Es ist nicht die Zeit für Steuergeschenke. Nötig erachtete Korrekturen im Bereich der Einkommensteuer dürfen nicht zu weiteren Steuerausfällen führen. Wir erleben gerade auf Bundesebene, dass der Abbau der sogenannten kalten Progression durchgeführt werden soll. Ich sage deutlich in Richtung der Regierungsfraktionen: Diese Beschlüsse sollten so nicht Wirklichkeit werden, denn sie führen dazu, dass weitere Steuerausfälle zu verzeichnen sind.
Unser Ansatz ist klar. Wir wollen die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Es gilt für uns der altbewährte Satz: Starke Schultern müssen mehr als schwache tragen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Marius Weiß (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Es ist leider traurige Realität, wie sie Willi van Ooyen beschrieben hat: Die Schere zwischen Arm und Reich geht in der Bundesrepublik immer weiter auseinander. Das derzeitige Steuerrecht begünstigt diese Entwicklung. Es ist daher das Gebot der Stunde, den Spitzensteuersatz deutlich anzuheben.
Wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Sinn in Berlin tätig zu werden. Die dabei erzielten Mehreinnahmen kann man teilweise zur Gegenfinanzierung bei der Anhebung des Grundfreibetrages nutzen, damit auch die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala etwas davon haben.
Eine isolierte Anhebung des Grundfreibetrages und eine Verschiebung des Einkommensteuertarifs, wie es die Bundesregierung derzeit plant, nützen wieder denen, die viel haben, besonders viel und werden daher von uns GRÜNEN nicht unterstützt.
Eine besondere finanzpolitische Schieflage ergibt sich, wenn man die Besteuerung des Vermögens betrachtet. Darum haben wir diesen Teil, der im Antrag der LINKEN gar nicht betrachtet ist, in unseren Antrag aufgenommen. Ich habe schon mehrfach hier vorgetragen, das deutsche Besteuerungssystem begünstigt im Vergleich zu anderen OSZE-Staaten vermögende Menschen ganz besonders. Wir sind am unteren Ende der Skala. Bei den vermögensbezogenen Steuern haben wir noch viel Nachholbedarf.
In Anbetracht der großen Aufgaben, die vor uns liegen, müssen größere Vermögen stärker zur Besteuerung herangezogen werden. Der einfachste und effektivste Weg ist die Anhebung der Erbschaftsteuer.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ist die Landesregierung nicht in der Lage, zuzuhören? – Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Die Erbschaftsteuer ist ohnehin gerade in der Kritik. – Die Regierung macht, was sie immer macht, nämlich vor sich hinreden und nicht zuhören.
Darf ich Sie auf der Regierungsbank darum bitten, wenn Sie Gespräche führen wollen, bitte rauszugehen; für den Moment ist das sicherlich dann angesagt.
Der wissenschaftliche Beirat des Finanzministers hat auch erkannt – so steht es in der Zeitung –, dass Schluss mit billigen Erbschaften sein und dringend etwas an der Erbschaftsteuer getan werden muss, um zu weiteren Einnahmen im Bereich der Steuer zu kommen und etwas für die Gerechtigkeit zu tun.
Meine Damen und Herren, Steuern sind kein Selbstzweck. Sie dienen der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. In diesem Sinn gilt die Verpflichtung, für die nötigen Einnahmen nach dem Leistungsprinzip zu sorgen. Ich bitte die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, in diesem Sinn tätig zu werden und nicht weiter an der Einnahmebasis des Staates herumzuschrauben. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Marius Weiß (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr van Ooyen, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie einen Antrag der rot-grünen Länder aus dem Bundesrat nahezu 1 : 1 zur Abstimmung stellen. Nach der Debatte über das Urheberrecht, die wir heute Morgen hatten, bin ich auch froh, dass Sie eben zumindest mündlich auf diese Tatsache noch hingewiesen haben.
So habe ich die Gelegenheit, das Steuerkonzept der SPD noch einmal kurz zu skizzieren und darauf hinzuweisen, wie man in diesem Land Verantwortung und Solidarität
Drittens. Dafür müssen wir an die Einnahmen und an die Ausgaben herangehen. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ist dabei ein Baustein.
Hohe Einkommen aus Vermögen und Kapitalerträgen leisten einen im internationalen Vergleich zu geringen Beitrag für die Finanzierung des Gemeinwesens in Deutschland. Wir halten es für notwendig und gerecht, dass die Bezieher höherer Einkommen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Das ist keine Neidforderung. Es handelt sich um einen Beitrag zum sozialen Patriotismus.
Wir wollen deswegen gut 5 Milliarden € bei der Einkommensteuer durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 % ab einem Einkommen von 100.000 € bei der Einzelveranlagung und 200.000 € bei der gemeinsamen Veranlagung zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit des Landes erzielen.
Dazu wollen wir nach einer Proportionszone zwischen 52.885 € im jetzigen Spitzensteuersatz und 64.000 € eine dritte Progressionszone ab einem Einkommen von 64.000 bzw. 128.000 € schaffen und das Ehegattensplitting für zukünftige Ehen durch eine individuelle Besteuerung mit Unterhaltsabzug umgestalten. Eingetragene Lebenspartnerschaften sollen gleich behandelt werden. Damit wird bis zu einem Einkommen von 64.000 € bzw. 128.000 € niemand stärker belastet als heute. Insgesamt sind von dieser Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie wir sie uns vorstellen, weniger als 5 % der Steuerpflichtigen in Deutschland betroffen. Darauf möchte ich hier noch einmal hinweisen.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist mit 2 Billionen € verschuldet. Die Schuldenquote beträgt über 80 % des Bruttoinlandsproduktes; Maastricht erlaubt 60 %. Der Schuldendienst im Bundeshaushalt ist nach den Ausgaben für Soziales bereits der zweitgrößte Ausgabenposten.
Es ist daher richtig, dass wir im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung eine Schuldenbremse verankert haben. Die Politik ist damit jetzt an zweierlei gehalten: erstens Einnahmeverantwortung und zweitens die Antizyklik, d. h. wir müssen in den guten Zeiten Schulden zurückführen, die wir in schlechten aufgenommen haben.
Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ist dabei ein Baustein, mit dem man der Einnahmeverantwortung nachkommen kann. Es gibt noch ein paar andere, die man im Zusammenhang damit diskutieren muss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist zum einen die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die würde 10 Milliarden € bringen – selbstverständlich bei hohen Freibeträgen, sodass Oma ihr klein Häuschen nicht umfasst ist.
Zweitens. Reform der Erbschaftsteuer. Die Privilegien zugunsten von reichen Erben, die CDU und FDP eingeführt haben, müssen rückgängig gemacht werden.
Subventionsabbau. Dort, wo selektive Begünstigungen im Steuerrecht nicht zielgerichtet sind, sie keine sozialen
Nachteile ausgleichen, sie unnötig sind oder sogar gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten fördern, Strukturwandel und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen erschwert werden, müssen wir solche Begünstigungen abbauen. Ich denke nur an die Steuersatzvergünstigung von Agrardiesel und die Absetzbarkeit von Kraftstoffen bei großen Firmenwagen. Insgesamt wären hier bis zu 15 Milliarden € zu sparen.
Beim Subventionsabbau nenne ich aber auch die Subventionierung von Niedriglöhnen. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € würde zu Steuermehreinnahmen und zu Minderausgaben beim Arbeitslosengeld II führen.
Durch Rückgängigmachung der Hoteliersgesetze, durch die Rücknahme der Steuererleichterungen für reiche Erben, Hoteliers und Konzerne würden wir 5 Milliarden € generieren, jeweils 1,6 Milliarden € für die Länder und Kommunen. Ich könne noch lange so weitermachen – von der Abschaffung der Steuerbefreiung für bestimmte Arten von Immobilienfonds über die nicht existenziellen Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer bis zur Begrenzung der Absetzbarkeit von Managergehältern ab 500.000 € oder zu einheitlichen Standards bei der Steuerverwaltung.
Insgesamt ist mit den Maßnahmen, die ich kurz aufgezeigt habe, etwa eine Summe von 37 Milliarden € zu erreichen, wovon 20 Milliarden € den Ländern und Kommunen zugutekommen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Einnahmeverantwortung, wie sie in der Verfassung steht.
Wir brauchen das Geld, damit wir nicht nur unsere Einnahmeverantwortung, sondern auch unsere Ausgabenverantwortung wahrnehmen und in gute Bildung investieren können.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir haben aber leider nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in Berlin eine Tu-nix-Regierung.
Die Ambitionslosigkeit, die man in den Gesichtern hinter mir in jedem Plenum beobachten kann, drückt sich auch im Haushalt der Bundesregierung aus,