Es steht völlig außer Frage, dass Raubkopien illegal sind und dass geistiges Eigentum zu schützen ist. Aber die Entscheidung, ob eine Urheberin oder ein Urheber die Nutzung seiner Leistung anderen Menschen unter bestimmten Bedingungen nur gegen Zahlung eines Entgelts gestatten will, muss jede Urheberin und jeder Urheber selbst treffen.
Es ist deshalb sehr wichtig, Bezahlvorgänge zu ermöglichen, die schnell, sicher und einfach sind und so stattfinden, dass Urheber einen möglichst großen Anteil davon haben. Wer wertvolle Inhalte haben möchte, der muss dafür auch etwas zahlen.
Meine Damen und Herren, die Kostenlos-Kultur im Internet muss ein Ende haben. Wir brauchen eine breite Urheberrechtsdebatte für gute Inhalte und Künstler, die von dem, was sie leisten, auch leben können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war die erste Rede des Abg. Daniel Mack von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir gratulieren Ihnen alle ganz herzlich.
Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Greilich von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Greilich, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mack ist am Ende seiner Rede auf den eigentlichen Kernpunkt gekommen, über den wir uns in der Tat intensiv unterhalten müssen – ich weiß nicht, ob unbedingt hier im Hessischen Landtag, der nicht für das Urheberrecht zuständig ist. Aber wir können es gern auch hier diskutieren.
(Günter Rudolph (SPD): Wir reden auch sonst über Dinge, für die wir nicht zuständig sind! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen nicht reden!)
Die Frage, wie wir das Urheberrecht modernisieren, ist eine Frage, die in der Tat auf der Tagesordnung steht und die wir entsprechend behandeln müssen. Hier wurde zunächst einmal ACTA auf die Tagesordnung gesetzt. Darüber wird in der Tat in der Öffentlichkeit derzeit intensiv diskutiert, teilweise – das haben wir in der Rede des Kollegen Wilken auch wieder erleben dürfen – mit falschen Informationen.
Bürgerinnen und Bürger sind angesichts der zugegebenermaßen sehr komplexen Materie verunsichert. Das hat viel damit zu tun, wie es zu diesem Abkommen gekommen ist. Es gilt jetzt, die notwendige Transparenz bei den Beratungen besonders im Europäischen Parlament – dort kommt es her, die EU-Kommission hat es verhandelt – herzustellen. Die bisherige intransparente Verhandlung dieses Abkommens war schlicht inakzeptabel.
Die Verhandlungspartner, unter anderem die EU-Kommission, müssen sich vorwerfen lassen, dass sie die aktuellen Proteste durch ihre sehr intransparente Verhandlungsweise selbst ausgelöst haben.
Wir als Liberale setzen uns für eine ganz und gar transparente und offene Debatte über ACTA ein. Unreflektierte Panikmache oder das Schüren von Angst, wie Herr Kollege Wilken das hier versucht hat, lehnen wir jedoch ab. Ich sage noch einmal, es ist unstreitig: Diese Verhandlungen sind demokratisch entkoppelt und bürgerfern geführt worden. Jetzt hat sich das Europäische Parlament mit ACTA intensiv zu befassen und alle offenen Fragen und die erhobene Kritik zu behandeln.
Es ist ganz hilfreich, wenn man ein paar Fakten kennt, bevor man sich in diese Diskussion stürzt. Deswegen will ich das hier einmal berichten:
Das Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktund Markenpiraterie, wie ACTA auf Deutsch ausformuliert heißt, wurde vier Jahre lang, von 2007 bis 2010, verhandelt. Die wichtige Erkenntnis ist: Es enthält in seinem endgültigen Text – nicht in dem, was immer mal vorher herausgesickert ist – keinerlei Umsetzungszwänge für den deutschen Gesetzgeber. Die in ACTA vorgesehenen Ziele und Vereinbarungen zum Schutz von Marken-, Patentund Urheberrechten sind in Deutschland bereits hinreichend verwirklicht. Alle in dem Abkommen vorgesehenen Bestimmungen für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums bestehen in Deutschland bereits seit vielen Jahren. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, das unberechtigte Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke in Deutschland seit 1966 strafbar, und zwar relativ egal, ob das im Internet passiert oder mit dem guten alten Kopiergerät. Das ist alles nichts Neues.
Trotzdem sind Unmut und Unsicherheit über den Umgang mit Inhalten bei Internetnutzern gewachsen. Das haben wir durchaus zur Kenntnis genommen. Deshalb will ich klarstellen: Für Deutschland besteht wegen der ausreichenden Rechtslage kein Umsetzungsbedarf. Es ist deshalb auch keinerlei Eile geboten, was dieses Abkommen angeht. Deswegen waren es die FDP-Bundestagsfraktion und die Bundesjustizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die dafür gesorgt haben, dass die Zeichnung des ACTA-Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland aufgeschoben ist,
mindestens bis das Europäische Parlament als demokratisch legitimierte Instanz dieses Abkommen geprüft hat. Dieser Prüfungsprozess steht noch am Anfang.
Ich wiederhole: Für Deutschland, gerade für Hessen, besteht durch den vorliegenden ACTA-Entwurf keinerlei Bedarf für eine neue Gesetzgebung. Das bereits bestehende Schutzniveau für geistiges Eigentum ist im Hinblick auf dieses Abkommen vollständig ausreichend.
Ich will aufgrund der laufenden Diskussion für die FDP allerdings noch einmal klarstellen: Mit der FDP wird es im Dienste des Urheberrechtsschutzes weder Sperrungen von Internetzugängen noch Netzsperren anderer Art oder gar eine verpflichtende umfassende Überwachung der Netzkommunikation durch Internetprovider geben.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Das stellt sich bald nicht mehr!)
Kollege Rudolph, ich verstehe, dass Sie sich getroffen fühlen. Aber wir haben das wieder abgeschafft, was die Große Koalition eingeführt hatte, nämlich die Netzsperren.
Zu guter Letzt will ich noch eines klarstellen – eine wichtige Klarstellung gerade in Richtung solcher Internetnutzer, die eine weitgehende Abschaffung des Urheberrechts fordern –: Wer irrig glaubt, dass geistiges Eigentum völlig schutzlos bleiben sollte, der missachtet ein elementares Freiheitsrecht.
(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das hat bisher noch keiner gesagt! – Günter Rudolph (SPD): Das hat zuletzt der Guttenberg geglaubt!)
Eine Alles-gratis-Mentalität, wie sie Kollege Wilken hier wieder vorgetragen hat, findet in uns keinen Verbündeten. Wir kämpfen für die Freiheit im Netz genauso wie für den Schutz des Eigentums, auch und gerade des geistigen Eigentums.
Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächste Wortmeldung liegt mir die Wortmeldung von Herrn Siebel von der SPD-Fraktion vor. Bitte schön, Herr Siebel, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute im Hessischen Landtag aufgrund des Antrags der Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei mit dem ACTA-Abkommen. Dieser Antrag folgt einem relativ leichten Muster, das wir auch schon kennen: Draußen auf der Straße wird demonstriert, DIE LINKE solidarisiert sich, und als verlängerter Arm der außerparlamentarischen Opposition wird das Thema parlamentarisch besetzt.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das würde der SPD auch guttun! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist unser Verständnis!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der LINKEN, so kann man Politik machen. Aber ich glaube, dass Ihr Antrag und auch dieses Vorgehen dem Thema nicht gerecht werden.
Ich nehme deshalb schlicht und ergreifend Punkt 4 Ihres Antrags auf. In Punkt 4 schwadronieren Sie darüber, dass ACTA die Verwertungsrechte der Industrie schütze – also auch wieder das klassische linke Muster – und dass wir ein modernes Urheberrecht bräuchten. Dazu hätte es Ihres Antrags nicht bedurft. Das Ganze gipfelt in dem überaus indifferenten Satz: „Das Ziel muss sein, die Chancen des Internets und der Digitalisierung für eine Demokratisierung von Kultur, Bildung und Wissenschaft zu nutzen.“
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ACTA soll ein Abkommen sein, das für das geistige Eigentum Schutzrechte festschreibt. Ich sage ausdrücklich aus sozialdemokratischer Sicht – Herr Mack, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das auch in ihrer Rede akzentuiert haben –: Wer künstlerisch und wissenschaftlich tätig ist, muss auch die Chance haben, von seiner geistigen Arbeit zu leben,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Das hat er doch gesagt!)
Das ist aber nur der eine Teil. Der andere Teil ist der freie Zugang zu diesem Ergebnis menschlicher Arbeit im Netz und der möglicherweise kostenfreie Zugang. Darüber muss diskutiert werden. Die Frage der Bezahlmodelle ist das Entscheidende, wenn wir von einer Fortentwicklung des Urheberrechts reden. Da gibt es unterschiedliche Modelle, die in allen Parteien diskutiert werden. Zwischen diesen beiden Polen muss abgewogen werden.
Dankenswerterweise hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag das Thema deutlich differenzierter durchdrungen und sich dieser Herausforderung gestellt. Wir möchten diesen Antrag gern ergänzt wissen durch einen Arbeitsauftrag an uns selbst, dass wir zu diesem Themenkomplex – wo auch immer, ich glaube, der Antrag ist auf den Rechtsausschuss ausgeschrieben; es ist sicherlich auch eine Aufgabe des Hauptausschusses – eine Anhörung durchführen. Darüber sollten sich die Akteure einmal verständigen. Wir haben im Hessischen Landtag bisweilen Anhörungen auch zu Themen – Frau Wolff, das räume ich gern ein –, die sich nicht direkt mit Rechtsmaterien des Landes Hessen auseinandersetzen. Aber wir müssten auch einmal durchleuchten – das besagt auch unser Antrag –, ob es Rechtsbereiche gibt, mit denen sich der Hessische Landtag zu befassen hat.