Protokoll der Sitzung vom 08.05.2012

klar und deutlich erklärt, dass dieser Katalog weder verbindlich noch eine Verordnung, noch ein Gesetz sei. Er stelle lediglich das Ergebnis jahrzehntelanger Prüfungen des Rechnungshofs – also nicht irreal – bei den Kommunen dar und beinhalte deswegen Vorschläge zur möglichen Haushaltskonsolidierung. Das nennt sich Hilfe zur Selbsthilfe,

(Beifall bei der FDP und der CDU)

wie das ganze Gesetz. Wir werden diesem Gesetz zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Abg. Rudolph, SPD-Fraktion, gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Noll, wenn das Thema nicht so ernst wäre, könnte man sagen, es ist Karneval oder Fasching.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Aber das, was Sie hier gemacht haben, ist eine Beleidigung vor allem Tausender ehrenamtlicher Kommunalpolitiker,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

sich hierhin zu stellen und einmal locker flockig zu sagen, die haben das Geld nur zum Fenster hinausgeschmissen. Herr Noll, wenn ich es nicht besser wüsste – Sie haben aber offensichtlich keine Ahnung. Wir standen vor ein paar Monaten einmal hier draußen. Da hat Ihnen der Landrat Pipa einmal ein paar Takte gesagt. Ich darf es leider nicht zitieren, sonst würde ich wahrscheinlich gerügt. Recht hat Herr Pipa an der Stelle gehabt.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Was Sie machen, ist schon dreist. Erst nehmen Sie den Kommunen das Geld. Wir haben die „Aktion düstere Zukunft“ noch sehr gut in Erinnerung. Dann haben Sie die letzten Jahre weiter permanent einen Griff in kommunale Kassen gemacht, wo die Kommunen schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie ihre Pflichtaufgaben erfüllen sollen. Dann stellen Sie sich hin und nehmen erst einmal das Geld. Sie sind Brandstifter und spielen sich als Biedermann auf. Das glaubt Ihnen ja kein normal denkender Mensch mehr.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Suchen Sie sich einmal bei der Anhörung ein paar Facetten aus. Ja, es gibt Kommunen, auch bei mir im Landkreis, CDU-regiert, die haben teilweise 40 Millionen € Schulden, weil sie viele Pflichtaufgaben – bei der Grundversorgung, Wasser, Abwasser, Straßensanierung – wahrnehmen. Und deswegen stellen Sie sich hierhin und sagen, das Geld würde zum Fenster hinausgeworfen. Sie haben doch die Mittel für Frauenhäuser, für wichtige soziale Infra strukturmaßnahmen gekürzt, und die Landkreise sind teilweise eingesprungen. Auch das ist ein Ergebnis von kommunalen Schulden, weil Sie sich daraus zurückgezogen haben.

(Beifall bei der SPD)

Alle 21 Landkreise – ich wusste gar nicht, dass der Dette nicht mehr in der FDP ist, der wirkt jetzt für die CDU –, alle CDU-Landräte haben zusammen mit der SPD gesagt: Die Finanzaufsicht gehört zu den Kreisen; wir sind sehr wohl in der Lage, das fachgerecht zu prüfen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Noll, das, was Sie gemacht haben, ist geradezu abenteuerlich.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Sie merken ja auch, die Hütte brennt. Wir brauchen nicht mehr Netto vom Brutto. Die Kommunen brauchen endlich Geld zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Das beste Rezept ist, wenn die FDP nicht mehr in der Regierung ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Ui!)

Herr Noll möchte antworten. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Lieber Kollege Rudolph, ich kann verstehen, dass Sie von eigentlichen Kernproblemen ablenken wollen. Das werden Sie aber nicht können, auch wenn Sie mir unterstel

len, ich beleidigte die Kommunen. Nein, ich brauche doch bloß einmal nach Offenbach zu schauen. Dort wird ein Stadion gebaut. Die Stadt schießt 30 Millionen € dazu. Nennen Sie das in Anbetracht der finanziellen Situation einen sorgsamen Umgang mit eigentlich nicht vorhandenen Geldern?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn Sie sich ansehen, wie auf kommunaler Ebene reihenweise Einrichtungen geschaffen werden, die die Kommunen im Nachhinein finanziell erdrosseln, dann nennen Sie das einen normalen Vorgang? Meine Damen und Herren, nein, ich kann darin nur die Möglichkeiten in der Vergangenheit entdecken, mit Geld einfach so umzugehen, nicht vorhandenes Geld auszugeben, Infrastrukturen zu schaffen, die heute einen Erdrosselungseffekt ausüben. Deswegen sind Kommunen heute nicht in der Lage, auch ihren Pflichtaufgaben nachzukommen. Das nenne ich Ursache.

Herr Rudolph, tun Sie doch nicht so, als wäre das nicht. Sie können doch in Ihrem eigenen Beritt nachschauen. Wenn Sie als Zeugen den Herrn Pipa nehmen, dann sage ich Ihnen einmal, wie er als kommunale Finanzaufsicht gearbeitet hat.

Der hat die Stadt Bad Orb, die ohnehin am Rande des Abgrundes und eigentlich schon drin liegt, was die finanziellen Voraussetzungen betrifft, dazu verführt, sich in einen millionenschweren Vertrag zu begeben, der mit Sicherheit zu Zahlungen der Stadt führen wird, obwohl er das als Finanzaufsicht eigentlich hätte verhindern müssen. Das ist das, was ich gesagt habe.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Und dann erklären Sie mir, ich erklärte hier die Unwahrheit. Herr Kollege, bleiben Sie doch einmal bei der Wahrheit.

(Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt hat der Finanzminister Dr. Schäfer das Wort.

(Clemens Reif (CDU): Er sollte sich in einer persönlichen Erklärung entschuldigen! – Günter Rudolph (SPD): Der Pipa hat recht!)

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will das voraussichtliche Ende der parlamentarischen Debatte der zweiten Lesung noch einmal nutzen. Jenseits des Austauschs der Grundsatzpositionen im Landtag bietet sich aus unserer Sicht ein erfreulich differenziertes Bild in der Argumentation – nicht von allen Seiten des Hauses, aber es zeigt, dass die Herangehensweise an diese Problemlage sehr unterschiedlich ist –, je nachdem, ob man versucht, sich jenseits des Bemühens der Darstellung von Grundsatzpositionen von Regierung und Opposition eingehender mit den Sachfragen zu beschäftigen, wie das beispielsweise Frau Enslin getan hat, oder ob es einfach nur darum geht, die klaren Frontlinien einmal mehr an einem Punkt zu offenbaren oder deutlich zu machen, weil man glaubt, parteipolitisch davon profitieren zu können.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das sagen Sie aber jetzt dem Landrat im Kreis Bergstraße!)

Hinter all diesen Dingen finden erfreulicherweise parteiübergreifend sehr konstruktive Gespräche mit den betroffenen Kommunen statt. Die Kommunalen Spitzenverbände haben der Rahmenvereinbarung, die die Grundlage für dieses Gesetz war, parteiübergreifend mit sehr großer Einmütigkeit zugestimmt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Herr Schmitt ist dagegen!)

Ich glaube, es wird auch jenseits aller Probleme im Detail gelingen, diesen Prozess mit einem hohen Maß an Grundkonsens in der Sache weiter zu betreiben. Es war und es ist auch jedermann natürlich die Frage klar gewesen: Akzeptiere ich als Kommune das Angebot, nahezu die Hälfte meiner Schulden loszuwerden und mit der Tilgung dieser Schulden nichts mehr zu tun zu haben? Das gibt es außerhalb Hessens übrigens nirgendwo in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Alle anderen Bundesländer beteiligen die das Angebot in Anspruch nehmenden Kommunen auch an der Tilgung der Verbindlichkeiten. Insofern kann man mit Fug und Recht sagen, es ist ein einmaliges Angebot. Aber dieses Angebot hat natürlich zwei Seiten. Deshalb haben wir übrigens im Gegensatz zu den Kollegen in NordrheinWestfalen, für die Sie teilweise in diesen Tagen noch Wahlkampf machen, auf das schlichte Prinzip der Freiwilligkeit gesetzt.

Wir haben keine einzige Kommune gezwungen – und wir werden es auch nicht tun –, dort mitzumachen. Wer von sich aus sagt: „Ich löse meine Haushaltsprobleme aus eigener Kraft und eigener Anstrengung mit anderen Mitteln als der Teilnahme an dem Fonds“, wird von uns in der Zukunft mit der gleichen Fürsorge und Herzlichkeit wie diejenigen bedacht, die mitmachen. Das ist ein klares Prinzip der Freiwilligkeit.

Eines will ich gern hinzufügen. Ich mache mir ein bisschen Sorge, dass bei allen Detailfragestellungen – ob die Verzinsung dieses übernommenen Darlehens, auf zehn Jahre festgelegt, einschließlich der Zinsverbilligung geeignet ist, im ersten Jahr im Ergebnishaushalt einen signifikanten Senkungsbeitrag herbeizuführen oder nicht – eines übersehen wird:

Ich weiß nicht, ob Sie das „Handelsblatt“ von heute gelesen haben. Die großen Bankenverbände warnen zunehmend vor einer sich in sehr kurzen Fristen deutlich verschlechternden Finanzsituation der kommunalen Seite. Dort, wo heute Kassenkredite zu unglaublich niedrigen Konditionen gewährt werden, werden wir in sehr überschaubaren Zeiträumen eine andere Entwicklung haben.

Die Kommunen spüren es schon. Wo sich früher vier, fünf Banken darum gerissen haben, den Kassenkredit übernehmen zu können, gibt es heute manchmal nur noch ein Angebot, und das auch nur, weil es eine regional verwurzelte Bank ist. Die Bankenaufsichtsbehörden werden sehr schnell die Banken zwingen, die Kommunen danach zu beurteilen, welche Altverschuldung sie haben, um dann eine Entscheidung zu treffen, ob sie überhaupt noch Refinanzmöglichkeiten bekommen. Wenn sie sie bekommen, dann zu deutlich verschlechterten Konditionen.

Deshalb kann ich allen Kommunen, an die sich das Angebot richtet, nur dringlich raten, es sich sehr genau zu überlegen, ob sie diese Gelegenheit, die sicherlich nicht alle Tage kommt, ungenutzt vorbeigehen lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das Stichwort Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung ansprechen. Ich finde, die Diskussion wird an manchen Stellen ein Stück verkürzt. Zur kommunalen Selbstverwaltung gehört nicht nur die Berechtigung, vorhandenes Geld möglichst intelligent auszugeben, sondern zur kommunalen Selbstverwaltung gehört die Verantwortung für die Kommune als Ganzes und damit auch die Notwendigkeit, für Restrukturierungsentscheidungen Sorge zu tragen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist richtig!)

Es gibt in der Politik auf allen Ebenen, auch auf der kommunalen Ebene, keine Garantie für allzeit schönes Wetter. Auch in stürmischen Zeiten sind Kommunalpolitiker, Landespolitiker und Bundespolitiker gefordert, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Dafür sind sie gewählt und haben ein Mandat. Das ist der Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu diesen Entscheidungen haben wir von Beginn an klar gesagt: Wir werden uns nicht in Detailentscheidungen auf der kommunalen Ebene einmischen. Wir werden nicht sagen, welche Konsolidierungsmaßnahme eine Kommune zu ergreifen hat.