Inklusion ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, und zur gesamten Gesellschaft gehören nicht nur die Kinder und die Lehrer, dazu gehören auch die Eltern. Ich kann Ihnen allen nur raten: Gehen Sie einmal in die Waldschule oder eine andere der Grundschulen, die an diesem Modellversuch teilgenommen haben, und lassen sich genau sagen, was überhaupt die Bedingungen dafür waren, dass das drei Jahre lang funktioniert hat: ein Jahr intensive Vorbereitung, ein Jahr lang intensive Gespräche mit den Eltern. Sie glauben doch nicht, dass alle Eltern an dieser Schule von Anfang an von diesem Weg überzeugt waren? Es gab viele Eltern, die Angst hatten, ob es denn für ihre Kinder richtig ist und erfolgreich laufen kann. Diese Eltern muss man auch mitnehmen, genauso die Eltern der Kinder mit Behinderungen, die auch Angst hatten: Geht mein Kind jetzt nicht unter in so einer Schule? Ist es nicht besser in einer Förderschule aufgehoben?
Ich will Ihnen ein Beispiel aus einer Schule in Lich erzählen. Auf demselben Gelände gibt es eine Grundschule und eine Förderschule. Die haben 40 Jahre lang nicht miteinander geredet, am liebsten wäre ihnen ein Zaun dazwischen gewesen. Dann haben die Schulleiter gewechselt, und auf einmal ging es. Jetzt gibt es eine Kooperationsklasse in der Grundschule mit zwölf Regelschulkindern und sechs Kindern aus der Lernhilfeschule. Im ersten Schuljahr nach der Gründung dieser Klasse haben sich ganz bedeckte Eltern der Regelschulkinder gemeldet und gesagt: Na ja, eigentlich wollen wir das ja nicht, aber gut, wir versuchen es jetzt einmal.
Im zweiten Schuljahr war es schon anders, da haben sich bereits deutlich mehr Eltern von Regelschulkindern gemeldet. Es wird dort wissenschaftlich begleitet. Am Ende des ersten Schuljahres haben die Untersuchungen ergeben, dass drei der Förderschulkinder wunderbar in der Grundschule aufgehoben waren und mitkamen. Bei den anderen drei Kindern der Lernhilfeschule wurde festgestellt, dass sie vielleicht doch mit besseren Ergebnissen eher in der Förderschule gefördert worden wären. Deshalb muss man doch vorsichtig mit dem sein, was man tut: Kinder sind keine Versuchskaninchen, sie haben nur ein Schulleben.
Es ist nicht nur eine Frage der Ressourcen. Bei der Waldschule kann man beobachten, was für tolle Ressourcen und riesige Flächen sie dort haben, weil sie einmal eine Grund-, Haupt- und Realschule waren und der Schulträger ihnen all diese Räume gelassen und sie sogar noch modernisiert hat. Es ist eine Frage der Mitnahme der Menschen an diesen Schulen. Das sind eben auch die Lehrerinnen und Lehrer, und das geht auch nur, wenn Lehrerinnen und Lehrer freiwillig sagen: Ich mache das, ich bilde mich freiwillig dazu fort. – Ich habe Ihnen ja gesagt,
Sie müssen die Lehrerinnen und Lehrer mitnehmen. Sie tun den Kindern doch überhaupt keinen Gefallen, wenn Sie sie in eine Klasse mit Lehrerinnen und Lehrern setzen, die nicht darauf vorbereitet sind und die das auch nicht wollen. Das ist nicht gut für die Kinder. Wenn Sie öfter und länger zuhören würden, Herr Kollege Wagner: Ich habe immer gesagt, dass Inklusion in Hessen eine Sache von 10 bis 15 Jahren ist. Dazu stehe ich auch. Deshalb werden wir es, wie ich eingangs schon gesagt habe, ganz behutsam machen. Wir werden alle Menschen mitnehmen, die Lehrer, die Eltern, die Gesellschaft, und wir werden uns intensivst um die Kinder kümmern.
Vielen Dank, Frau Ministerin Henzler. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend schon wieder „Chaos“ im Kultusministerium – Henzler fährt inklusiven Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen an die Wand, Drucks. 18/5451. Dazu war mit aufgerufen der Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend „Bildungsmisere“ und Bildungsbenachteiligung beenden – inklusives Bildungssystem endlich verwirklichen, Drucks. 18/5393.
Beide Anträge sollen dem Kulturpolitischen Ausschuss zur weiteren Beratung überwiesen werden. – So verfahren wir.
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Einnahmenverantwortung nachkommen, Spitzensteuersatz erhöhen – Drucks. 18/5326 –
Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Besteuerung muss sich wieder an Leistungsfähigkeit orientieren – Drucks. 18/5481 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend gerechte Steuern für ein solidarisches Miteinander – Drucks. 18/5486 –
Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Es beginnt Herr Kollege van Ooyen, Fraktionsvorsitzender der LINKEN.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern vor einem Jahr wurde per Volksentscheid die Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung verankert. Bisher hat diese Schuldenbremse aber nur zu Sozialabbau geführt. Der Landeshaushalt wurde bisher einseitig nur durch die Kürzung von Ausgaben bei Bildung und Sozialem konsolidiert.
Darauf komme ich noch, Herr Milde. – So haben Sie beispielsweise bei der Lehrerausbildung und bei der Schwangerschaftskonfliktberatung in Hessen gekürzt. Die Einnahmeverantwortung, die vor allem von SPD und den GRÜNEN in die Verfassung hinein verhandelt wurde, hat sich bisher allerdings als Rohrkrepierer erwiesen.
In Hessen heißt Schuldenbremse also nach wie vor Sozialabbau. DIE LINKE hat die Schuldenbremse deshalb immer abgelehnt; denn wer öffentliche Haushalte sanieren will, der braucht keine Schuldenbremse, der braucht vielmehr höhere Einnahmen.
Dass das mittlerweile auch die weite Mehrheit der Bevölkerung so einschätzt, sieht man nicht zuletzt daran, dass die FDP, deren Programm fast ausschließlich aus der Forderung nach Steuersenkung bestanden hat, langsam, aber sicher den Kampf um die eigene Existenz zu verlieren droht.
Trotzdem verhält sich die Landesregierung – und hier meine ich insbesondere die CDU – so, als ob das, was in der Landesverfassung stünde, vor allem Prosa sei. Aber auch abseits der verfassungspolitischen Fragen müssen Sie doch langsam anerkennen, dass es eine breite gesellschaftliche Mehrheit gibt, die rot-grüne Steuersenkungspolitik wieder korrigieren will. Offensichtlich fehlt es Ihnen aber an der Kraft, sich von Ihrem in Abwicklung befindlichen Koalitionspartner zu emanzipieren. Anders kann ich es nicht verstehen, wenn Sie den Spitzensteuersatz, wie er noch unter Helmut Kohl galt, verhindern wollen.
Ich will mich dabei gar nicht so sehr darum streiten, ob der Spitzensteuersatz heute schon auf das vielleicht bald in Frankreich wirksame Niveau angehoben werden muss. Immerhin gibt es eine von Hollande angestoßene Diskussion über einen Satz von ca. 75 %, aus der SPD kam schon einmal die Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 60 %; das sind Dinge, über die man nachdenken sollte. Vielleicht ist aber auch die Anhebung auf ein Niveau nahe 50 % ein erster Schritt, der hier gegangen werden kann.
Ich kenne mich da leider nicht so gut aus, Herr Caspar. Ich habe meine Steuern in Frankfurt gezahlt, und das immer ganz regulär.
Fakt aber ist doch, dass der Staat endlich dafür sorgen muss, dass sich die Schere zwischen Arm und Superreich wieder schließt. Es kann doch nicht angehen, dass wir auf der einen Seite stagnierende Reallöhne haben und auf der anderen Seite die Einkommen von Managern so stark steigen wie zuletzt vor Beginn der Finanzkrise.
Die Landesregierung hat gegenwärtig im Bundesrat die Gelegenheit – vielen Dank den SPD-regierten Ländern –, das von Rot-Grün geschliffene Einkommensteuerrecht zu korrigieren und sich einer Initiative mehrerer Bundesländer zur Anhebung des Spitzensteuersatzes anzuschließen.
Da wir nicht bei der Besteuerung der Einkommen stehen bleiben können, sondern da es gerade auch darauf ankommt, die Eigentumsverpflichtung des Grundgesetzes zur Geltung kommen zu lassen, werden wir dem Antrag der GRÜNEN natürlich zustimmen.
Es ist richtig, dass wir in Deutschland an zwei Stellen einen deutlichen Nachholbedarf bei der Besteuerung haben: im Bereich großer Einkommen und bei großen Vermögen. Die Erbschaftsteuer bietet dafür einen richtigen Ansatzpunkt, wir werden aber auch nicht umhinkommen, endlich wieder für die Einführung der Vermögensteuer zu sorgen.
Das alles geht aber nicht mit Schwarz-Gelb; die FDP wird sich hier, wie auch bei der Finanztransaktionssteuer, querstellen. Sie will die Schuldenbremse, sie will Steuersenkungen, sprich: sie will Sozialabbau. Wir hingegen wollen einen handlungsfähigen Staat, der umverteilt, und zwar in die andere Richtung, als das bisher geschehen ist. Wir wollen die Armen nicht ärmer machen, sondern wir wollen die Reichen daran beteiligen, dass die Armen wieder mehr Geld in der Tasche haben; das ist unser Ziel. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kurze Bestandsaufnahme machen. Die Schulden in Hessen sind so hoch wie nie. Der Haushaltsausgleich ist seit Jahren nicht gelungen. Die Einnahmen reichen nicht, um die Ausgaben zu decken. Die Landesregierung setzt bei Einsparungen und Effizienzsteigerungen die falschen Schwerpunkte.
Auch die anziehende Konjunktur und wieder steigende Steuereinnahmen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland unterfinanziert sind. Mit Sparen allein sind die Staatsfinanzen auf Dauer eben nicht in den Griff zu bekommen – weder auf der Bundesebene noch auf der Landesebene und auch nicht in den kommunalen Haushalten.
Die beste Verteilungsarithmetik hilft überhaupt nichts, wenn die Decke, an der alle ziehen, viel zu kurz ist.
Es wird niemandem richtig langen. Es gibt immer welche, die richtig frieren. Deshalb ist es höchste Zeit, dafür zu sorgen, dass die Decke wieder größer wird, sprich: dass die Steuereinnahmen wieder steigen.
Das machen Sie jedes Jahr, das stimmt. Die Inflation hilft dabei. Dadurch steigen sie auch ein bisschen. Herr Seyffardt, aber wenn Sie ein bisschen aufgepasst haben, dann haben Sie vielleicht auch gemerkt, dass ich auch gesagt habe, dass alleine die ansteigenden Steuereinnahmen nicht ausreichen, um die Defizite zu decken. Das sehen Sie auch beim Blick in den hessischen Landeshaushalt: Die Einnahmen steigen zwar, aber sie reichen bei Weitem nicht aus, um die Defizite zu decken. Man muss sich mehr einfallen lassen.