Am Hörscreening, sozusagen der Paralleluntersuchung für Hörerkrankungen, die ebenfalls im frühkindlichen Alter, wenn sie denn diagnostiziert werden können, besser behandelt werden können, haben 96 % der Kinder in Hessen teilgenommen. Auch das ist noch eine sehr gute Quote.
Die Gesetzesnovelle betrifft insbesondere diese beiden Untersuchungen. Was das Stoffwechselscreening angeht, hat der Bund im Jahr 2009 das Gendiagnostikgesetz verabschiedet und damit von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Das heißt, der Bund hat eine abschließende Regelung getroffen. Wir als Land Hessen können hier nichts mehr regeln. Das heißt, der Passus im alten hessischen Gesetz, dass diese Untersuchungen verpflichtend sind, wird gestrichen. Der Bund hat jetzt verfügt, dass diese Screenings vom Einverständnis der Eltern abhängig gemacht werden können. Insoweit hat der Bund hier eine abschließende Regelung getroffen, und der alte Passus wird gestrichen.
Was das Hörscreening anbelangt, enthielt das alte Gesetz eine etwas missverständliche Formulierung, die die Eltern dazu veranlasst hat, zu glauben, dass dieses Screening verpflichtend ist. Es ist aber ein freiwilliges Screening. Das wird jetzt durch eine redaktionelle Änderung klargestellt.
Die dritte zentrale Änderung dieses Gesetzes lautet, dass ein Vertreter der hessischen Jugendämter in den Beirat beim Kindervorsorgezentrum aufgenommen wird. Das ist eine sehr sinnvolle Ergänzung, da der bisherige Beirat sehr stark von medizinischer Kompetenz dominiert wird. Auch das ist zwar sehr sinnvoll, aber die Hinzunahme eines Vertreters der Jugendämter garantiert, dass hier eine bessere Verzahnung zwischen medizinischen Maßnahmen und den Maßnahmen der Jugendämter stattfindet. Das trägt insbesondere auch der Kritik Rechnung, die es in der Praxis teilweise gegeben hat, und garantiert, dass wir in Zukunft ein besseres Verfahren in der Praxis gewährleisten können.
Alles in allem handelt es sich hier um maßvolle Änderungen eines Gesetzes, das sich in der Praxis bewährt hat. Wir sehen der Anhörung deswegen mit großer Erwartung entgegen und werden dem Gesetzentwurf natürlich zustimmen. Wir denken, wir ändern ein sehr gutes Gesetz, das
Vielen Dank, Herr Mick. – Herr Bocklet, Sie haben jetzt das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf und die vorliegenden Änderungen entsprechen im Wesentlichen einer Verlängerung des bestehenden Kindergesundheitsschutzgesetzes von 2007. Insofern bleiben wir GRÜNEN bei unserer Position, damals vorgetragen von meiner Kollegin Kordula SchulzAsche, dass die verpflichtenden Untersuchungen ein richtiger und ein wichtiger Schritt waren und sind. Ich glaube, dass die letzten fünf Jahre gezeigt haben, dass die Einführung dieser verpflichtenden Untersuchungen richtig war, und ich glaube, die Untersuchungen bleiben wichtig. Insofern betone ich für meine Fraktion noch einmal: Die Einführung dieses Gesetzes war aus heutiger Sicht richtig.
Wir haben im Januar 2011 einen Berichtsantrag behandelt, bei dessen Beantwortung Herr Minister Grüttner zu Recht gesagt hat – das möchte ich Ihnen entgegnen, Herr Dr. Spies –: Es ist unwidersprochen so, dass damit in der Tat ein bürokratischer Aufwand verbunden ist, wie man gerade von den kommunalen Gesundheitsämtern erfährt. – Herr Grüttner hat aber recht, wenn er sagt: Wenn angesichts dieses Aufwandes auch nur zwei Fälle zutage treten oder verhindert wurden, dann hat sich der Aufwand gelohnt.
Frau Ravensburg, Sie haben gesagt, dieses Gesetz sei nur ein Baustein eines wirksamen Kinderschutzes. Das hat mich ein bisschen enttäuscht; denn man konnte nachlesen, dass wir damals auch gesagt haben, es bedarf einer noch besseren Vernetzung vieler Akteure, der betroffenen Institutionen und der Ämter, es bedarf auch des Ausbaus des Angebots an frühen Hilfen. Insofern ist für uns GRÜNE nicht entscheidend, was in diesem Gesetzentwurf steht, sondern viel entscheidender ist, was Sie nicht aufgenommen haben: die Ergebnisse der Debatte von 2007, die Antworten auf verschiedene Fragen. Wie bekommen wir mehr frühe Hilfen? Wie bekommne wir Hilfen für Eltern, die überfordert sind? Denn eines ist doch klar: Die Vernachlässigung von Kindern und die Gewalt gegen Kinder sind keine spontanen Ereignisse. Sie beginnen häufig mit einem chronischen Mangelzustand bei der physischen, emotionalen und sozialen Versorgung eines Kindes. Das ist ein langer, schleichender Prozess. Um das aufzudecken, bedarf es der Etablierung von Netzwerken, die den Eltern präventiv, interdisziplinär, niedrigschwellig und sanktionsfrei zur Verfügung stehen. Das wir haben damals auch gefordert.
Herr Mick, Kollegen von der CDU, ich glaube, es wäre an der Zeit, fünf Jahre nach Einführung dieses Gesetzes all das zu evaluieren. Deshalb befristen wir die Gesetze ja. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass wir eine schriftli
che Anhörung brauchen, damit wir nicht nur erfahren, ob die Meldungen funktioniert haben, sondern auch, ob die begleitenden, unterstützenden Maßnahmen, Vernetzungen, frühen Hilfen und vieles andere mehr, was damals versprochen wurde, tatsächlich gegriffen haben und auch hinreichend sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, da muss ich sagen: Die erste Analyse ist eher ernüchternd. Wir haben viele Modellprojekte – ich nenne nur ein Beispiel, die Familienhebammen –, und die weiten Sie wieder einmal aus, anstatt sie flächendeckend einzuführen. Ich gebe Ihnen noch weitere Fragen mit auf den Weg: Wo sind die Netzwerke präventiver Hilfen für alle Eltern? Gibt es aufsuchende Hilfe für die Eltern? Wo bleiben die Elternkompetenzzentren, die Sie im Ansatz geschaffen haben? Erfolgt eine flächendeckende Einführung? Wo bleiben die Konzepte für frühe Hilfen – gerade jetzt, wo der Bund ein Kinderschutzgesetz auflegt und uns als Bundesland anbietet, dort einzusteigen? Wo bleiben Ihre Umsetzungskonzepte?
Wenn man immer und immer wieder betont, dass die Gesundheitsvorsorge einer der Bausteine ist, dann muss man auch dokumentieren können, was man mit den anderen Bausteinen getan hat. Gerade angesichts Ihrer Streichungen – das soll jetzt gar nicht viel Öl ins Feuer gießen – bei den Erziehungsberatungsstellen, bei den Familienbildungsstätten, bei den Mütterzentren, bei den Spiel- und Lernstuben in sozialen Brennpunkten, die im letzten Jahrzehnt geschehen, aber nicht vergessen sind, ist insbesondere die CDU in der Pflicht, ihre Glaubwürdigkeit zu dokumentieren, indem sie neben den Vorsorgeuntersuchungen die genannten Begleitmaßnahmen tatsächlich einrichtet. Wir haben daran nach fünf Jahren große Zweifel.
Ich habe es zusammenfassend schon einmal gesagt: Der Schritt, verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen einzuführen, war richtig. Ich glaube, es bedarf darüber hinaus weiterer Maßnahmen, um die Kinder zu schützen. Wir brauchen mehr Fortbildung, wir brauchen frühe Hilfen, wir brauchen aufsuchende Hilfen – all das, was ich schon erwähnt habe –, um an die Kinder heranzukommen.
Ich wünsche mir, dass wir diese Diskussion nicht nur systemimmanent führen, wie es bisher der Fall ist, sondern uns auch fragen: Haben die Untersuchungen bürokratisch gesehen geklappt? Haben sich tatsächlich alle gemeldet? Wie hoch sind die Meldequoten? Das muss man evaluieren.
Die Überschrift lautet aber: Schützen wir unsere Kinder optimal? Wenn wir ein solches Gesetz nach fünf Jahren wieder vorliegen haben, dann müssen wir alle diese begleitenden Umstände mit evaluieren. Wir wollen wissen, ob das Land Hessen noch mehr tun muss, damit unsere Kinder optimal geschützt sind.
Wir sind jetzt in der ersten Lesung. Ich will zum Abschluss nur so viel sagen: Meine Fraktion hat große Zweifel daran, dass alle Begleitmaßnahmen, die wir damals versprochen haben, die wir gefordert haben – sogar in einer eigenen Gesetzesvorlage, die Kordula Schulz-Asche damals hier vorgestellt hat –, umgesetzt wurden, obwohl alle diese Maßnahmen dringend notwendig wären, um den Schutz der Kinder auf ein Optimum zu heben.
Wir warten die Anhörung ab. Wir wollen die Experten aber auch befragt wissen. Zur zweiten Lesung sehen wir uns wieder.
Momentan gibt die Landesregierung folgendes Bild ab: Bei der Intervention – in diesem Zusammenhang also die Vorsorgeuntersuchung – war man schnell bei der Hand, während man sich bei der Prävention extrem viel Zeit lässt. Insofern ist unser Fazit: Das, was man in Bezug auf die Vorsorgeuntersuchungen gemacht hat, war zwar richtig, aber bei der Prävention bleibt noch viel zu tun. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt, nach fünf Jahren, steht die Novellierung des Hessischen Kindergesundheitsschutz-Gesetzes an. Ich möchte daran erinnern, weswegen wir dieses Gesetz hier auf den Weg gebracht haben. Hessen hat nämlich im Jahr 2007 mit dem Kindergesundheitsschutz-Gesetz die Vorreiterrolle in Deutschland übernommen.
Wir haben diese Maßnahmen damals nach einer sehr eindrucksvollen Anhörung – ich glaube, das können alle Kolleginnen und Kollegen, die damals dabei waren, bestätigen – auf den Weg gebracht. Wir waren davon überzeugt, dass die Kindervorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 – damals fehlte noch eine – verpflichtend sein müssen, und wir waren uns auch darin einig, dass wir dies in irgendeiner Form begleiten müssen.
Deshalb haben wir mit diesem Gesetz das Kindervorsorgezentrum als zentrale Anlaufstelle geschaffen, und wir haben ihm die Aufgabe zugedacht, die verbindliche Teilnahme an den U-Untersuchungen zu überwachen. Man sollte sich aber während der Geltungsdauer eines solchen Gesetzes immer überlegen, ob das so richtig ist oder ob man Änderungen vornehmen sollte.
Deshalb bin ich Herrn Staatsminister Grüttner auch dankbar. Es war ein richtiger Schritt, zu sagen: Wir ändern das. Statt Mahnungen zu verschicken, gestalten wir ein Einladungsverfahren. – Das hat die Akzeptanz dieses Verfahrens sehr verbessert, und deshalb finde ich es auch positiv, dass es so gekommen ist.
Daneben – das ist erwähnt worden – gibt es das Neugeborenenscreening. Die Impfrate konnte erhöht werden. Herr Dr. Spies, da muss ich Ihnen leider widersprechen: In Hessen hatten wir die Situation, dass Kinderkrankheiten, von denen wir glaubten, dass sie nicht mehr auftreten würden – als Beispiel nenne ich die Masern –, aufgrund einer zu geringen Impfquote plötzlich wieder auftraten. Deshalb war es richtig und sinnvoll – dazu stehe ich auch heute noch –, dass die Eltern von Kindern, die in Kindertagesstätten, also in große Gruppen, geschickt werden, darauf hingewiesen werden, dass sie ihre Kinder impfen lassen oder genau begründen müssen, warum sie nicht geimpft werden sollen.
Ich möchte daran erinnern, dass wir alle damals durch schlimme Fälle von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung aufgeschreckt wurden, die zum Teil sogar – auch in Hessen – zum Tod der betreffenden Kinder führten. Daher waren wir uns damals im Parlament alle einig, dass das staatliche Handeln auf allen Ebenen verbessert werden muss.
Das Bundeskinderschutzgesetz und das Hessische Kindergesundheitsschutz-Gesetz bilden deshalb gemeinsam den Rahmen eines Schutznetzes, und sie sind eng miteinander verzahnt. Das ist ganz wichtig. Ziel war und ist es, ein Netz des Kinderschutzes über dem Land aufzuspannen, um unsere Jüngsten und Schutzlosesten, also unsere Kinder, aufzufangen.
Wir haben in Hessen ein Programm mit dem Titel „Keiner fällt durchs Netz“. Das ist nicht nur ein Programm, um frühe Hilfen auf den Weg zu bringen, sondern das war und ist das Ziel der hessischen Kinderschutzpolitik.
Seit 2007 ist in Sachen Kinderschutz viel geschehen. Ich möchte erwähnen, dass der beste Kinderschutz nach wie vor ein aufmerksames Umfeld ist. Bei allem, was rund um die Kinder passiert, sollte man hinschauen, statt wegzusehen. Das gilt heute genauso wie damals.
Auch ist mehr Sensibilität bei all denen erforderlich, die einen direkten Zugang zu Kindern haben: von der Familie über die Erzieher, die Jugendämter und die Gerichte bis zu den Ärzten und den Hebammen – um nur einige zu nennen. Sie alle sollten die Rolle von Knoten im Netz des Kinderschutzes in Hessen übernehmen.
Die damalige Expertenanhörung zeigte uns aber Mängel auf, die zu beseitigen waren. So wurde eine bessere Aufklärung über das Erkennen von Anzeichen für Kindesmisshandlung und -vernachlässigung eingefordert. Zudem stellten sich Schulungen als notwendig heraus, um besser darüber aufklären zu können, welchen Handlungsspielraum und welche Handlungsmöglichkeiten z. B. die Jugendämter in Hessen haben.
Ganz wichtig war vor allem auch die Verbesserung der Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Die Diskussion stand damals wie heute unter dem Motto: Kindeswohl geht vor Datenschutz. – Das war uns bereits damals klar und wurde uns, auch vom Hessischen Datenschutzbeauftragten, bestätigt. Trotzdem ist es richtig, dass in dem neuen Bundeskinderschutzgesetz eine Präzisierung erfolgt ist; denn es gab nach wie vor Verunsicherungen.
Im Mittelpunkt des Hessischen KindergesundheitsschutzGesetzes steht das Kindervorsorgezentrum in Gießen und Frankfurt. Es sollte selbstverständlich sein, dass alle Eltern ihre Kinder zu allen neun U-Untersuchungen schicken. Damals hatten wir eine Beteiligung von 80 %; jetzt haben wir eine Quote von 98 %. Ich finde, allein das ist eine Bestätigung für dieses Gesetz.
Eine Lücke – die wir ebenfalls bereits im Jahr 2007 erkannt hatten – tat sich bei Familien auf, die von einem Jugendamtsbezirk zum anderen wanderten, und vor allem bei Familien, die von einem Bundesland in das andere zogen oder auch nur zu einem Arzt in einem anderen Bundesland gingen. Diese Aufgabe konnte nicht von uns gelöst werden. Deshalb ist es sehr begrüßenswert, dass das jetzt im Bundeskinderschutzgesetz geregelt ist: die Übermittlung der Daten von einem Jugendamt zum anderen
Immer wieder wird über die Erfolgsquote diskutiert. Die Kollegen haben sie erwähnt, und Herr Spies hat sie infrage gestellt. Ich bin derselben Meinung wie Herr Bocklet, nämlich dass sich keiner von uns anmaßen sollte, zu entscheiden, ob zwei oder zehn aufgedeckte Fälle der Maßstab unseres Handelns sind.
Ich finde, in Hessen muss jedes Kind gefunden werden, das Hilfe braucht. Die Nichtteilnahme an U-Untersuchungen ist ein Warnzeichen. Sie kann auch ein Hilferuf überlasteter Eltern sein. In jedem Fall ist eine berechtigte Meldung ein Alarmzeichen, das den Jugendämtern signalisiert, dass sie näher hinschauen sollen. Daher sind sie nicht nur Auslöser für die Aufdeckung von Kindesmisshandlungen, sondern sie sind auch ein Weg, um die Familien zu finden, die Jugendhilfemaßnahmen brauchen.
Herr Bocklet, deshalb sage ich: Man kann nie genug tun; darin stimme ich Ihnen zu. Aber Hessen hat viel auf den Weg gebracht. Die Hessische Landesregierung hat die Familienzentren, die Weiterbildung der Mitarbeiter – die besonders wichtig ist, wie ich schon erwähnt habe – und die Familienhebammen auf den Weg gebracht. Das ist mittlerweile ein bundesweites Vorbild, das jetzt aus Berlin zu uns zurückkommt.