Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

der selbst Bundesbankpräsident Weidmann gerade ein völlig unzureichendes Sparen bescheinigt hat. So wird es leider bis zum nächsten Jahr dauern, bis es mit der Mutlosigkeit in Berlin und in Wiesbaden ein Ende hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sagen Sie seit zwölf Jahren! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Marius, sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Weiß. – Als Nächster spricht Herr Noll für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich das permanente Rufen nach Steuererhöhungen bzw. Erhöhungen des Spitzensteuersatzes anhört, dann müsste man meinen, dass wir aus rosigen Zeiten kommen, als es den alten Spitzensteuersatz noch gab und Staatsdefizite keine Rolle spielten. Aber das ist gar nicht der Fall.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das haben wir gar nicht gesagt!)

Das haben Sie zwar nicht gesagt, aber Sie verheißen das Glück für die Staatsfinanzen, wenn der Spitzensteuersatz erhöht würde. Das ist doch, wenn man sich die Zahlen ansieht, die dahinterstehen, nicht der Fall.

Die GRÜNEN und die SPD haben im Jahre 2000 für eine Absenkung des Spitzensteuersatzes gesorgt. Ein wesentliches Argument – das ja richtig ist – war, konjunkturelle Impulse zu schaffen, d. h. Gelder freizusetzen, die natürlich Wirtschaftsimpulse in Gang setzen, Beschäftigung organisieren. Das war ein richtiger Weg. Man hat nach 2000, nach der Steuerreform, genau gemerkt, dass die Effekte eingetreten sind, meine Damen und Herren. Insofern war das richtiges Regierungshandeln.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Genau das wollen Sie mit dem Ruf nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes verändern.

Schauen Sie sich doch einmal die Realität an, wie sie sich in den Zahlen niederschlägt: Im Jahre 1958, als der Spitzensteuersatz 53 % betrug, lag die Einkommensgrenze bei umgerechnet ca. 56.000 €. Das waren 110.000 DM, nach damaligem Bemessen wirklich ein großes Einkommen, das waren Reiche. Heute liegt die gleiche Grenze bei 42 % und 56.000 €. In der absoluten Zahl hat sich wenig verändert. Wenn Sie also den Spitzensteuersatz erhöhen, dann treffen Sie allein durch das Gleichbleiben der Zahl einen breiten Mittelstand. Genau der wird durch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes in Mitleidenschaft gezogen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie fordern die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Nur, mit der Maßnahme würde man den Mittelstand in diesem Lande einbeziehen und erheblich schädigen. Das sind etwa 60 %. 60 % aller Einkommensteuerzahler würden durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, allein durch dieses System in Mitleidenschaft gezogen.

(Marius Weiß (SPD): 15 %!)

Herr Weiß, schauen Sie sich doch die Steuertabellen an. Machen Sie sich doch nichts vor.

Meine Damen und Herren, wer steckt denn hinter dem Mittelstand? – Das sind kleine Unternehmen, das sind Familienbetriebe. All diese Unternehmen wären von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes betroffen. Die LINKEN sagen: Wir wollen mehr Gerechtigkeit.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja!)

Ich kann keine Gerechtigkeit entdecken, wenn man 60 % der Einkommensteuerzahler mit einer Steuererhöhung belegt. Wo ist denn das ein gerechtes System, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Liberalen sind mit einer vollkommenen Veränderung des Steuersystems angetreten. Wir müssen aber auch konstatieren – das wussten im Übrigen auch die Sozialdemokraten im Jahr 2000, als sie mit den GRÜNEN den neuen Spitzensteuersatz festgelegt haben; insofern ist sich die SPD treu geblieben und fordert 49 % –: Damals – die GRÜNEN sollten genau hinhören – haben die GRÜNEN in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, dass der jetzt bestehende Spitzensteuersatz zustande kam, und der liegt bei 42 %. Wer ist es also gewesen?

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsch!)

Herr Kaufmann, da brauchen Sie gar nicht zu rufen. Ich kenne ja Ihre Tabellen, die Sie immer auflegen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Falsch!)

Sie sollten sich einmal an dem orientieren, was Sie selbst damals an Einfluss in der Bundesregierung ausgeübt haben. Heute bejammern Sie diesen Zustand.

(Beifall bei der FDP)

Das ist unredlich.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie erzählen Unsinn, Herr Kollege!)

Herr Kaufmann, Sie haben die Gelegenheit, das zu widerlegen. Von Frau Erfurth hat man nichts Wesentliches zu dem Aspekt gehört,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

außer dass Sie glauben, mit einer Einnahmegenerierung bei mehr als 60 % der Einkommensteuerzahler den Staat sanieren zu können.

Herr Noll, Sie müssen zum Schluss kommen.

Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die 60 % der Bevölkerung und insbesondere den Mittelstand trifft, ist nicht das Konzept der FDP, meine Damen und Herren. Damit schädigen wir den Mittelstand. Deswegen sagen wir Nein zu der Initiative.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Noll. – Für die CDU-Fraktion wird jetzt Herr Kollege Caspar sprechen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind stolz darauf, dass wir in Deutschland in einem sozialen Rechtsstaat leben. Zu einem sozialen Rechtsstaat gehört nach

Auffassung unserer Fraktion, dass starke Schultern mehr zu tragen haben als schwache Schultern.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Deswegen haben wir beispielsweise im Bereich der Einkommensteuer eine Progression, die immerhin dazu führt, dass unter Einbeziehung des Solidaritätszuschlages der wahre Höchststeuersatz etwa 47,5 % beträgt. Wenn Menschen noch mehr Solidarität in unserer Gesellschaft zeigen, indem sie z. B. Mitglied in einer Kirche sind und Kirchensteuer zahlen, dann liegt der Steuersatz bei etwa 51,5 %.

Kirchen sind Einrichtungen, die sich im Bereich der Altenpflege, der Kinderbetreuung, aber auch in anderen sozialen Fragen in unserem Staat außerordentlich engagieren. All das ist möglich, weil diejenigen, die starke Schultern haben, wichtige Einkommenskomponenten für unseren Staat leisten, wie gesagt, bis zu einer Höhe von 51,5 %.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass derjenige, der mehr Einkommen hat, vermutlich auch mehr konsumiert und durch den höheren Konsum im Vergleich zu demjenigen, der wenig konsumiert oder konsumieren kann, dazu beiträgt, dass die Umsatzsteuereinnahmen des Staates höher sind.

Somit leistet derjenige, der ein hohes Einkommen hat, einen doppelten Beitrag dafür, dass auch unser Staat ein hohes Einkommen hat. Insoweit ist das ein sehr vernünftiges und sozial gerechtes System, das wir haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Da unser Steuersystem sozial gerecht aufgestellt ist, gibt es auch überhaupt keinen Grund, diese Steuersätze über das hinaus zu erhöhen, was wir momentan schon haben. Dass das immer ein Thema ist, das die Linkspartei herauszieht, verwundert uns nicht. Bei Ihnen läuft alles unter der Überschrift: „Sozialistische Partei mit jahrzehntelanger Regierungserfahrung in der DDR bewirbt sich bei unwissenden Bürgern in Hessen um politischen Auftrag.“ Nur so kann man das verstehen, was Sie hier vorbringen.

Es gibt genügend Beispiele. Herr van Ooyen, Sie haben erklärt, Sie kennen sich so wenig in der Geschichte Ihrer Partei aus, dass Ihnen gar nicht bekannt ist, wie Ihre Partei, als sie noch den Namen SED trug, das in der DDR geregelt hat.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das war nicht meine Partei!)

Sie hatten dort bis zu 90 % Spitzensteuersatz, ja.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das hatte Adenauer auch um 1950!)

Nein, der hatte nicht 90 % Spitzensteuersatz. Das verwechseln Sie jetzt.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): 95 % 1950!)

Es ist nicht das erste Mal, Herr van Ooyen, dass Sie sich an Dinge, die in Ihrer Geschichte liegen, nicht richtig erinnern können. Das überrascht uns überhaupt nicht.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ich werde es Ihnen nachweisen! Ich komme darauf zurück!)