Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

Sie „müssen diesen... finden“, schreiben Sie. Wie soll ich das anders interpretieren, als dass Sie sagen, die Kinder müssten in ihrer „Wohnumgebung“ betreut werden. Dass es eben anders gemacht werden kann, muss dann wohl von mir ganz klar so gesehen werden.

Frau Schott, wenn Sie nur drei Sätze schreiben, dann kann ich daraus eben nicht mehr lesen, als das, was ich hier lesen kann. Daher ist es ganz klar, was Sie hier gesagt haben, und darauf habe ich reagiert. Stellen Sie es klar. Stellen Sie bessere Anträge, und dann kann ich auch anders reagieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Marjana Schott (DIE LINKE): Das ist unglaublich! – Thorsten SchäferGümbel (SPD): Legen Sie das doch mal dem Philologenverband vor!)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Wiesmann, CDU-Fraktion.

Ich möchte gern noch einmal ganz kurz auf den Punkt „rückwärtsgewandtes Familienbild“ eingehen.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Es ist nach meiner Überzeugung und nach Überzeugung meiner Fraktion ein großer Fortschritt – das hat auch Herr Kollege Rock vorhin schon gesagt –, dass Väter heute in der Familienarbeit verstärkt eine Rolle spielen, sich beteiligen wollen. Das ist übrigens ein wahrer Erfolg des Elterngeldes. Das Elterngeld ist eine Errungenschaft, weil es eine relativ große Zuwendung, nämlich in materieller Sorglosigkeit, Erziehung und Begleitung des eigenen Kindes, ermöglicht.

Frau Kollegin Wiesmann, gestatten sie eine Zwischenfrage?

(Bettina Wiesmann (CDU): Nein, es fällt mir schon schwer genug, mich bei diesen vielen Dingen zu konzentrieren!)

Gut, dann lassen wir das.

Damit ist verbunden, dass auch Väter darin ermutigt werden, durch Inkaufnahme eines kurzzeitigen Ausstiegs aus ihrer Berufstätigkeit tatsächlich eine stärkere Rolle in der kindlichen Begleitung und im familiären Miteinander zu spielen. Das ist auch die Logik unseres Vorschlags. Es ist immerhin anerkannt worden, dass wir an ein paar Punkten eine Nachschärfung der Konzeption vorschlagen. Es geht um einen erweiterten Spielraum von Eltern, sich für eine begrenzte Zeit in stärkerem Maße selbst ihren Kleinstkindern zuzuwenden.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU))

Das hat nichts mit „zu Hause bleiben“, „verstaubtem Familienbild“, „einseitiger Arbeitsteilung“, „Bevormundung von Frauen“, „rückwärtsgewandtem Geschlechterverhältnis“ oder Ähnlichem zu tun.

Ich weise das wirklich zurück. Es tut der Sache unrecht, und es dient nur der ideologischen Verhärtung von unsinnigen Diskussionen in diesem Lande.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es ist das Schlusswort.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Marcus, erkläre es ihnen noch einmal!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es in der Tat müßig, sich gegenseitig zu unterstellen, welches Weltbild man im – –

(Günter Rudolph (SPD): Höher, man versteht dich schlecht!)

Herr Kollege Bocklet, es wird gebeten, dass Sie das Rednerpult etwas höher stellen. Die SPD-Kollegen hören nichts, schwerhörig.

(Günter Rudolph (SPD): Wir verstehen es wenigstens ansonsten!)

Ist es jetzt besser?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Gut. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Wiesmann, ich glaube, dass es in der Tat nicht zielführend ist, sich gegenseitig zu unterstel

len, dass Sie das konservativste Weltbild hätten oder dass dort drüben die sozialistischen Zwangsbeglückungen sitzen. Ich glaube, dass das in der Sache nicht wirklich weiterführt. Es führt, so glaube ich, in der Sache aber weiter, sich mit Ihren Argumenten der Wahlfreiheit auseinanderzusetzen.

Frau Wiesmann, nehmen Sie Ihre eigene Argumentation ernst. Sie sagen ähnlich wie Frau Staatssekretärin MüllerKlepper beim letzten Mal hier im Plenum für die Landesregierung, die U-3-Betreuungsplätze und das Betreuungsgeld seien keine Alternativen, die sich ausschließen, sondern zwei Seiten einer Medaille.

Wenn man das sagt, dann hat man nichts verstanden, weil es mit 150 € im Monat nicht geht, seinen Lebensalltag wirtschaftlich zu gestalten. Das ist Fakt. Damit schaffen Sie keine Wahlfreiheit, sondern bestenfalls ein Bonbon für diese Eltern. Sie müssen deswegen doch einmal zur Kenntnis nehmen: Wenn Sie als Frau zu Hause sitzen und einen Betreuungsplatz brauchen, dann kann man nicht von Wahlfreiheit sprechen.

Die Wahlfreiheit, ob ich zu Hause bleibe oder arbeiten gehe, die habe ich dann doch nicht. Tausende von Frauen suchen sich das nicht aus. Sie müssen arbeiten gehen. Sie haben diese Wahlfreiheit nicht. Dann nutzen ihnen die 150 € nichts. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Es würde ihnen aber nutzen, wenn sie eine Infrastruktur haben. Frau Wiesmann, deswegen muss man in Infrastruktur investieren. Das tun Sie nicht in ausreichendem Maße, weil Sie kein Geld haben. Weil Sie kein Geld haben, weigern Sie sich, mehr Geld auszugeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Gottfried Milde (Gries- heim) (CDU): Das wird doch gemacht!)

Herr Kollege, das stimmt. 11 Millionen € im Jahr 2012, 30 Millionen € im Jahr 2013, und es werden immer noch 8.000 Plätze fehlen. Dann sagt Herr Grüttner hier am Pult: „Wir haben nicht mehr Geld.“ Natürlich hat er nicht mehr Geld. Warum? Weil wir es für Betreuungsgeld herausschmeißen. Man hat jeden Euro nur einmal. Man muss ihn verantwortlich ausgeben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU)

Letzter Satz zu der Wahlfreiheit. Frau Wiesmann, Sie sagen: „Stocken wir das Betreuungsgeld doch von 150 auf 300 € auf.“ Ich fände es schlauer, diesen Ansatz zu verwirklichen, indem man die Elternzeit verlängert. Die Elternzeit geht momentan 12 Monate, wenn es zwei Partner machen, 14 Monate. Da bekommt man ein ordentliches Einkommen, das es tatsächlich ermöglicht, nicht arbeiten zu gehen, sondern zu Hause zu bleiben.

Ich fände die Debatte wirklich spannend – wir führen sie auf Bundesebene auch –, wie man die Elternzeit finanzpolitisch klug weiterentwickelt, um den Menschen zu ermöglichen, zu Hause zu bleiben und sich um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern – aber dann auch wirtschaftlich auskömmlich und nicht nur mit einem Gutsje vor die Füße geschmissen, mit 150 € Fernhalteprämie. Das ist der entscheidende Unterschied. Weder Anerkennung noch Wahlfreiheit – das ist das Symbol, das Sie senden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Es gibt keine weitere Wortmeldung.

Die Kollegen der LINKEN haben darum gebeten, dass ihr Entschließungsantrag ebenfalls an den Sozialpolitischen Ausschuss überwiesen wird. – Ich sehe, es gibt keinen Widerspruch. Dann überweisen wir beide Anträge an den Sozialpolitischen Ausschuss.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte am Universitätsklinikum Gießen und Marburg – Drucks. 18/5588 –

mit dem Tagesordnungspunkt 73:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Chance zum Neuanfang beim Universitätsklinikum Gießen-Marburg nutzen – bestmögliche Patientenversorgung und einen international erfolgreichen Wissenschaftsstandort aufbauen – Drucks. 18/5641 –

Die Redezeit beträgt 7,5 Minuten. Der Gesetzentwurf wird eingebracht von Herrn Kollegen Dr. Spies, SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg ein Fehler war, ist und bleibt,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

mag man kaum mehr konstatieren, so oft haben wir das in letzter Zeit gehört und feststellen müssen. Allein die Erkenntnis greift auch in diesem Hause um sich. Das ist ein wichtiger Fortschritt und in der aktuellen Lage sicherlich hilfreich, um die ernsten und schwierigen Probleme in Gießen und Marburg anzugehen.

Das erste Problem ergibt sich insbesondere aus der Störung des Verhältnisses zwischen der Landesregierung und der Rhön-Klinikum AG und dem anschließenden Angebot der Fresenius AG sowie den sich daraus ergebenden Unsicherheiten für die Beschäftigten am Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Mehr Unruhe braucht der Standort ganz bestimmt nicht.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Wer ist für die Unruhe verantwortlich?)

Es ist nötig, dass wir zu einer Beruhigung und zu Besonnenheit beitragen, um zu vernünftigen Lösungen für Gießen und Marburg zu kommen und in der Zwischenzeit keinen unnötigen Schaden anzurichten.

Die Tatsache, dass aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes nun zumindest die Hälfte der Beschäftigten das Recht hat, zu überprüfen, ob sie zum Land Hessen zurückkehren wollen oder nicht, führt zu einer zusätzlichen Beunruhigung; denn es ist nicht damit zu rechnen – das hat die Frau Ministerin im Ausschuss ausführlich ausgeführt –, dass die Frage des Betriebsübergangs, die Frage einer Übernahme durch Fresenius, dass alle Konsequenzen bei dem breiten Spektrum der Möglichkeiten bis hin zu einem vollständigen Rückkauf durch das Land bis zum 30.06. geklärt sind.

Deshalb ist es richtig, angemessen und entspricht dem Wortlaut wie dem Zweck des Verfassungsgerichtsurteils zur Arbeitnehmerüberlassung am Universitätsklinikum, diesen Zeitraum auszudehnen. Das Verfassungsgericht hat festgestellt: § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Gesetzes über die Errichtung des Universitätsklinikums waren mit dem Grundgesetz unvereinbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2011 eine Neuregelung zu treffen. – Das hat er getan. Mehr steht da nicht drin, insbesondere nicht, innerhalb welcher Frist die Umsetzung stattzufinden hat.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah drei Monate vor. Das wurde in den Beratungen auf sechs Monate verlängert, aus guten Gründen. Bis eine Entscheidungsklärung stattgefunden hat, vergehen möglicherweise weitere neun Monate. Deshalb ist überhaupt nicht erkennbar, warum nicht weitere drei oder sechs Monate vollständig mit dem Urteil übereinstimmen können. Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass auch Frau Ministerin, jedenfalls laut der „Oberhessischen Presse“ von Montag, dieser Frage aufgeschlossen gegenübersteht.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))