Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

(Judith Lannert (CDU): Das finde ich eine Frechheit!)

Jetzt sagen Sie, es sei eine Frechheit, wenn ich sage, dass Sie weiter seien, Frau Lannert. Das war der Versuch eines Lobes. Aber es ist wohl nicht angekommen.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN – Gegenruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Herr Kollege Schork, warum sage ich, dass die Landesregierung Inklusion nicht will? Ich sage das, weil Sie ein Inklusionsverhinderungsschulgesetz vorgelegt und weil Sie eine Inklusionsverhinderungsverordnung im Entwurf haben. Sie müssen es ja nicht mir glauben – aber schauen Sie sich einmal die Stellungnahmen der Lehrerverbände an, schauen Sie sich die Stellungnahmen der Eltern an. Ich glaube sehr wohl, dass Eltern entscheiden können, was das Beste für das Kindeswohl und für ihr Kind ist. Genau diese Entscheidungsfreiheit enthalten Sie Eltern vor, indem Sie eben keine Wahlfreiheit zwischen der Regelschule und der Förderschule schaffen, meine Damen und Herren.

Dann haben Sie gesagt: flächendeckende Ganztagsschulen. Wer hat das eigentlich hier in der Debatte gefordert, Herr Kollege Schork? Ich wäre schon dankbar, wenn die vielen Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben und sich wünschen, ihr Ganztagsschulangebot auszubauen, es endlich machen dürften. Von „flächendeckend“ hat hier niemand geredet. Aber auch hier gilt: Die Eltern, die ein Angebot haben wollen, sollen das endlich finden und nicht dauerhaft vertröstet werden oder sich von Herrn Irmer irgendwelche Vorträge anhören müssen, dass er besser als die Eltern weiß, was für ihr Kind besser ist. Darum geht es in dieser Debatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das ist doch nur noch peinlich! Unglaublich!)

Herr Kollege Wagner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wenn Sie glauben, dass Sie mit der betreuenden Grundschule irgendein Betreuungsproblem von Eltern gelöst hätten, dann haben Sie mit der Lebenswirklichkeit überhaupt nichts zu tun.

(Zurufe des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Herr Kollege, Sie können sich noch einmal zu Wort melden; es stört ein bisschen. – Vielen Dank.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie sagen bewusst die Unwahrheit!)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Reuscher, FDPFraktion.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Der hat heute Narrenfreiheit!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD gibt uns noch einmal die Gelegenheit, den erfolgreichen Ausbau der Ganztagsschulen in Hessen

unter dieser CDU/FDP-geführten Landesregierung herauszustellen. Die Anfrage und die Antworten darauf geben eine ganze Menge an Informationen her.

Ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei der Kultusministerin zu bedanken. Sie hat doch konsequent und zielorientiert gemeinsam mit den Fraktionen von CDU und FDP den Ausbau von Ganztagsangeboten in Hessen vorangetrieben. Sie hat in der Vergangenheit etwas gesagt, was sie in ihrer Regierungszeit tatsächlich umgesetzt hat. Bisher ist das nämlich sehr erfolgreich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Grundlage dieser erfolgreichen Ganztagsschulentwicklung ist auch das neue Hessische Schulgesetz, das bundesweit als vorbildlich anzusehen ist.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Ganztagsschulen bedarfsgerecht auszubauen, das ist für die FDP eine ganz wichtige Angelegenheit und hat auch zukünftig hohe Priorität für die CDU/FDP-Koalition. Die Bertelsmann Stiftung ist heute das eine oder andere Mal erwähnt worden. Wie auch der aktuell veröffentlichte „Chancenspiegel“ der Bertelsmann Stiftung belegt, schneidet Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr gut ab. Gerade im Punkt Integrationskraft – einer von vier Punkten –, Schüler mit Förderbedarf und Nutzung von Ganztagsschulen, gehört Hessen zu der Spitzengruppe. Das widerspricht eigentlich dem, was hier ständig behauptet wird. Das ist auch ein Erfolg dieser Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Zahlen sind heute bereits genannt worden, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: Im Schuljahr 2012/2013 sind weitere 62 Schulen neu in das Ganztagsschulangebot aufgenommen worden. An 82 Schulen ist das Angebot erweitert worden. Wir stellen 115 Lehrerstellen dafür zur Verfügung. Wir haben das Ganztagsangebot in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. 850 Schulen verfügen ab dem nächsten Jahr über ein Ganztagsangebot. Das sind 50 % aller öffentlichen Schulen. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil bei 40 %.

(Wolfgang Greilich (FDP): Hört, hört!)

Das ist ein erfolgreicher Prozess, den wir gestartet haben und der zu diesem Ergebnis geführt hat. Wir stehen bei den westdeutschen Flächenländern an der Spitze.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Eine ganze Menge Lehrer sind in diesen Ganztagsschulbereich hineingebracht worden. Allein 1.500 Lehrer sind im Ganztagsbereich tätig. Es sind immerhin 75 Millionen €, die wir hierfür in die Hand genommen und investiert haben.

Noch einmal zum Ganztagsschulbereich. Ganztagsschulen bieten allen Kindern und Jugendlichen, insbesondere Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten und oft schwierigen sozialen Verhältnissen, die Chance, sich optimal auf den weiteren Bildungsweg vorzubereiten und außerschulische Bildungserfahrungen zu machen. Wir sind uns mit unserem Koalitionspartner völlig einig, dass das ein wichtiges Anliegen der Ganztagsschule ist.

Chancengerechtigkeit heißt vor allem gleiche Bedingungen beim Bildungsstart. Das ist heute schon angesprochen worden. Das beginnt bei der frühkindlichen Bildung in der Kindertagesstätte und setzt sich im Ganztagsangebot fort. Auch sind wir in unserer Politik als Koalition, als Landesregierung von Anfang an konsequent vorgegangen.

Was heute überhaupt nicht oder nur am Rande erwähnt wurde, ist die neue Ganztagsschulrichtlinie, die seit November in Kraft ist. Sie gibt der Schule noch größere Freiräume bei der schulindividuellen Gestaltung dieses Ganztagsangebots. Darauf legen wir ganz großen Wert: Wir wollen keine Zwangsganztagsschule, die über das ganze Land gebunden ist, sondern wir wollen diese Freiheit.

Mit dieser Richtlinie sichern wir qualitative und attraktive Lehr- und Betreuungsangebote von der Grundschule bis über die Förderschulen. Wir fördern damit auch die individuelle Entwicklung unserer Kinder. Aber Schulen müssen auch die Freiheit haben, vor Ort selbst zu entscheiden, welches Ganztagsangebot das richtige ist.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Dietz (CDU))

Die Bedürfnisse der einzelnen Schulen stellen sich durchaus sehr unterschiedlich dar, denn je nachdem, ob sich die Schule in der Großstadt, im ländlichen Raum oder an besonderen sozialen Brennpunkten befindet, gibt es unterschiedliche Anforderungen. Wir halten es auch für wichtig, dass aus Sicht der Eltern der Besuch einer Ganztagsschule freiwillig ist. Eltern müssen frei entscheiden können, welches Ganztagsangebot und welche Form sie nutzen. Es entspricht unserem liberalen Verständnis, dass die Erziehung der Kinder zuallererst ein Anliegen und Obliegen der Eltern ist, so wie es im Grundgesetz als Grundsatz verankert ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das sollte man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen. Dabei verkennen wir nicht, dass unsere Schulen auf unterschiedliche Weise immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen müssen. So weltfremd sind wir nicht; die Welt hat sich auch hier gewandelt. Sie muss auch Defizite ausgleichen, die oft im Elternhaus oder im sozialen Umfeld begründet sind.

Zudem finden wir, dass Vereinbarkeit von Familie nur mit dem weiteren Ausbau von Ganztagsschulen möglich ist. Für uns, die FDP, stehen immer das Wohl des Kindes und die optimale Förderung des Kindes im Mittelpunkt.

(Beifall bei der FDP)

Die neue Richtlinie, wenn man sich die einmal genau durchliest, gibt den einzelnen Schulen viel größere Gestaltungsfreiheit im personellen Bereich. Sie können ihre Personalstruktur selbst bestimmen. Sie können neben den Lehrkräften schul- und sozialpädagogische Fachkräfte einstellen – Sozialarbeiter, Erzieher. Es ist den Schulen ganz individuell überlassen, wie sich die Klientel oder die Schüler in dieser Schule darstellen und in welchem sozialen Milieu sich diese Schule befindet.

Der zentrale Punkt der Richtlinie für die ganztägig arbeitenden Schulen in Hessen – das ist meiner Ansicht nach ein bisschen zu kurz gekommen – sind die beschriebenen Profile. Hier gibt es einen Paradigmenwechsel. Wir sprechen nicht mehr von pädagogischer Nachmittagsbetreuung, was ich als Begriff auch gar nicht so toll finde.

Wir haben Profile und Qualitätsrahmen. Das Entscheidende ist der Qualitätsrahmen. Darin unterscheiden sich die einzelnen Ausprägungen der Ganztagsschulen. Mit der Definition von acht Qualitätsrahmen für drei mögliche Ganztagsprofile kann jede Schule ihren individuellen Weg zum Ausbau ihres Ganztagsangebots gehen. Unter der Bezeichnung Schule mit Ganztagsangebot werden künftig das, was man früher als pädagogische Nachmittagsbetreuung bezeichnet hat, und die kooperativen Gesamtschulen mit offenem Konzept zusammengefasst.

Die Profile 1 und 2 setzen ganz eindeutig auf Freiwilligkeit und freiwillige Teilnahme. Dazu muss man sagen, dass das Profil 1 sehr ausführlich beschrieben ist – Sie müssen sich das einmal durchlesen –, und zwar mit einer schönen Tabelle hinten dran. Dort steht genau, was man in den einzelnen Phasen an Bedingungen erfüllen muss.

Profil 1 ist für die Schulen der Einstieg. Wenn sich eine Schule auf den Weg zur Ganztagsschule macht, dann ist es oft nicht einfach, die räumlich-situativen Voraussetzungen umzusetzen. Das dauert seine Zeit. Dieses Profil 1 entspricht genau dem, was die Kultusministerkonferenz bundesweit als Ganztagsschulbetrieb definiert hat. Wir weichen nicht von dem ab, was bundesweit als Grundsatz für Ganztagsschulbetrieb definiert wurde.

Die gebundenen Formen sind dann in Profil 3 beschrieben.

Die Qualitätskriterien gliedern sich natürlich auf – das sollte man auch einmal differenziert betrachten –, z. B. in den Bereich Unterricht und Angebote, Lern- und Aufgabenkultur. Wie öffnet sich die Schule hin zu Kooperationspartnern? Wie sieht das Raum- und Ausstattungskonzept aus? Es wurde sehr viel in die Beschreibung gesteckt: Was ist Qualität? – Qualität ist für uns in der Ganztagsschule ein ganz wichtiger Begriff. Die Qualität steht für uns vor der Quantität. Eine Ganztagsschule, die nicht qualitativ ausgebaut ist, macht im Endeffekt keinen Sinn. Das wäre eine Aufbewahrungsanstalt, die wir alle nicht wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Qualitätsrahmen sind auch dazu da, die Qualität zu vergleichen. Mit dem Qualitätsrahmen kann man hessenweit evaluieren. Mit der Evaluation ist es dann möglich, Qualitäten untereinander zu vergleichen.

Zusammenfassend möchte ich festhalten: Mit der neuen Richtlinie für ganztägig arbeitende Schulen in Hessen sind wir auf einem sehr guten Weg zu einem zügigen und auch flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen. „Flächendeckend“ heißt nicht, dass jede Schule so wird, aber Ganztagsschulen müssen für jeden in unmittelbarer Nähe, im Kreis erreichbar sein, sodass man keine weiten Wege hat, wenn man tatsächlich eine Ganztagsschule braucht.

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Ja, danke. – Mit dem Schuljahr 2011 wurde das neue Dreijahresprogramm aufgelegt. Das heißt, der Ausbau der Ganztagsschulen ist auch für die Kommunen eine sichere Option. Sie wissen also, wie die Ganztagsschulen über

mehrere Jahre finanziert werden. Wenn wir dieses Programm umsetzen, dann bin ich mir sicher, dass wir gemeinsam mit der CDU das Land Hessen zum Bildungsland Nummer eins in Deutschland machen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Kultusministerin Henzler, Sie haben das Wort.