abgearbeitet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat Frau Staatsministerin Putt rich das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich in die Sache einsteigen; denn vieles wurde schon erwähnt. Frau Fuhrmann hat die Studie aus Nord rhein-Westfalen erwähnt, die sich mit Masthühnern beschäftigt. Dass die Studie inzwischen korrigiert wird, weil sie mit Fehlern behaftet ist, wissen Sie, und das weiß auch ich. Dennoch wissen wir, sowohl bei der nordrhein-westfälischen als auch bei der niedersächsischen Studie ist herausgekommen, dass bei Masthühnern in der Tat ein hoher Einsatz von Antibiotika erfolgt. Wir streiten uns jetzt nicht über die Zahlen.

Sie haben hier den Eindruck erweckt, als ob das generell ein Thema in der Tierhaltung wäre, als ob also bei jeder Tierhaltung – bei jedem Fleisch, das man isst – ein erheblicher Einsatz von Antibiotika erfolgen würde. Diese Studien bezogen sich auf Masthühner, auf nichts anderes. Das muss man korrekterweise sagen, damit das hier nicht verallgemeinert wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte gar nicht auf die Schwächen der Studie eingehen, weil die Richtung trotz allem stimmt. Es wurde bei

Masthühnern ein Einsatz von Antibiotika festgestellt, der uns dazu veranlasst, zu sagen, dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen.

Versuchen Sie doch nicht, hier den Eindruck zu erwecken – es ist immer ein beliebtes Geschäft der Oppositionsmitglieder, zu sagen, dass die Regierung nichts tut –, als ob nichts passieren würde. Das ist grundlegend falsch.

(Beifall bei der CDU)

Dass das grundlegend falsch ist, erkennen Sie, wenn Sie sich vor Augen führen, wer bei dieser Problematik am effektivsten etwas machen kann. Die EU kann etwas tun, der Bund kann etwas tun, und das Land kann etwas tun. Alle miteinander machen auch etwas.

Es ist hier angesprochen worden, dass es auf europäischer Ebene einen Aktionsplan zur Abwehr der steigenden Gefahr der Antibiotikaresistenz gibt. Das ist ein ganzheitliches Konzept. Es ist auch wichtig, dass es ein ganzheitliches Konzept ist; denn hier werden sowohl die Human- als auch die Tiermedizin sowie Landwirtschaft, Umwelt und Forschung einbezogen. Das ist richtig. Es ist gut, dass auf europäischer Ebene etwas passiert. Deshalb hat der Bundesrat mit der Stimme Hessens die europäischen Pläne nicht nur unterstützt, sondern sogar schärfere Forderungen gestellt, als sie auf der EU-Ebene formuliert worden sind.

Nachdem die Studien vorgelegt worden waren, haben sowohl die Bundesministerin als auch die Landesminister sofort reagiert. Es gab eine Amtschefkonferenz am Rande der Grünen Woche, und es gab auch einen entsprechenden Bundesratsbeschluss, in dem die wesentlichen Punkte festgehalten wurden, die wir alle fordern.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz darauf eingehen. Der Bundesrat mit der Stimme Hessens fordert, dass die Tierhaltungsstandards auf europäischer Ebene neu definiert werden. Das geht ja gar nicht auseinander. Wenn man eine solche Thematik hat, dann muss man sich mit der Thematik auseinandersetzen. Genauso fordern wir, dass es konkrete Minimierungsstrategien in der Veterinärmedizin geben muss.

Darüber hinaus wollen wir, dass ein Minimierungskonzept erarbeitet wird, in dem die Schritte zur Reduktion des Einsatzes in der Nutztierhaltung festgelegt werden. Das sind also Schritte, bei denen Sie eigentlich immer nur sagen können, dass das gut und richtig ist und dass wir diesbezüglich auf dem richtigen Weg sind. Und es wird nationale Datenbanken geben, in denen die Antibiotikaabgabe und -anwendung lückenlos dokumentiert werden. Das müssen nicht nur Sie fordern, sondern das fordern auch wir, weil wir das für gut und richtig halten. Das betrifft die EU.

Dann sind wir beim Bund. Der Bund hat angekündigt, dass er das Arzneimittelgesetz ändern wird. Das ist auch richtig und notwendig. Das hatten Sie eben angesprochen. Es ist notwendig, dass z. B. die Therapiefreiheit eingeschränkt wird und dass die Arzneimittel nur noch bei den Tierarten gemäß ihrer Zulassung angewendet werden dürfen, für die sie vorgesehen sind. Das betrifft den Bund.

Jetzt sind wir noch einmal beim Bund. Das betrifft die Änderung des Arzneimittelgesetzes und das generelle Verbot des Einsatzes wichtiger Humanantibiotika in der Tiermedizin. Darüber hinaus geht es um die Dokumentation des Medikamenteneinsatzes durch Tierärzte und Nutztierhalter. Sie soll an Behörden weitergegeben werden, damit hier auch eine entsprechende Transparenz vorhanden ist

und schnell abgefragt werden kann und wir schnell die Erkenntnisse haben. Und da geht es um weitere Dinge darüber hinaus, die ich jetzt im Einzelnen gar nicht nennen will. – Das war der Bund.

Jetzt kommen wir zu der Ebene Hessen. Natürlich sind wir auch in Hessen nicht untätig. Wir sind schon länger tätig, als die Studien von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in diesen Bereichen vorliegen, weil wir nämlich schon seit dem Jahr 2001 insbesondere die Überwachung von Tierarzneimitteln durch Tierärzte insoweit gestärkt haben, dass damals, im Jahr 2001, neun zusätzliche Tierärzte bei den Regierungspräsidien eingestellt wurden, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Da geht es also ganz gezielt um Überwachung beim Einsatz von Tierarzneimitteln. Das heißt, dass diese Tierärzte Kontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben durchführen – auch bei Tierärzten. Auch die tierärztlichen Hausapotheken werden diesbezüglich kontrolliert, und sie kontrollieren natürlich auch im Rahmen des nationalen Rückstandskontrollplans.

Natürlich wird risikoorientiert und stichprobenweise kontrolliert, weil man nicht alles kontrollieren kann. Das ist vollkommen richtig. Wenn Sie jetzt Zahlen nennen, dann ist es richtig, dass es im Jahr 2011 315 stichprobenartig und risikoorientiert gezogene Geflügelfleischproben gab – das System hat sich bewährt –, die auf Rückstände von verbotenen oder zugelassenen, pharmakologisch wirksamen Stoffen untersucht wurden. Auch Antibiotika waren dabei. Bei diesen Kontrollen und Proben, die ich eben angesprochen habe, waren 77 Stichproben aus hessischen Betrieben dabei. Jetzt möchte ich einmal sagen, wie die Situation hier in Hessen ist. Keine einzige der Geflügelfleischproben aus Hessen hat Rückstände von Antibiotika oder verbotenen Stoffen nachgewiesen. Ich muss das immer einmal sagen, weil sonst jeder, der ein Stück Geflügel isst, denkt, dass er eine Überdosis Antibiotika zu sich nehmen würde. So ist die Realität nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich weise auf die Redezeit der Faktionen hin.

So ist die Realität nicht, obwohl eine entsprechende Thematik vorhanden ist. Deshalb agieren wir auch. Wir negieren ja nicht die Thematik, sondern wir agieren und handeln diesbezüglich. Deshalb will ich noch als Letztes dazu sagen: Ja, wir haben entsprechende Kontrollen, und wir haben schon länger Sonderdezernate für Lebensmittelkriminalität bei den Staatsanwaltschaften. Das gibt es schon. Wir haben eine enge Abstimmung der Lebensmittelüberwachung und der Strafverfolgungsbehörden, wir haben eine Taskforce Lebensmittelsicherheit seit 2006, und wir haben die Zusammenarbeit intensiviert. Wir werden insbesondere auch im Hinblick auf die Tierhaltung im Jahr 2012 nur noch die Geflügelställe fördern, die eine besonders tiergerechte Haltung aufweisen können und erfüllen. Das heißt, wir werden ab 2012 nur noch die Haltungen fördern, die statt der zulässigen Besatzdichte von 39 kg Lebendgewicht pro Quadratmeter nur noch eine Besatzdichte von 25 kg pro Quadratmeter haben.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Sie sehen also, dass wir in vielen Bereichen Kontrolle, Förderung und Regelungen diesbezüglich haben und da aktiv sind auf allen Ebenen – EU, Bund und Land. Insofern kann man an dieser Stelle sagen: Statt nicht gehandelt haben wir stark gehandelt. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich stelle fest, dass die Rednerliste geschlossen ist.

Wir verweisen den Antrag vereinbarungsgemäß zur weiteren Beratung an den Umweltausschuss. – Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist das so erfolgt.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Äußerungen der hessischen CDUBundestagsabgeordneten Erika Steinbach – Drucks. 18/ 5249 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Das Wort hat Herr Abg. van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der CDU herrscht Unruhe.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Es ist kaum noch etwas, wie es einmal war. Da beginnt der „FAZ“-Herausgeber Schirrmacher zu glauben, dass DIE LINKE doch recht hat, und dort wird die Kanzlerin verschiedentlich als zu sozialdemokratisch wahrgenommen. In Frankreich ist das übrigens unserem Ministerpräsidenten durch Alain Rousset passiert, der aber wahrscheinlich wegen der geografischen Distanz nicht so richtig mitbekommt, was hier in Hessen läuft.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Christean Wagner bangt um das konservative Erbe. Als Ausweg gilt es da, die bewährten Feindbilder zu bedienen. Mögen sie noch so unsinnig sein, wie beispielsweise Frau Steinbachs Einlassung, wonach die Nazis eigentlich eine linke Partei gewesen seien. Schon der selige Franz Josef Strauß ist mit einer ähnlichen Erkenntnis im Jahr 1980 auf die Nase gefallen, weil er sagte – ich zitiere –: „Sowohl Hitler wie Goebbels waren im Grunde ihres Herzens Marxisten.“

Diese absurde Position musste dann Helmut Kohl ausbaden, weil sich die ehemaligen Nazis in der CDU dagegen gewehrt haben, mit Sozialisten auf eine Stufe gestellt zu werden.

Zugleich erkennt beispielsweise der Vorsitzende der Jungen Union in der CSU Alfred Sauter in den Jungsozialisten und Jungdemokraten die einzigen und wahren Faschisten unserer Tage. Die Links-Rechts-Gleichsetzung war und ist immer Bestandteil des Kampfes gegen DIE LINKE gewesen, und das war ausschließlich ihr Zweck.