Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

Wenn Herr Decker jetzt einwendet, dass auch die älteren Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Schwerbe

hinderungen gefördert werden müssen, dann möchte ich darauf hinweisen, dass der dritte Baustein der Initiative Inklusion bei genau diesen Menschen ansetzt, nämlich bei älteren Menschen mit Schwerbehinderungen, die ohne Arbeit sind. Sie sollen verstärkt wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das, was Sie kritisiert haben, ist genau ein Punkt, den die Landesregierung mit diesem Programm angehen will. Insofern weiß ich auch da nicht, worauf sich die Kritik gründet. Genau dieser Kritik wollen wir nämlich mit dem Programm entgegenwirken.

Ein weiteres Handlungsfeld, das später dazukommen soll und das ich sehr wichtig finde: Bei den für die Ausbildung und die Betriebe wichtigen Ansprechpartnern, insbesondere den IHKs und den Handwerkskammern, soll mehr Sensibilität geschaffen werden, um die Inklusion voranzubringen. Bei den Kammern sollen Inklusionskompetenzen – wie es so schön heißt – aufgebaut werden. Ich denke, auch das ist ein sehr wichtiger Punkt, weil das dazu beiträgt, dass die Inklusion sozusagen an der Quelle wahrgenommen wird und für Menschen mit Schwerbehinderungen etwas getan wird.

Abschließend kann man also sagen: Der Arbeitsmarkt hat, ebenso wie die Schule, eine immense Bedeutung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Landesregierung legt mit der Initiative Inklusion einen weiteren Baustein neben dem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention und neben den vielfältigen Maßnahmen im Schulbereich vor, die eben schon angesprochen wurden, um der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu einer guten Umsetzung in Hessen zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Mick. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, unbestritten und unbestreitbar ist, dass verantwortliches politisches Handeln im Bereich der Behindertenpolitik darauf ausgerichtet sein muss, Chancengerechtigkeit herbeizuführen, insbesondere Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu integrieren sowie alle Anstrengungen zu unternehmen, damit dieses auch gelingt.

Ich finde, das muss der Grundkonsens sein, auf den man sich verständigt, wenn man über diese Fragen spricht. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen und das Programm „Initiative Inklusion“, die dazu beitragen können. Aber wir können damit nicht das arbeitsmarktpolitische Regelinstrumentarium des SGB II und des SGB III ersetzen und die dort beinhalteten gesetzlichen Aufgabenstellungen ausführen.

Wir können auch konstatieren – dies ist ebenfalls ein objektives Datum –, dass in der Phase einer globalen konjunkturellen Krise der Anteil der schwerbehinderten Menschen an der Gesamtgruppe der Arbeitslosen in der Tat gestiegen ist. Die Zahlen sind, einschließlich derer für das letzte Jahr – 2011 –, richtig dargestellt. Aber es ist so, dass man mit solchen Berechnungen am Ende des Jahres 2011 aufhört, statt die Zahlen bis heute fortzuschreiben

und zu sagen: Ab diesem Zeitpunkt sind die Zahlen wieder zurückgegangen. – Das heißt, die Arbeitslosigkeit geht zurück, und ich finde, damit sind wir auf dem richtigen Weg. Der Ehrlichkeit halber ist das ebenfalls zu erwähnen.

Trotzdem bleibt es dabei: Menschen mit Behinderungen weisen immer noch eine deutlich niedrigere Erwerbsquote im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen auf. Klar ist auch, dass man mit der Behindertenpolitik keine Arbeitsplätze schaffen kann. Dafür müssen Arbeitsmarktprogramme sorgen. Die können wir unterstützen. Wir können mit gezielten Maßnahmen Arbeitgebern und schwerbehinderten Menschen eine begleitende Unterstützung zuteilwerden lassen, die erstens die Schaffung von Arbeitsplätzen ermöglicht und zweitens die Sicherheit vermittelt, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen.

Ich möchte jetzt nicht auf die Beschäftigungsquoten eingehen. Aber ich möchte sagen, wir haben an dieser Stelle schon festzustellen, dass wir in Hessen einen Spitzenplatz im Ländervergleich einnehmen, wozu auch die Schwerbehindertenprogramme der Hessischen Landesregierung oder des Landes Hessen sowie die Programme des Beauftragten der Landesregierung für Schwerbehinderte mit beitragen.

Aber letztendlich kann die Verringerung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen nur gelingen, wenn in der Wirtschaft die Bereitschaft zur Ausbildung und zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen vorhanden ist. Wir versuchen, dies mit unterschiedlichen Aktionen zu fördern, z. B. über den „Hessischen Landespreis für beispielhafte Beschäftigung und Integration schwerbehinderter Menschen“ für Unternehmen der Privatwirtschaft. Mit diesem Preis zeichnen wir jährlich Unternehmen für ihr vorbildliches Engagement aus und stellen sie damit in der Öffentlichkeit als beispielgebend heraus.

Neben solchen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wird bereits mit dem aktuell laufenden 4. Hessischen Schwerbehindertenprogramm dafür Sorge getragen, dass die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderungen verbessert werden. Die Geltungsdauer des seit 2006 laufenden Programms, das aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert wird, wurde im Jahr 2010 durch eine Mittelaufstockung von 5,4 Millionen € bis zum 31. Dezember 2012 verlängert, sodass nun insgesamt 15,4 Millionen € zur Verfügung stehen. Mithilfe dieses Programms konnten fast 700 zusätzliche Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt generiert werden.

Wir müssen bei der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt aber auch immer die Frage der Qualifikation mit beachten. Die Mehrheit der Menschen mit Behinderungen in Hessen verfügt über einen Hauptschulabschluss. Aber mehr als 5 % haben überhaupt keinen Schulabschluss, und rund 26 % besitzen keinen Berufsabschluss. Umso entscheidender ist es daher, nicht nur bildungsmäßig die Voraussetzungen zu schaffen, sondern auch passgenaue Arbeitsangebote für Menschen zu finden, die mit einer Behinderung leben müssen. Wir versuchen mit unserer Politik, genau die Parameter, die zu berücksichtigen sind, in Relation zu setzen und durch die verschiedenen Arbeitsmarktaktivitäten gezielt die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben und auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.

Eine Maßnahme dazu ist die aktive Umsetzung des BundLänder-Programms „Initiative Inklusion“. Darüber und über die Ausgestaltung dieses Programms haben meine

Vorredner schon ausgiebig gesprochen, sodass ich das an dieser Stelle nicht noch einmal deutlich machen muss.

Ich will aber betonen: Nur wenn im Vorfeld die beruflichen Anforderungsprofile mit den Berufswünschen und auch den Kompetenzen der Betroffenen abgeklärt sind, besteht die Chance, über betriebliche Praktika eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu organisieren. Deswegen müssen die Übergänge in das Arbeitsleben an den individuellen Stärken ausgerichtet werden. In Hessen wollen wir mit den uns zur Verfügung stehenden 3,4 Millionen € über 1.200 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf erreichen. In dem auf zwei Schuljahre angelegten Modell ist bereits in der ersten Phase der Maßnahme die Einbeziehung von rund 230 Schülerinnen und Schülern geplant.

Wir unterstützen im Rahmen der Umsetzung der Initiative Inklusion den erfolgreichen Einstieg schwerbehinderter junger Menschen in eine betriebliche Berufsausbildung durch Prämienzahlungen an ausbildungswillige Arbeitgeber. Hierzu stehen für Hessen in dem Zeitraum 2012 bis 2016 rund 1,3 Millionen € zur Verfügung. Damit werden wir die Schaffung von rund 100 neuen Ausbildungsplätzen unterstützen. Ebenso kümmern wir uns um schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, damit diese verstärkt in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Wir implementieren auch sogenannte Inklusionskompetenz bei den Kammern. Jede Kammer, die ein Konzept vorlegt, mit dem in ihren Mitgliedsorganisationen verstärkt Kompetenz für die Inklusion schwerbehinderter Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen werden soll, kann auf die Dauer von zwei Jahren bis zu 100.000 € erhalten.

Es geht also nicht nur um einen Aktionsplan – dazu sage ich gleich noch etwas –, sondern auch darum, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber zu erzielen, dass die Teilhabe auf dem ersten Arbeitsmarkt ausgesprochen wichtig ist. Dazu gehört in Zukunft auch eine Diskussion über die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe. Ebenfalls gehört eine Diskussion über die Ausgestaltung des persönlichen Budgets dazu. An dieser Stelle gibt es noch eine Reihe von intensiven Diskussionen zu führen.

Wir werden dies letztendlich in einem Aktionsplan zusammenfassen, der im Entwurf vorliegt und in den in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Anregungen von Verbänden eingegangen ist, und diesen demnächst dem Kabinett zur Entscheidung vorlegen. Er wird sich von dem vorgelegten Entwurf ein wenig unterscheiden.

Aber eines bleibt klar – das ist ein Satz, bei dem ich von vornherein sage, dass man aufpassen muss –: Wenn man Inklusion als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe versteht, bei der der Einzelne, aber auch die einzelnen Körperschaften, Gebietskörperschaften und Ebenen – d. h. die Einzelnen in den privaten Unternehmen, die Kommunen, das Land und der Bund – Verantwortung tragen, kann es nicht sein, dass man auf einer Ebene die Verantwortung nur dann wahrzunehmen braucht, wenn das von einer anderen Ebene bezahlt wird.

Insofern halte ich das Lamento der Vertreter der Kommunen nach dem Motto „Wir machen ja etwas, aber ihr müsst es uns bezahlen“ dieser gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nicht für angemessen. Jeder hat auf seiner Ebene seinen Beitrag dazu zu leisten. Die Hessische Landesregierung macht das.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Wir sind am Ende der Aussprache zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Landesregierung setzt sich erfolgreich für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ein.

Herr Dr. Jürgens hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt, dass wir absatzweise abstimmen. Ich rufe Abs. 1 des zuvor behandelten Antrags auf. Wer stimmt zu? – Das sind CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Wer ist dagegen? – Gegenstimmen kommen von den LINKEN. Somit ist dieser Absatz mit Mehrheit beschlossen.

Abs. 2: Wer stimmt zu? – CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Wer ist dagegen? – DIE LINKE ist dagegen. Somit ist dieser Absatz mit Mehrheit beschlossen.

Abs. 3: Wer stimmt zu? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und DIE LINKE sind dagegen. Enthaltungen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Somit ist dieser Absatz mit Mehrheit angenommen.

Abs. 4: Wer stimmt zu? – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD und LINKE. Enthaltungen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Somit ist dieser Absatz mit Mehrheit angenommen.

Abs. 5: Wer stimmt zu? – CDU und FDP. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Opposition ist dieser Absatz mit Mehrheit angenommen. Damit ist dieser Antrag in Gänze angenommen.

Die parlamentarischen Geschäftsführer haben signalisiert, dass ich keinen weiteren Tagesordnungspunkt zur Beratung aufrufe, sondern dass wir in die Abstimmung über die Beschlussempfehlungen ohne Aussprache eintreten. Ich schlage vor, dass wir, wie üblich, in allen Fällen auf die Berichterstattung verzichten. Dann brauche ich das nicht zu wiederholen.

Tagesordnungspunkt 33:

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Unterstützung eines NPD-Verbots – Drucks. 18/5418 zu Drucks. 18/5109 –

Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU, FDP. Wer ist dagegen? – SPD und LINKE sind dagegen. Enthaltungen? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Tagesordnungspunkt 34:

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Rechtsextremismus konsequent bekämpfen – NPD-Verbotsverfahren darf vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erneut scheitern – Drucks. 18/5419 zu Drucks. 18/5246 –

Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu?

(Günter Rudolph (SPD): Halt!)

Halt, Herr Rudolph, bitte.

Herr Präsident! Bitte die Anträge nach den einzelnen Ziffern getrennt abstimmen.

(Florian Rentsch (FDP): Wieso das denn?)

Weil wir unterschiedlich votiert haben, das ist relativ einfach.

(Nancy Faeser (SPD): Das habt ihr übrigens auch gemacht, wenn ich euch erinnern darf!)

Also noch einmal zu Tagesordnungspunkt 34.

Ziffer 1: Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und LINKE. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist Ziffer 1 einstimmig angenommen.

Ziffer 2: Wer stimmt zu? – CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – DIE LINKE ist dagegen. Enthaltungen? – SPD. Damit ist Ziffer 2 – – Was war jetzt bei der LINKEN?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Enthaltung!)

DIE LINKE enthält sich also auch. – Damit ist Ziffer 2 mit Mehrheit angenommen.

Ziffer 3: Wer stimmt zu? – CDU, FDP. Wer ist dagegen? – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist Ziffer 3 ebenfalls angenommen.

(Günter Rudolph (SPD): Bei Tagesordnungspunkt 35 ebenfalls getrennte Abstimmung!)