Herr Abg. Rudolph hat mich vorhin ausdrücklich gebeten, ich möge das mit der Ordnungspolitik einmal ausführlich erklären. Herr Rudolph, dieser Aufforderung komme ich gerne nach.
Herr Rudolph, in diesem Fall mache ich das gerne. Ich habe für Sie ein schönes Beispiel gefunden. Sie sind ja Mitglied des Sportausschusses, und ich dachte, mit einem Beispiel aus dem Sport komme ich in die Nähe Ihrer Auffassungsgabe. – Herr Rudolph, jetzt müssen Sie aber zuhören, wenn Sie mich um etwas bitten.
Es gab 1982 die sogenannte Schande von Gijón. Die müsste Ihnen noch in Erinnerung sein. Damals hat Deutschland gegen Österreich gespielt. Es war klar, wenn Deutschland dieses Spiel 1 : 0 beendet, ist Algerien ausgeschieden. Es gab keine formale Absprache zwischen den Mannschaften. Auch von den Trainern hat sich keiner mit dem anderen vereinbart. Trotzdem ist dieses Spiel komischerweise 1 : 0 ausgegangen. Herr Rudolph, an das stun
Herr Rudolph, in der Marktwirtschaft nennt man das implizite Koordinierung. Das heißt mit anderen Worten für den Benzinpreismarkt, dass die Tankstellenbetreiber und die Mineralölkonzerne die jeweilige andere Preisbildung beobachten und ihre Preisbildung danach ausrichten.
Herr Kollege Rudolph, das bedeutet, dass morgens die Pendler, die zur Arbeit fahren, sehen, dass die Preise, die sie am Morgen noch wahrgenommen haben, sich am Abend komplett verändert haben. Das hat etwas mit dieser impliziten Koordinierung zu tun. Es hat zum einen etwas mit der oligopolistischen Struktur des Benzinpreismarktes zu tun, es hat aber auch etwas mit der vertikalen Integration zu tun.
Meine Damen und Herren, das ist etwas, was der Bundeskartellamtschef mit dem schönen Satz beschrieben hat:
Das ist wie in einer Ehe, wo feststeht, wer morgens das Frühstück macht. Die Konzerne verstehen sich sozusagen blind.
Die Konzerne verstehen sich blind, und die Verbraucher haben das Nachsehen. Ich glaube, es ist aller Ehren wert, dass die Hessische Landesregierung der Meinung ist, dass dieses Modell bei einem Benzinpreis von 1,70 € kein Modell der Zukunft sein kann. In den Siebzigerjahren kam es – bei einem viel niedrigeren Benzinpreis – zum Ölpreisschock, der mit einer starken Lähmung unserer Wirtschaft einherging. Wir sind zwar heute in einer anderen Situation, aber ein Benzinpreis von über 1,70 € ist eine fundamentale Bedrohung der konjunkturellen Lage. Aus diesem Grund ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für den Wirtschaftsverkehr Handlungsbedarf gegeben.
Ich kann in dem Zusammenhang den Abg. Frankenberger überhaupt nicht verstehen, der gesagt hat, er prophezeie, dass dieses Modell keinen Erfolg haben werde. Herr Frankenberger, erstens dachte ich, Sie seien Abgeordneter und kein Prophet. Zweitens. Herr Abg. Frankenberger, wenn es so ist, dass Sie diesen Zustand beklagen – das haben Sie ja getan –: Wie lautet Ihr Vorschlag, um diesem Missbrauch abzuhelfen? Sie haben gesagt, Sie erwarten – ähnlich wie die Monopolkommission beim BMWi – eine Entflechtungsinitiative im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Lieber Herr Frankenberger, Sie sind doch schon ein paar Jahre im Hessischen Landtag. Sie wissen doch, dass die Hessische Landesregierung schon in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat eine Initiative für eine Entflechtung im GWB ergriffen hat. Diese Initiative liegt dem Bundesrat weiterhin vor. Es wäre jetzt doch an Ihnen, bei den SPD-geführten Ländern für diese Maßnahme zu werben.
Herr Frankenberger, wo bleiben Sie denn? – Herr Frankenberger ist nirgendwo zu sehen. Herr Frankenberger, Herr Grumbach, die SPD in Nordrhein-Westfalen mit Ministerpräsidentin Kraft an der Spitze hat im Wirtschaftsausschuss dem Vorschlag Hessens zugestimmt. Rot-Grün in NRW stimmt Hessen also zu. Rot-Grün – zumindest Rot – in Hessen tut sich damit schwer. Lernen Sie an dieser Stelle ausnahmsweise von Nordrhein-Westfalen. Dann lernen Sie dazu, lieber Herr Frankenberger.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was lernt die FDP aus Nordrhein-Westfalen?)
Jetzt werden die Zurufe wahrscheinlich wieder intensiver. – Die FDP hat in Nordhein-Westfalen einiges gelernt, z. B. dass sich Standhaftigkeit und Konsequenz auszahlen, und zwar deswegen, weil man zu seinen Überzeugungen auch stehen kann. Damit haben Sie ab und zu Probleme, Herr Wagner. Das ist wahr. Aber auch Sie können etwas von Nordrhein-Westfalen lernen.
Was hat das westaustralische Modell für Vorteile? Es hat zum einen den Vorteil größerer Preistransparenz. Die Bürger können sich 24 Stunden lang darauf verlassen, dass die Preise fest sind. Das heißt, das Navigationssystem im Auto kann einem zukünftig sagen, welche Tankstelle in der Nähe die niedrigsten Preise hat. Wir sorgen damit im Übrigen – das ist hochinteressant – für die Verbraucher für höhere Transparenz, gerade für die Energie- und Mineralölkonzerne aber für niedrigere Transparenz. Genau diese niedrigere Transparenz für die Mineralölkonzerne ist in diesem System der entscheidende Punkt. Andreas Mundt, der Kartellamtspräsident, hat dazu gesagt: „Ich glaube, dass man sich darüber Gedanken machen sollte, wie sich die Ruhe des Benzinoligopols stören lässt.“ Er sagte weiter: „Es hört sich zunächst paradox an, am ehesten ginge dies, indem man den Markt intransparenter macht – nicht für die Verbraucher, aber für die Unternehmen.“ Genau darum geht es hier.
Ich glaube, dass auch die Planungssicherheit ein ganz entscheidender Punkt in einer Region ist, z. B. der RheinMain-Region, die sehr stark durch Pendlerströme gekennzeichnet ist. Jeder Pendler kennt das Problem: Er fährt morgens zur Arbeit, sieht einen bestimmten Benzinpreis, freut sich und sagt: Da fahre ich abends wieder vorbei, da will ich tanken. – Abends kommt er zu der Tankstelle und merkt, der Benzinpreis hat sich deutlich erhöht. Meine Damen und Herren, genau das werden wir mit dem westaustralischen Modell in Zukunft verhindern können. Deswegen kann ich Sie, Herr Schäfer-Gümbel, nur herzlich darum bitten und auffordern, dass Sie, auch als Präsidiumsmitglied der SPD, dafür werben, dass weitere SPDLänder neben Nordhein-Westfalen der hessischen Initiative zustimmen.
Dann würden Sie für Ihr Bundesland etwas Konstruktives leisten. Deswegen kann ich an der Stelle nur sagen: mutig voran.
Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss nochmals auf die Schmach von Gijón zurückkommen. Herr Rudolph, jetzt wird es sportlich, jetzt können Sie wieder zuhören, jetzt geht es auch für Sie weiter.
Was war denn die Konsequenz aus der Schmach von Gijón? Die FIFA hat die Regelung eingeführt, dass in allen Gruppen die letzten Spiele zeitgleich stattfinden müssen, damit Absprachen nicht mehr möglich sind. Genauso klug wie die FIFA sollten doch auch wir sein. Wir sollten keine Angst vor Veränderungen, keine Angst vor Modellversuchen haben. Wir sollten nicht die Risiken betonen, sondern die Chancen. Schließlich geht es um die Bürgerinnen und Bürger und nicht darum, wer recht hat. Wenn also alle zusammenarbeiten, dann können wir etwas erreichen. Etwas niedrigere Benzinpreise, das freut auch die Einpendler aus Mittelhessen. Nutzen Sie die Chance, werben Sie für das westaustralische Modell in Hessen, dann wird alles gut.
Meine Damen und Herren, wir hatten uns doch geeinigt, dass wir Bekundungen aller Art für uns behalten, wenn ein Redner zum Rednerpult geht. Das gilt für alle hier im Haus.
Herr Präsident, vielen Dank! Mich kann nichts erschüttern, nicht einmal ein solch bedeutender Beitrag des Staatssekretärs Saebisch, der Herrn Posch vertritt. Da wünsche ich mir doch den Herrn Kollegen Posch zurück – auch vom Niveau her gesehen.
Zweitens. Wenn wir es schon machen, dann machen wir es richtig: Es gibt keinen Sportausschuss in Hessen, sondern der Bereich Sport ist im Innenministerium angesiedelt.
Viertens. Weil Sie dieses Modell so loben: Wenn das am Schluss so ausgeht wie Ihre Ideen und Entwicklungen zum Programm „Staufreies Hessen“, dann sollten wir uns als Verbraucher nicht allzu vielen Illusionen hingeben.
Damals haben Sie die Backen aufgeblasen. Sie vollführen hier als FDPist, als Mitglied der Landesregierung einen Spagat. Wir kritisieren ja gar nicht, was Sie machen, dass man regulativ eingreifen muss. Das ist aber genauso, als wenn Sie „Steuern senken!“ sagen. Das nimmt Ihnen niemand mehr ab, Herr Rentsch.
Jetzt wollen Sie in den Markt eingreifen. Das ist nicht mein Problem. Ich glaube, wenn Sie so weitermachen, wie Herr Saebisch es hier vorgetragen hat, dann kann man die 1,2 % in Nordrhein-Westfalen noch nach unten toppen. Nur weiter so. Der Beitrag von Herrn Saebisch war ein Beleg dafür. Wir werden uns in der Praxis anschauen, ob das funktioniert. Der Verbraucher will eine ehrliche Diskussion. Die Benzinpreise sind zu hoch. Ich glaube, das, was die Monopolkommission angedacht hat, ist der richtige Weg. Sie versuchen, mit Rhetorik und Schaufensteranträgen dem Verbraucher zu suggerieren, man könne regulativ eingreifen.
Das Modell aus Westaustralien ist schön und gut, aber ich glaube, es wird am Schluss nicht funktionieren. Darauf haben wir hingewiesen. Herr Kollege Rentsch, nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis: Machen Sie eine ordentliche Arbeit, und lassen Sie die Rhetorik – wie in der Rede von Herrn Saebisch und von Ihnen – weg. Dann kommen Sie auch über 1,2 %. Ich habe bei Ihnen aber die Hoffnung aufgegeben. Das ist nicht mehr mein Problem. Sie können sich in der Oppositionsrolle regenerieren. Viel Spaß dabei.