Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich der Kollege aus Berlin dieses Prozesses auch engagiert für uns alle angenommen hat. Wir, die Justizminister der Bundesrepublik Deutschland, haben uns über die Thematik schon mehr als einmal ausgetauscht. Für mich ist es folgerichtig, dass man über die Aufhebung der Urteile auf alle Fälle nachdenken muss, die in der Bundesrepublik bis 1969 auf der Grundlage der von Herrn Klose und anderen schon erwähnten Vorschrift des § 175 StGB erlassen worden sind.

Deshalb bin ich sehr dankbar, weil es natürlich gewisse neue Strukturen der Rechtsetzung in Deutschland betrifft, dass wir heute keinen Schnellschuss machen, sondern dass wir uns inhaltlich damit auseinandersetzen. Ich bin auch gern bereit, dass das Ministerium die entsprechenden Sachverhalte und rechtlichen Beurteilungen schon einmal zur Vorbereitung der Auseinandersetzung im Rechtsausschuss zusammenstellt, damit wir auf einem etwas anderen Niveau diskutieren, als das in den Zeitungen steht.

Ich gehe fest davon aus, dass der Rechtsausschuss des Hessischen Landtags eine sehr angemessene Diskussion führen wird und wir dann als Ausschuss – unterstützt durch die Landesregierung – einen entsprechenden Beschlussvorschlag sicherlich auch im Plenum zur Debatte stellen und nicht unter der Abteilung „Beschlussempfehlungen ohne Aussprache“ noch einmal vorlegen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Staatsminister Hahn.

Es ist Überweisung an den Rechts- und Integrationsausschuss vorgesehen. – Dem wird nicht widersprochen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 18 auf:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Ehrenamtsförderung in der Jugendarbeit kommt gut an – Drucks. 18/5564 –

Zur abschließenden Beratung an den Sozialpolitischen Ausschuss.

Tagesordnungspunkt 19:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Fluglärm vermindern, Kurzstreckenflüge auf die Schiene verlagern – Drucks. 18/5586 –

Zur abschließenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Regionalpartnerschaft des Landes Hessen mit der türkischen Provinz Bursa weiter vertiefen – Drucks. 18/5594 –

hierzu: Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drucks. 18/5731 –

Es sind fünf Minuten Redezeit vorgesehen. Herr Kollege Lenz hat sich für die CDU-Fraktion gemeldet.

Passgenau zur Europameisterschaft, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema zu Europa. Da wir noch alle volle Kondition haben, so wie unsere Jungs in Warschau, können wir dieses Thema noch kurz behandeln.

(Der Redner trägt einen Text in türkischer Sprache vor. – Beifall bei der CDU)

Diese Landesregierung hat sich vor Jahren bei der Wahl einer neuen Partnerschaft bewusst für die Türkei entschieden, obwohl sie nicht Mitglied der EU ist. Hessen ist das erste Bundesland, das zur Stärkung der türkisch-deutschen Beziehungen eine solche Partnerschaft mit einer türkischen Region abgeschlossen hat. Wir sind Vorreiter. Andere können uns das jetzt nachmachen.

Diese Partnerschaft wird von allen Fraktionen dieses Hauses getragen. Die Koalitionsfraktionen haben jetzt einen Entschließungsantrag vorgelegt, der zum Ziel hat, die bisherigen Beziehungen zur Provinz Bursa zu vertiefen.

Wir als CDU-Fraktion sehen in dieser Partnerschaft ein wichtiges Signal zur Verständigung und besseren Integration der etwa 180.000 türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger in Hessen. Dies ist ein klares Bekenntnis zu einer Migrationspolitik, die Ausländer, die zu Mitbürgerinnen und Mitbürgern geworden sind, selbstverständlich und herzlich bei uns aufzunehmen, egal von wo sie zu uns kamen.

Wir haben uns auch für Bursa entschieden, weil sie zweitstärkste Wirtschaftsregion der Türkei ist und schon sehr lange Handelsbeziehungen bestehen. Inzwischen gibt es auch vielfältigen Kontakt und Kooperation im Bereich der Hochschulen, Forschung und Kultur. So ist die vereinbarte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Gießen und Bursa ein weiterer bedeutender Schritt zu einer lebendigen Partnerschaft.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Anlass dieses Antrages sind die überaus positiven und wertvollen Erfahrungen, die die CDU-Fraktion anlässlich ihrer Fraktionsreise Mitte April erleben und gewinnen konnte. Die türkische Seite war tief beeindruckt von dem Besuch aus Deutschland. Es war nicht eine handverlesene Abordnung ehrenwerter Politiker gekommen, sondern eine ganze Fraktion, fast vollzählig und zum Großteil auch mit Ehe- und Lebenspartnern.

Unsere türkischen Gastgeber haben gespürt und erkannt, wie ernst die CDU-Fraktion diese neue Partnerschaft nimmt und wie engagiert sie ein Interesse daran hat, sie zu vertiefen und mit Leben zu erfüllen. Wir haben die Partnerschaft offiziell auf dem Papier besiegelt. Wir wollten sie aber greifbar und unmittelbar beleben. So war es die CDU-Fraktion, die als Erste den neuen Partner in Bursa besucht hat.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir waren überrascht von der herzlichen Aufnahme durch die offiziellen Vertreter. Es war eine freundschaftliche Atmosphäre, wie ich sie bei anderen Partnerschaftsreisen selten erlebt habe. Die beeindruckende Kulisse, die faszinie

rende Infrastruktur der Provinz, auch die wirtschaftliche Prosperität, die Aufgeschlossenheit auf der türkischen Seite – das hat, so muss ich selbstkritisch bekennen, bei vielen von uns eine Fülle mitgebrachter Vorurteile ausgeräumt.

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Beeindruckend für uns war auch, dass wir offen und selbstbewusst durchaus kritische Themen ansprechen konnten. Das betrifft etwa die nicht unbedeutenden Hemmnisse für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union, die Sorge um eine latente Reislamisierung der Gesellschaft und die fühlbare Entfernung von den demokratischen Grundsätzen des Staatsgründers Atatürk. All dies konnte thematisiert werden, ohne dass sich unsere Gesprächspartner vor den Kopf gestoßen fühlten. Auch dies demonstriert die ernsthaft freundliche Verbindung zu Bursa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wie Sie wissen, gab es parallel zu dem Fraktionsbesuch etwas zeitversetzt eine hochrangig besetzte Regierungsdelegation unter Führung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier und des Europaministers Jörg-Uwe Hahn mit Fraktionsvorsitzenden und zahlreichen Spitzenvertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche und anderen gesellschaftlichen Bereichen, an der auch ich teilnehmen konnte. Bedauerlicherweise waren nicht alle Fraktionen bei der Delegationsreise vertreten.

Ich jedenfalls habe die herzliche Gastfreundschaft, die die Mitglieder der Delegationsreise in gleichem Maße erfahren durften und die ich vorhin so eindringlich geschildert habe, bei beiden Gruppen in vollem Maße genossen. Unser Fraktionsvorsitzender, Herr Dr. Wagner, war so beeindruckt und begeistert, dass er inzwischen einen Volkshochschulkurs zur Einführung ins Türkische belegt hat.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU))

Bursa als türkische Partnerregion Hessens war die richtige und sie war eine glückliche Wahl. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herr Kollege Lenz, schönen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Reuter.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist festzustellen, dass man dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP eigentlich zustimmen könnte.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Dann macht es doch!)

Aber es stellt sich die Frage, warum von den Regierungsfraktionen nicht der Versuch unternommen wurde, die anderen Fraktionen einzubinden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Brauchen uns die Regierungsfraktionen immer nur dann zu gemeinsamen Anträgen, wenn sie Störpotenziale ausschalten oder minimieren wollen?

Nun komme ich auf Ihren Entschließungsantrag zu sprechen. Dieser reflektiert zunächst die Kooperationsvereinbarung zwischen Hessen und Bursa. Dann lobt er die Kooperation zwischen der Frankfurter Industrie- und Handelskammer und der in Bursa sowie die Zusammenarbeit zwischen der Universität Gießen und der Uludag-Universität Bursa.

Wer sollte daran Kritik üben? Wer könnte dem widersprechen, dass jetzt und in Zukunft andere Teile der Zivilgesellschaft die Kooperation mit Leben erfüllen müssen?

Da passiert schon viel. Wir unterschätzen alle, die sich auf den Weg machen, in ihrem Bereich mit den jeweiligen Partnern in Bursa zu kooperieren. Ich glaube, für alle hier im Haus sprechen zu können, wenn ich sage, dass der eingeschlagene Weg gut und richtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP)

Aber es gilt in dieser Debatte auch etwas anzusprechen, was im Zusammenhang mit dem Delegationsbesuch der Regierung und der CDU-Fraktion in Bursa in der Presse zu lesen war. Es ist schon bemerkenswert, dass der Entschließungsantrag der Koalition Wert auf die Feststellung legt, dass Reisen von Delegationen die Partnerschaft vertiefen. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit.

Immerhin musste die CDU-Fraktion bzw. mussten zwei Kollegen der CDU mit mehreren Presseerklärungen die Fraktionsklausur in Bursa rechtfertigen. War, wie man es in den Medien an der Bergstraße lesen konnte, die innerparteiliche Kritik wirklich so groß, dass man sich gegen über den eigenen Parteifreunden rechtfertigen musste? – Das ist aber das Problem der hessischen CDU.

Herr Ministerpräsident Bouffier, was aber nicht ein Problem der CDU, sondern unser aller Problem ist, ist, dass Sie sich während Ihrer Reise nach Bursa kategorisch gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ausgesprochen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Deswegen haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der sich mit dieser Thematik beschäftigt. Abgesehen davon, dass dies ein „Glanzstück“ der hohen Kunst der Diplomatie war,