Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist ein starkes Argument!)

Wenn man den schlanken Staat will, dann muss man ihn auch machen – vor allem im eigenen Verantwortungsbereich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr Wilken das Wort. Es ist eine Redezeit von sechs Minuten vorgesehen. Ich sage das nur, weil die letzten Redner das alles wieder ausbügeln müssen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Honka, wenn Sie schon so sehnsüchtig darauf gewartet haben,was wir denn hier zu sagen haben,dann beginne ich ganz deutlich: Ja, selbstverständlich gibt es von uns ein ausdrückliches Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat, und selbstverständlich gibt es von uns ein ausdrückliches Bekenntnis zur Stärkung der individuellen Rechte.

Daraus folgt aber eben auch, dass die Einzelnen in ihren Rechten geschützt werden müssen. Und das heißt eben auch, dass zeitnah Recht gesprochen werden muss.

Dazu brauchen wir deutlich mehr Richterinnen- und Richterstellen, beispielsweise an den hessischen Sozialgerichten, als Sie in Ihrem Haushalt vorsehen.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Heike Hof- mann (SPD))

Meine Damen und Herren, in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gilt nach unserer Auffassung auch das Resozialisierungsziel im Strafvollzug.

Wie Sie dieses Ziel mit Ihrer lakonischen Kennzahl für die Leistungswirkung des hessischen Strafvollzugs, also die Effektivität, mit der Angabe „Ausbruchsquote“ erzielen wollen, ist uns vollkommen schleierhaft. Das ist Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Resozialisierung bedeutet, im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben in Freiheit zu führen. Das aber überprüfe ich nicht mit einer Ausbruchsquote.

Herr Hahn, auch für Gefangene gilt die Würde des Menschen. Wie dies mit 2,09 c pro Häftling und Tag für den Einkauf von Lebensmitteln im hessischen Justizvollzug zusammengeht, ist uns vollkommen schleierhaft.

Herr Jürgens hat gerade darauf hingewiesen: Prävention ist in diesem Haushalt eine absolute Nullnummer. Stattdessen schaffen Sie neue Arrestplätze, von denen Sie selbst gesagt haben, dass wir sie nicht brauchen.

Auch von mir ein letzter Gedanke zum Arbeitsbereich Integration.Wir begrüßen es ausdrücklich, dass dieses wichtige Aufgabengebiet nun auch im Namen des Ministeriums geführt wird. Aber, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Hahn, Integration braucht ein Konzept. Dazu reicht es jedoch nicht, hoch dotierte Versorgungsstellen für die FDP im Ministerium zu schaffen.

Wir sind immer dafür, Stellen zu schaffen – aber wir sind gegen diese Selbstversorgungsmentalität. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Herr Kollege Wilken. – Herr Minister Hahn, bitte.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Redebeiträge insbesondere des Kollegen Dr. Jürgens und des Kollegen Wilken provozieren einen fast dazu, sie zu fragen, ob sie sich vorher den Haushalt angeschaut haben. Aber wir haben vorher gemeinsam eine kursorische Lesung durchgeführt.

(Hugo Klein (Freigericht) (CDU): Die haben dabei nicht zugehört!)

Deshalb wundere ich mich sehr, dass Sie jetzt mit diesen Urteilen kommen, die schlicht und ergreifend Vorurteile sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Denn ein Blick in den Haushalt hätte gezeigt, dass es auf der einen Seite eine Vielzahl von Maßnahmen im präventiven Bereich gibt, die gerade in diesem Ministerium, teilweise neu in diesem Ministerium, abgearbeitet werden.

Darüber hinaus hätten Sie sicherlich auch zur Kenntnis nehmen können, wenn Sie es gewollt hätten, dass wir die Arbeit in der Integration natürlich auch zu einem Teil als Präventionsarbeit sehen.

(Beifall bei der FDP)

Das zeigt sich beispielsweise daran, dass der Botschafter des Landes Hessen gegen Gewalt, der Spielführer der Eintracht Frankfurt, Amanatidis, bei einer Pressekonferenz mit mir vor 14 Tagen sehr bewusst gesagt hat, dass es einen ganz engen Zusammenhang zwischen einer guten Integrationsarbeit, einer guten Sprachförderung und einer Anti-Gewalt-Arbeit gibt. Das ist die Grundlage unserer Arbeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

In der Verhaltensweise des Kollegen Dr. Jürgens in den letzten vier Wochen mir gegenüber merke ich,dass er jetzt schon vieles ganz anders sieht als noch vor vier Wochen. Man tauscht sich über Ideen aus.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Was zum Beispiel?)

Ach, Ihre Verhaltensweise, in der Sie sich mir gegenüber im Zusammenhang mit einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Darmstadt benehmen wollten – als dann die

Vizepräsidentin des Hessischen Landtags in der Sitzung des Rechtsausschusses dieses Thema ordentlich und objektiv, aber gegen Ihren Willen, Herr Dr. Jürgens, beendet hat. Das meine ich. Sie wollten Radau machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie wollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Hessen vorführen. Das unterscheidet uns. Ich lasse es als Minister nicht zu, wenn Parteipolitik auf dem Rücken von Staatsanwälten, Justizvollzugsbeamten oder Richtern gemacht werden soll.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU– Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Kollege Dr. Jürgens, wenn Sie das gerne tun wollen, dann setzen Sie sich mit mir auseinander, oder mit Herrn Dr. Kriszeleit oder mit Frau Beer – aber nicht auf diese Art und Weise, wie Sie sich mit der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Darmstadt auseinandergesetzt haben.

Das hat aber Frau Sorge gemerkt und hat dann – damit es jeder hier im Raume weiß – im Ausschuss die richtige Konsequenz gezogen und sich beim Ministerium ausdrücklich für die objektive Berichterstattung im Namen der GRÜNEN bedankt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben im Justizbereich eine Reihe von Schwerpunkten. Ich bin den Kollegen Honka und Müller sehr dankbar, dass sie diese schon aufgezählt haben. Wir möchten, dass in unserem Lande die Wirtschaftsstrafsachen noch intensiver,gebündelter und mit noch mehr Fachwissen bearbeitet werden.Auch wenn es im Jahre 2007 nur 1 % der Straftaten in Hessen waren, die etwas mit Wirtschaftskriminalität zu tun hatten, so haben sie über 40 % der Schäden ausgemacht, die der Volkswirtschaft entstanden sind. Da muss der Staat noch intensiver handeln, und daher haben wir, aufbauend auf dem Kompetenzzentrum der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Frankfurt, nunmehr vor,eine oder auch zwei Wirtschaftsstrafabteilungen einzurichten, damit diejenigen, die sich im Bereich der Weiße-Kragen-Kriminalität bewegen, wissen: Es ergibt keinen Sinn, in Hessen derartige Gesetze zu missachten. Die Justiz wird sie den gerechten Entscheidungen der dritten Gewalt zuführen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schwerpunkt Nummer 2 ist die Internetkriminalität.Es ist das, was jede Bürgerin und jeden Bürger derzeit immer wieder treffen kann. Daher müssen wir zusätzliches technisches, aber auch juristisches Know-how zusammenbinden. Das wird im Rahmen einer Abteilung, einer Einheit der Generalstaatsanwaltschaft in Gießen spätestens im Herbst – ich hoffe, schon kurz nach den Sommerferien – eingerichtet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der dritte Schwerpunkt ist die Bekämpfung der Jugendkriminalität. Ich darf Ihnen sagen, ich kann mich noch daran erinnern – und ich hoffe, es ist noch für jeden hier im Hause aktuell –, was ich im Januar 2008 im Rahmen der Debatte gesagt habe. Glaubwürdigkeit bedeutet auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass ein Problem gelöst ist; und das ist das Problem des Arrestes. Ich sage ausdrücklich: So etwas hat es in der Geschichte von Bürokratie bisher selten gegeben,

dass innerhalb von nicht einmal acht Wochen eine neue Jugendarrestanstalt in Friedberg ans Netz gehen konnte. Das ist eine Auszeichnung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung,dem Gericht und natürlich dem Ministerium und – das sage ich ausdrücklich – Jürgen Banzer, meinem Vorgänger.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Treppenwitz der Geschichte ist jetzt – das habe ich noch nie gehört, das ist etwas Neues –, dass dem Justizminister vorgeworfen wird, dass er dafür Sorge trägt, dass zusätzlich noch Arrest- bzw. Haftplätze geschaffen werden. Ich kann mich daran erinnern, dass in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts meinem Vorvorgänger vorgeworfen wurde, dass er viel zu wenige Plätze hat. Jetzt wird mir auf einmal vorgeworfen, dass wir planen, eine begonnene Erweiterung der Jugendarrestanstalt in Gelnhausen weiterzuführen. Ein bisschen Logik in der Argumentation wäre schon ganz nett.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen hier ganz deutlich – ich lasse keine Zwischenfragen zu; ich beantworte sie auch so –,

(Heiterkeit)

dass wir zunächst einmal den Ausbau durchführen. Herr Dr.Jürgens,dann werden wir schauen,ob Sie Recht haben oder die Fachleute. Die Fachleute sagen, wir brauchen ungefähr 100 Arrestplätze. Sie haben eben behauptet, 60 bis 70 reichten. Schauen wir doch einmal – dann haben wir die Auswahl.Wenn Gelnhausen fertig ist, dann haben wir dort 74 Plätze und können uns überlegen, ob wir dort den Jugendarrest wieder bündeln.Wenn wir aber mehr Plätze brauchen, dann brauchen wir Friedberg, und wenn Friedberg frei ist

(Zurufe des Abg. Dr.Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Dr. Jürgens, ich habe das Mikrofon –, dann können wir diese Plätze z. B. dafür nutzen, dass wir Entlastungen bei Anstalten vornehmen, die umgebaut werden müssen, wo es einen Druck auf die Plätze gibt.

Meine Damen und Herren, bitte hauen Sie mich für alles Mögliche; aber wenn ich zusätzliche Haft- und Arrestplätze schaffe, dann habe ich das Gefühl, das ist der falsche Ball.