Aloys Lenz (Hanau)

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Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, mit diesem Antrag thematisch zu einem Setzpunkt aufblasen, bleibt auf dem Niveau Ihrer Kleinen Anfrage Drucks. 18/6777 stecken. Wegen der Schließung von fünf Teilbibliotheken machen Sie einen Tagesordnungspunkt. Darauf hätten wir verzichten können. Das wäre ein zusätzlicher Gewinn an Lebensqualität gewesen.
Auf die 52 komme ich noch. – Was Sie hier zu einem parlamentarischen Antrag zusammengestrickt haben, ist eine Mischung aus Agitation, Kaffeesatzleserei, abenteuerlicher Haushaltspolitik und schlichter Naivität.
Handwerklich ist das völlig unprofessionell – so, als hätte Lieschen Wissler den Antrag unterschrieben.
Schlimm ist dabei Ihre schlichte Unkenntnis selbst einfachster Strukturen des hessischen Bibliothekswesens.
Auf der Suche nach Wahlkampfthemen suggerieren Sie ein angebliches Bibliothekssterben in diesem Land. Sie haben die Antwort der Ministerin auf Ihre Kleine Anfrage richtig zitiert, und die Antwort ist zutreffend: Die Schließung einer Zweigstelle geht nicht mit der Verschlechterung des Angebots einher.
Tatsache ist – und jetzt komme ich auf die 52 –, dass etwa 45 dieser Orts-, Gemeinde- und Stadtteilbüchereien geschlossen oder zusammengelegt worden sind wegen der Ineffektivität Ihres Angebotes.
In diesen kleinen und klitzekleinen Bücheransammlungen stehen meist nur „alte Schinken“ aus den Siebziger- und Achtzigerjahren.
Und sie entsprechen schon lange nicht mehr den Ansprüchen einer öffentlichen Bücherei. Sie malen in Ihrem Antrag ein bildungspolitisches Desaster an die Wand. Alle bibliothekarischen Fachleute in Hessen erklären, es wurde Zeit, dass diese Büchereien aufgelöst wurden. Sie können ihren Nutzern kaum aktuelle Medien anbieten, haben wöchentlich nur eine oder zwei Stunden geöffnet, nicht den Ansatz einer IT-Ausstattung und werden ehrenamtlich betreut. Die Ausleihen sind äußerst mäßig. Und sie tauchen in keiner Statistik auf.
Die Schließung der genannten Stadtteilbibliotheken hat das öffentliche Bibliothekswesen in Hessen in seiner Qualität insgesamt in keiner Weise verschlechtert.
Bevor ich zu weiteren Punkten Ihres Antrages komme, möchte ich Ihnen Folgendes sagen, sehr geehrte Frau Kollegin Wissler: Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, wenigstens einmal in fünf Jahren Ihrer parlamentarischen Anwesenheit hier im Hessischen Landtag einen Hessischen Bibliothekstag zu besuchen – in diesem Jahr in Bensheim –, dann wären Ihnen bei genauem Zuhören wahrscheinlich die ersten Zweifel über Ihren überflüssigen Antrag gekommen. Gleichzeitig hätten Sie auch einmal Ihr Bekenntnis zu den hessischen Bibliotheken dokumentieren können.
Diese Bibliothekstage werden veranstaltet, um die Öffentlichkeit, Medien und Politik über die aktuelle Situation der Büchereien zu informieren. Bensheim ist ein Bespiel für die positive Entwicklung der hessischen Büchereien. Dort wurde die Stadtbücherei verlagert in eine strategisch günstige Zone, die Fußgängerzone, und die Besucherzahlen haben sich um über 30 % erhöht. Dies ist ein Beispiel für die Situation der öffentlichen Bibliotheken in den letzten 14 Jahren.
Sie haben ja bewusst in Ihrer Kleinen Anfrage das Jahr 1999 herausgegriffen, um zu suggerieren, seit Übernahme der Regierungsverantwortung von CDU und FDP gehe es den hessischen öffentlichen Büchereien schlechter. Genau das ist die Unwahrheit.
Denn den 52 Schließungen kleinster Büchereien, die den Namen nicht verdient haben, stehen in diesem Zeitraum von 1999 bis heute 72 Neu- oder Erweiterungsbauten von öffentlichen Stadt- und Gemeindebüchereien gegenüber. Durch die Schließung von ineffektiven und den Neubau von bedeutenden großen Büchereien in Hessen, und zwar 72 an der Zahl, hat sich die Qualität des Medienangebots in Hessen deutlich erhöht. Auch dies hätten Sie einmal eruieren können.
Ich nehme nur zehn von diesen 72 heraus. Die Baukosten dafür lagen bei etwa 25 Millionen €. Wenn Sie das hochrechnen, sind in diesem Zeitraum Investitionen im Wert von 60 bis 80 Millionen € in Hessen an öffentlichen Büchereien getätigt worden. Damit hat sich die Qualität des Bibliothekswesens in diesem Zeitraum von 1999 bis 2012 deutlich verbessert. Das ist die schlichte Wahrheit über die Situation des öffentlichen Bibliothekswesens. Sie versuchen, mit Zahlenspielen den Vorwahlkampf anzuheizen.
Unserer Verfassung gemäß ist es die originäre Aufgabe der Städte und Gemeinden – das ist so –, für die Einrichtung sowie den sachlichen und personellen Unterhalt der öffentlichen Büchereien Sorge zu tragen. Die Zahl 72 zeigt, dass die Vielzahl der Kommunen ihrer Verpflichtung mit großem Anspruch nachkommt.
Es gibt auch andere Beispiele, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich nenne nur die SPD-geführte Stadt Steinau an der Straße im Main-Kinzig-Kreis mit über 10.000 Einwohnern. Seit einigen Jahren trägt sie stolz den Namen „Brüder-Grimm-Stadt“. Steinau pflegt auch mit einem beeindruckenden Museum die Erinnerung an diese vormaligen Mitbürger. Doch wenn die Bewohner Steinaus eine Bücherei suchen, werden sie vielleicht im „Deutschen Wörterbuch“ der beiden Grimms fündig, in ihrer Kommune aber suchen sie vergeblich danach.
Wenn man die leidenschaftliche Profession von Jacob und Wilhelm Grimm bedenkt, da sie Bibliothekare waren, würden sich beide angesichts ihrer früheren Vaterstadt vermutlich im Grab umdrehen.
Aus Sympathie mit ihnen würden vermutlich auch Johann Wolfgang von Goethe und Casanova rotieren; denn beide waren auch Bibliotheksdirektoren.
Zu weiteren Fakten des Bibliothekswesens in unserem Land: Der Hessische Bibliotheksverband nennt 430 öffentliche Büchereien in kommunaler Trägerschaft. Davon erfüllen aber nur 130 die von Ihnen gewünschten Standards, nämlich dass sie hauptamtlich geleitet werden, ihren Bestand ständig aktualisieren und natürlich mit PCs ausgestattet sind, um nur die wichtigsten zu nennen. Von diesen 130 wurde keine einzige geschlossen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Übergang bei den übrigen 300 Büchereien von hervorragend ausgestattet bis zu solchen, deren Schließung eigentlich geboten wäre, ist sehr fließend.
Richtig ist – und das ist leider richtig –, dass Hessen mit seinen Büchereien und Bibliotheken nicht an der Spitze der deutschen Bundesländer steht,
noch nicht einmal in der Mitte. Aber wir werden schrittweise besser.
Ein Beitrag dazu ist das Hessische Bibliotheksgesetz, gegen das Sie votiert haben. Mit ihm wurde eine wichtige Grundlage zur Verbesserung der öffentlichen Büchereien in Hessen geschaffen; ihr bildungspolitischer Auftrag wurde zum ersten Mal gesetzlich festgeschrieben.
Hessen, das vor 67 Jahren gegründet wurde, hat ein strukturelles Problem mit seinen kommunalen Bibliotheken. Nach über 30 Jahren SPD-Regierungsverantwortung erklärte 1980 – vielleicht ist er bei einigen noch bekannt – der damalige Kultusminister Hans Krollmann sehr freimütig:
Dass die bibliothekarische Grundversorgung in Hessen – absolut und auch im Vergleich mit anderen Bundesländern – unzulänglich ist, kann ich nicht bestreiten.
1991 beklagte der damalige Vorsitzende des Hessischen Bibliotheksverbandes, Gerhard Bökel, acht Jahre später Spitzenkandidat der SPD bei der Landtagswahl:
Die Ausstattung des Landes Hessen mit Bibliotheken ist ein Skandal.
Das ist die Bilanz einer SPD-Regierung.
Was die SPD in 50 Jahren Regierungsverantwortung versaubeutelt hat – um es einmal deutlich zu sagen –, kann man nicht in zehn Jahren wieder aufholen.
Obwohl einige bundesdeutsche Bildungspolitiker seit fünf Jahren ununterbrochen die Forderung erheben, öffentliche Büchereien als freiwillige Leistung einer Kommune in eine Pflichtaufgabe zu überführen, hat bis heute noch kein einziges Bundesland – weder rot-rot, noch rot-rot-grün noch schwarz-gelb, die Bundesländer sind ja allein dafür zuständig – diesen Wunsch erfüllt; denn bei einer gesetzlichen Verwirklichung der Pflichtaufgabe – was Sie immer tönen, liebe Frau Wissler, auch die SPD hat es damals bei der Beratung des Bibliotheksgesetzes gesagt – würden auf das Land Hessen vermutlich 300 bis 500 Millionen € an Kosten zukommen, erweitert durch jährliche Folgekosten in Höhe von etwa 100 Millionen €. Ich bin gespannt, ob Sie in Ihrem Wahlprogramm diese Forderung des dbv übernehmen
und die öffentlichen Bibliotheken festschreiben, meine Damen und Herren.
Sehr schön. – Wir warten darauf, ob Sie das festschreiben. Man kann nur sagen: Was Sie hier geboten haben, war eine Vorwahlkampfschau und keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem, was hessische Bibliotheken betrifft; denn davon haben Sie leider keine Ahnung. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Wissler, Sie haben eben wieder bewiesen, dass Sie das Problem überhaupt nicht erkannt haben.
Hören Sie doch bitte zu. – Sie haben nach Neugründungen gefragt. 72 Bibliotheken wurden mit einem Aufwand von etwa 80 Millionen € saniert, erweitert, zusammengelegt und umgebaut. Das war die Leistung, nicht aber neue Bibliotheken, die wir in Steinau erwarten. Diese Frage haben Sie in Ihrer Kleinen Anfrage nämlich nicht gestellt. Sie fragten nur nach Neugründungen. Dazu hat die Ministerin zutreffend und richtig geantwortet.
Es gibt bessere Bibliotheken. Haben Sie das noch nicht erkannt, lieber Herr Schaus? Sie sind qualitativ besser. Wir haben von der Zahl her weniger, weil da nur 140 Bücher dringestanden haben – zwar kein Karl Marx, wie Sie es gern hätten, aber andere „alte Schinken“. Diese Büchereien brauchen wir nicht.
Sie haben nach meiner Rolle gefragt und überhaupt nicht zugehört. Wenn Herr Bökel 1991 nach 50 Jahren SPDHerrschaft erklärt, die Situation der hessischen Bibliotheken – da stand Hessen am Schluss der Länder – sei ein Skandal, dann können Sie doch nicht den Vorwurf machen, dass dies nicht jährlich gemacht wird. Die Kommunen sind dazu verpflichtet. Natürlich ist es bedauerlich, dass wir in dieser Situation sind. Ich habe als Vorsitzender des Bibliotheksverbandes auch angesichts des Schutzschirms diese Presseerklärung herausgegeben, um die Kommunen zu warnen, dass sie dies nicht machen sollen; denn die Kommunen haben die Entscheidungsfreiheit, wo sie sparen. Das Ergebnis ist doch da: fünf Schließungen von Stadtteilbüchereien bei 150 eigenständigen öffentlichen Büchereien. – Wo ist da der Skandal, liebe Frau
Wissler? Sie bauschen das auf und zeigen damit, dass Sie das Thema Bibliotheken überhaupt nicht interessiert. Für Sie ist das nur Stoff für den Wahlkampf, sonst nichts. – Danke schön.
Sie kommen schon rechtzeitig in die Mittagspause.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nur als Beispiel – es tut mir leid, dass ich es so hart formulieren muss – für diese Verlogenheit
doch –, die hier präsentiert wird – –
Das Mitglied Ihrer Fraktion sagt: Wir brauchen ein Bibliotheksgesetz, das seinen Namen verdient. Sie haben bis heute keinen Gesetzentwurf vorgelegt, weil Sie nämlich Angst haben, dass dann das Pflichtexemplar dort hinein müsste, was Sie verbal fordern, aber was Sie niemals hier als Gesetz dokumentiert haben.
Denn das – ich wiederhole es, wie in der Schule ist die Wiederholung pädagogisch notwendig – würde 300 bis 500 Millionen € einmalig und 100 Millionen € jährliche Folgekosten bedeuten. Sie formulieren hier Worthülsen und Leerformeln, anstatt sich zu bekennen. Wollen Sie, dass jede Kommune eine eigene Bibliothek hat und das Land die Stellen, die Einrichtung, die Bücher und die Medien bezahlt – wollen Sie das?
Sie reden drum herum. Weder SPD, noch LINKE, noch GRÜNE haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Deshalb ist alles, was Sie hier sprechen, verlogen. Das muss ich noch einmal sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie sagen: Wir wollen die wichtige Infrastruktur erhalten. – Wir haben sie erhalten. 72 Bauten von Bibliotheken in Hessen zur Verbesserung und zur Erweiterung, die alle an
genommen worden sind, stehen 52 Schließungen von kleinen Bibliothekssammlungen gegenüber, die überflüssig sind. Wo ist da nichts für die bibliothekarische Infrastruktur dieses Landes getan worden?
Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die nationalsozialistische Diktatur, die mit der Machtübernahme Hitlers als Reichskanzler heute vor 80 Jahren begann und die innerhalb kurzer Zeit sehr schnell ausgebaut wurde, war eines der schrecklichsten Verbrechen der Menschheit, und sie geschah in deutschem Namen.
Ihre Führer waren verbrecherische Ideologen, die die Weltherrschaft anstrebten. Mit der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und mit der Ermordung, Versklavung und Entrechtung ganzer Völker infolge der Anzettelung des Zweiten Weltkrieges haben sie eine unsägliche Terrorherrschaft errichtet, die in der fabrikmäßigen Tötung von über 6 Millionen Juden gipfelte.
Wir als Deutsche müssen mit der von der NS-Diktatur begangenen Schuld leben. Ich sage sehr klar und deutlich, dass Aussagen, die ich von Vertretern der jüngeren Generation vereinzelt – ab und zu – höre, dass sie als Jüngere damit nichts zu tun hätten, dass man nicht ständig rückwärts blicken solle und uns diese schrecklichen Ereignisse nicht belasten dürften, entschieden zurückgewiesen werden müssen.
Es ist Aufgabe von Schule und anderen staatlichen Bildungseinrichtungen, aber auch von Elternhäusern, den Vertretern der jüngeren Generation immer wieder verantwortungsvoll zu erklären, dass wir in dieser historischen Tradition stehen, ob wir wollen oder nicht. Wir als Deutsche tragen diese Schuld. Wir werden sie auch nach 100 Jahren nicht einfach abschütteln können. Aber: Wir als Deutsche haben diese Zeit der NS-Diktatur aufgearbeitet. Das ist die starke, beispielhafte Leistung dieser Republik.
Es ist die starke Leistung der Bundesrepublik Deutschland, dass sie die Katastrophe des Holocaust, die schlimme Terrorherrschaft der Nationalsozialisten für unsere Gesellschaft aufgearbeitet hat. Es waren die demokratischen Politiker aller Parteien, die dieses schlimme Erbe in ein demokratisches System überführt und verändert haben.
Es begann mit Konrad Adenauer und der finanziellen und moralischen Unterstützung des Aufbaus des Staates Israel. Es ging weiter über den Kniefall Willy Brandts in Warschau bis hin zur Rede der Kanzlerin Merkel in der Knesset und vielen Besuchen von Repräsentanten unseres Staates in Yad Vashem. – Dies nur als Beispiele.
Wir wissen, andere Völker haben diese Leistungen erkannt und danken uns dafür. Diese nach Jahrzehnten gelungene Bewältigung der NS-Schreckensherrschaft ermöglicht es uns auch, schon seit Jahren wieder verantwortungsvoll und mit angemessenem Selbstbewusstsein Aufgaben für andere zu übernehmen, wie etwa in der Europäischen Union oder auch bei militärischen Einsätzen auf internationaler Ebene.
Kein Land dieser Völkergemeinschaft käme heute ernsthaft auf den Gedanken, von deutschem Boden könne wieder ein Krieg ausgehen oder eine Diktatur errichtet werden.
Dies beseitigt nicht das geschehene Unrecht. Dieser Tatbestand ermöglicht uns aber ein Leben in Frieden und Freiheit in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, einem gesellschaftlichen und politischen System, um das uns viele auf der Erde beneiden.
Ich möchte den Betreff des Antrags der LINKEN aufgreifen, den Appell, der auch in Abs. 4 wiederholt wird: Wehret den Anfängen! Nie wieder Diktatur! – Millionen von Menschen wären glücklich gewesen, dieser Aufruf hätte sich bewahrheitet und wäre in den unmittelbaren Nachkriegsmonaten und in den Folgejahren auf dem Boden der sowjetisch besetzten Zone Wirklichkeit geworden.
Zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur und Verbrechen waren zu Ende, und nahtlos wurde eine neue Diktatur von der sowjetischen Besatzungsmacht und den von ihnen abhängigen deutschen Kommunisten errichtet.
Ende der Siebzigerjahre habe ich mehrfach als Lehrer mit Oberstufenkursen das Konzentrationslager Buchenwald in der damaligen DDR besucht. Das war nicht einfach, aber machbar. Vor dem Ausgang des Lagers musste man einen Raum mit Bildtafeln durchschreiten, die belegen sollten, dass es einen zwangsläufigen historischen Übergang zwischen Nationalsozialismus und dem kapitalistischen System der Bundesrepublik gebe, das die Menschen knechte und ausbeute. Die Schülerinnen und Schüler waren darüber empört.
Entsetzt war ich über die Berichte, die einige Jahre später, Ende der Neunzigerjahre, in den neuen Bundesländern auftauchten und schließlich im Jahr 1992 präziser wurden, als sowjetische Akten eingesehen werden konnten.
Sie belegten, dass der KGB der UdSSR, der sowjetische Geheimdienst, ab Juli 1945 im sowjetischen Herrschaftsbereich der SBZ Internierungslager, sogenannte Speziallager, errichtete. Dort wurden auch NS-Funktionäre und belastete Nazis eingesperrt. Vor allem aber wurden dort politische Gegner der KPD, unter anderem auch die Sozialdemokraten, die sich der Zwangsvereinigung zur SED widersetzten, willkürlich eingesperrt. Insgesamt sind dort in vier Jahren 45.000 Menschen zu Tode gekommen.
Die größten Speziallager waren Sachsenhausen und Buchenwald. Das heißt, die alten nationalsozialistischen Konzentrationslager wurden nahtlos von den Kommunisten übernommen und weitergeführt. Sie haben die Stätten des nationalsozialistischen Terrors schamlos für ihr eigenes totalitäres System weiter benutzt.
Es sind viele Fälle dokumentiert, dass beispielsweise sozialdemokratische Funktionäre, die den Terror der SS überlebt hatten und von den Alliierten befreit wurden, Monate später von den Kommunisten in die Baracken des gleichen Lagers eingeliefert wurden. – Das ist eine makabre Absurdität deutscher Geschichte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben den vorliegenden Antrag der LINKEN durch einen umfassenden Entschließungsantrag ersetzt. Vor einer Stunde ging noch ein Antrag von SPD und GRÜNEN ein. Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Gestatten Sie mir am Schluss noch eine kleine Randbemerkung. Die Formulierung „kritische Christen“ im zweiten Absatz des Antrags der LINKEN zeigt wieder einmal eine ideologische Versteifung.
Sie differenzieren nur bei den Vertretern der Kirchen, nicht aber bei den übrigen gesellschaftlichen Gruppen. Ich sage Ihnen: Es waren keine kritischen Christen, es waren vielmehr überzeugte gläubige Christen, die den Mut hatten, aus ihrem Glauben heraus Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten – es waren sowohl Mitglieder der bekennenden Kirche als auch gesellschaftlich engagierte Katholiken.
Natürlich gab es solche. Es gab auch Kommunisten, die zu den Nazis gewechselt sind. Selbstverständlich. Aber darum geht es nicht.
Die von den LINKEN in ihrem Antrag geforderte Erinnerungsarbeit wird in Hessen bereits seit Jahren und Jahrzehnten in Schulen, in Universitäten, in außerschulischen Bildungseinrichtungen und vielerorts mehr geleistet. Diese Arbeit muss fortgesetzt werden, und sie wird fortgesetzt werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Passgenau zur Europameisterschaft, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema zu Europa. Da wir noch alle volle Kondition haben, so wie unsere Jungs in Warschau, können wir dieses Thema noch kurz behandeln.
Diese Landesregierung hat sich vor Jahren bei der Wahl einer neuen Partnerschaft bewusst für die Türkei entschieden, obwohl sie nicht Mitglied der EU ist. Hessen ist das erste Bundesland, das zur Stärkung der türkisch-deutschen Beziehungen eine solche Partnerschaft mit einer türkischen Region abgeschlossen hat. Wir sind Vorreiter. Andere können uns das jetzt nachmachen.
Diese Partnerschaft wird von allen Fraktionen dieses Hauses getragen. Die Koalitionsfraktionen haben jetzt einen Entschließungsantrag vorgelegt, der zum Ziel hat, die bisherigen Beziehungen zur Provinz Bursa zu vertiefen.
Wir als CDU-Fraktion sehen in dieser Partnerschaft ein wichtiges Signal zur Verständigung und besseren Integration der etwa 180.000 türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger in Hessen. Dies ist ein klares Bekenntnis zu einer Migrationspolitik, die Ausländer, die zu Mitbürgerinnen und Mitbürgern geworden sind, selbstverständlich und herzlich bei uns aufzunehmen, egal von wo sie zu uns kamen.
Wir haben uns auch für Bursa entschieden, weil sie zweitstärkste Wirtschaftsregion der Türkei ist und schon sehr lange Handelsbeziehungen bestehen. Inzwischen gibt es auch vielfältigen Kontakt und Kooperation im Bereich der Hochschulen, Forschung und Kultur. So ist die vereinbarte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Gießen und Bursa ein weiterer bedeutender Schritt zu einer lebendigen Partnerschaft.
Anlass dieses Antrages sind die überaus positiven und wertvollen Erfahrungen, die die CDU-Fraktion anlässlich ihrer Fraktionsreise Mitte April erleben und gewinnen konnte. Die türkische Seite war tief beeindruckt von dem Besuch aus Deutschland. Es war nicht eine handverlesene Abordnung ehrenwerter Politiker gekommen, sondern eine ganze Fraktion, fast vollzählig und zum Großteil auch mit Ehe- und Lebenspartnern.
Unsere türkischen Gastgeber haben gespürt und erkannt, wie ernst die CDU-Fraktion diese neue Partnerschaft nimmt und wie engagiert sie ein Interesse daran hat, sie zu vertiefen und mit Leben zu erfüllen. Wir haben die Partnerschaft offiziell auf dem Papier besiegelt. Wir wollten sie aber greifbar und unmittelbar beleben. So war es die CDU-Fraktion, die als Erste den neuen Partner in Bursa besucht hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir waren überrascht von der herzlichen Aufnahme durch die offiziellen Vertreter. Es war eine freundschaftliche Atmosphäre, wie ich sie bei anderen Partnerschaftsreisen selten erlebt habe. Die beeindruckende Kulisse, die faszinie
rende Infrastruktur der Provinz, auch die wirtschaftliche Prosperität, die Aufgeschlossenheit auf der türkischen Seite – das hat, so muss ich selbstkritisch bekennen, bei vielen von uns eine Fülle mitgebrachter Vorurteile ausgeräumt.
Beeindruckend für uns war auch, dass wir offen und selbstbewusst durchaus kritische Themen ansprechen konnten. Das betrifft etwa die nicht unbedeutenden Hemmnisse für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union, die Sorge um eine latente Reislamisierung der Gesellschaft und die fühlbare Entfernung von den demokratischen Grundsätzen des Staatsgründers Atatürk. All dies konnte thematisiert werden, ohne dass sich unsere Gesprächspartner vor den Kopf gestoßen fühlten. Auch dies demonstriert die ernsthaft freundliche Verbindung zu Bursa.
Wie Sie wissen, gab es parallel zu dem Fraktionsbesuch etwas zeitversetzt eine hochrangig besetzte Regierungsdelegation unter Führung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier und des Europaministers Jörg-Uwe Hahn mit Fraktionsvorsitzenden und zahlreichen Spitzenvertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche und anderen gesellschaftlichen Bereichen, an der auch ich teilnehmen konnte. Bedauerlicherweise waren nicht alle Fraktionen bei der Delegationsreise vertreten.
Ich jedenfalls habe die herzliche Gastfreundschaft, die die Mitglieder der Delegationsreise in gleichem Maße erfahren durften und die ich vorhin so eindringlich geschildert habe, bei beiden Gruppen in vollem Maße genossen. Unser Fraktionsvorsitzender, Herr Dr. Wagner, war so beeindruckt und begeistert, dass er inzwischen einen Volkshochschulkurs zur Einführung ins Türkische belegt hat.
Bursa als türkische Partnerregion Hessens war die richtige und sie war eine glückliche Wahl. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag, Herr van Ooyen, ist bruchstückhaft. Das Zitat aus einem TwitterDialog von Frau Steinbach verkürzt den Zusammenhang und die Intention ihrer Botschaft und entstellt sie damit.
Sie instrumentalisieren diesen Twitter-Satz und verfolgen einzig und allein das Ziel, die hessische CDU als Neonazis zu diffamieren, wie eben getan. Dagegen wenden wir uns mit großer Entschiedenheit.
Sie wollen, bildhaft gesprochen, Frau Steinbach sozusagen die SS-Uniform anziehen, wie es einige reaktionäre polnische Nationalisten schon vor Jahren in Bildkollagen getan haben. Sie befinden sich dabei in ideologischer Gemeinschaft mit polnischen Chauvinisten.
Bei Ihrer Attacke gegen Frau Steinbach hätten Sie wenigs ten die historischen Fakten berücksichtigen sollen. Natürlich gab es in der NSDAP, vor allem in der Gründungs- und Aufbauphase, einen gewichtigen proletarischen linken Flügel. Das kann man schon am Namen ablesen. Er hat den Bestandteil:...sozialistische Arbeiterpartei. Ihr Repräsentant, Gregor Strasser, war immerhin bis 1932 Stellvertreter Adolf Hitlers als Parteivorsitzender.
Ich zitiere jetzt aus einer seiner Reichstagsreden. Wohlgemerkt, es handelt sich um die Rede eines Naziabgeordneten des Reichstages.
Wir wollen anstelle des ausbeuterischen, kapitalistischen Wirtschaftssystems einen wahrhaften deutschen Sozialismus,...
Lieber Herr van Ooyen, die Mehrheit der SA-Männer entstammte doch nicht dem Bürgertum. Das waren Proletarier. Nach der Machtergreifung gingen Hunderttausende der kommunistischen Rot-Front-Kämpfer zu den Braunhemden über, weil die dann an der Macht waren und etwas zu verteilen hatten.
Es geht Ihnen nicht, wie Sie vorgeben, um Verhinderung einer Geschichtsklitterung. Sie skandalisieren, Sie diskriminieren, und Sie stigmatisieren eine einzelne Person. Das ist Ihr einziges wahres Ziel.
Ich gehe hinsichtlich einiger Sachpunkte mit Frau Steinbach durchaus nicht konform. Aber eines sage ich in aller Deutlichkeit – das sage ich auch im Namen meiner Fraktion –: Frau Steinbach steht unzweifelhaft auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Sie ist eine überzeugte Demokratin, durch und durch, und handelt danach. Herr van Ooyen, ob das bei Ihnen der Fall ist, daran gibt es berechtigte Zweifel.
Es gibt in Ihrer Partei Kräfte, die unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat hin zu einem sozialistischen System verändern wollen.
Als Frau Steinbach die nationalsozialistische Partei als linke Partei bezeichnet hat, hat sie verkürzt. Sie hat dabei komprimiert und provoziert, um mit Recht auf die Gemeinsamkeiten rechter und linker Diktaturen zu verweisen. Im Verlauf des Twitter-Dialogs erläutert sie an mehreren Stellen diese Intention. Das haben Sie in Ihrem Antrag natürlich unterschlagen.
In einem Beitrag von fünf Minuten Dauer kann man nur bruchstückhaft skizzieren. Es ging Frau Steinbach um die bedeutende Schnittmenge beider Unrechtssysteme. So beginnt in beiden Diktaturen die brutale Menschenver
achtung schon mit der Beseitigung innerparteilicher Gegner. Dazu gehörte 1934 auch Strasser.
Vor dem Überfall Nazideutschlands auf Polen einigten sich beide Diktatoren im deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt im engen Schulterschluss auf die Teilung der Beute. Nach dem Sieg Deutschlands wurde der Osten Polens von den Sowjets besetzt. Da gab es zwischen Nazis und Kommunisten überhaupt keine Berührungsängste.
Die Schoah, der Holocaust, also die fabrikmäßige Vernichtung von 6 Millionen Juden, war eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit. Wir als Deutsche haben uns dieser historischen Verantwortung nicht entzogen. Zehn Jahre zuvor hatte Stalin durch die Zwangskollektivierung und infolge der Ausrottung in den Gulags über 6 Millionen Ukrainer durch bewusst herbeigeführten Hungertod vernichtet.
Beide Genozide können nicht miteinander aufgerechnet werden. Aber beide geschahen aus der gleichen Geisteshaltung heraus. Der Einzelne, das menschliche Individuum, gilt in beiden totalitären Systemen nichts. Das Kollektiv ist alles. Worin unterscheiden sich die Nazisprüche „Führer befiehl, wir folgen dir“, „Du bist nichts, dein Volk ist alles“, von dem kommunistischen Grundprinzip „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“?
Liebe Frau Wissler, Art. 1 unseres Grundgesetzes ist der vorbildhafte und progressive Gegenentwurf. Er ist der humane Leitfaden unseres demokratischen Handelns, auf den wir stolz sein können.
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Herr Präsident, ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Denn beide Weltanschauungen, beide Diktaturen negieren diese Würde und den Wert der einzelnen Persönlichkeit. Beide unmenschlichen Systeme, sowohl der von Lenin und Stalin geschaffene und von Marx abgeleitete Sozialismus als auch der Nationalsozialismus, versuchten zwangsweise ihre Untertanen zu Kollektivwesen zu erziehen. Dabei wollten sie die Individualität des Einzelnen brutal unterdrücken.
Herr van Ooyen, wir werden Ihren Dringlichen Entschließungsantrag ablehnen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei vergeblichen Anläufen 1969 durch die SPD und 1980 durch die CDU könnte heute der dritte Versuch, in der fast 65-jährigen Geschichte des Landes ein Bibliotheksge
setz zu verabschieden, mit der zweiten Lesung einen erfolgreichen Abschluss finden. Mit diesem Gesetz sollen die hessischen Bibliotheken rechtlich abgesichert und ihre bildungspolitischen und kulturellen Aufgaben, die Funktion der Bibliotheken wie auch ihre Kooperationsformen, z. B. mit Schulbibliotheken, festgeschrieben werden. Damit wird zugleich ihr Engagement für unsere Gesellschaft, gerade auch im Bereich der Integration, aufgewertet.
Wir folgen den wesentlichen Forderungen der Enquetekommission und sind damit neben den neuen Bundesländern Thüringen und Sachsen-Anhalt der Vorreiter in Westdeutschland; denn in anderen Ländern wird darüber noch beraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es klar und deutlich zu sagen:Wir haben eine zentrale Forderung, die auch von den Bibliotheksverbänden erhoben wird, nicht in diesen Gesetzentwurf übernommen: die öffentlichen Bibliotheken als freiwillige Leistungen der Kommunen in eine Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden zu überführen. Dies ist auch die Hauptkritik vonseiten der Opposition. Es ist sicher ein berechtigtes Anliegen, das ich auch gerne unterstützen würde, aber wir leben nicht in einem Wolkenkuckucksheim;
denn angesichts der Finanzsituation dieses Landes – Sie haben es schon einmal zitiert – ist dies schlichtweg nicht leistbar. In Anbetracht des Konnexitätsprinzips würde dies konkret bedeuten, dass Hessen den Neubau, den Ausbau oder die Sanierung von 40 bis 60 kommunalen Bibliotheken einschließlich der Ausstattung finanzieren müsste. Damit käme auf das Land Hessen ein dreistelliger Millionenbetrag zu. Jetzt sagen Sie mir bitte, wie Sie dies finanzieren wollen.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz sichert die bisher wenig beachtete bildungspolitische Aufgabe der Bibliotheken als unerlässlichen Lernort außerhalb der Schule.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Sie haben zitiert,
nur zitieren Sie wahrscheinlich immer die unten stehenden Anmerkungen. Ich zitiere z. B. aus dem Schreiben des Hessischen Landkreistages:
Der Hessische Landkreistag begrüßt grundsätzlich den vorliegenden Entwurf des...Hessischen Bibliotheksgesetzes.
Der Gesetzentwurf schafft erstmals einen gesetzlichen Rahmen für Bibliotheken.
Herr Frankenberger, Sie scheinen auch die Stellungnahme Ihres – allerdings nicht in dieser Funktion – Genossen Hartmut Holzapfel, dem man zweifelsfrei Kultur zugestehen kann,
überblättert zu haben. Herr Holzapfel schreibt in seiner Funktion als Vorsitzender des Literaturrats:
Dass nunmehr durch die Initiative der Hessischen Koalitionsfraktionen auch ein Hessisches Bibliotheksgesetz auf den Weg gebracht werden soll, ist nachdrücklich zu begrüßen.
Das ist original Holzapfel, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dieses Gesetz wird von den Bibliotheken gefordert.
Herr Schmitt von der SPD, Sie sind doch der große Wächter Ihres Parteiprogramms.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben 2008 in Ihrem Wahlprogramm und im gleichlautenden Regierungsprogramm 2009 wörtlich geschrieben: „Wir wollen ein Hessisches Bibliotheksgesetz vorlegen...“
Sie wollen eines vorlegen, aber Sie haben gar nichts gemacht. Ei wo isses dann, Ihr Hessisches Bibliotheksgesetz? Was haben Sie denn gemacht? Wo ist denn der Alternativentwurf, über den man hätte diskutieren können?
Sie haben überhaupt nichts vorgelegt. Sie haben nur gemeckert und genörgelt, ohne konstruktive Vorschläge zu machen.
Sie haben die bibliothekarischen Fachverbände bitter enttäuscht und im Regen stehen lassen. Ihre 180-Grad-Wendung in dieser Frage hat Sie in der Fachwelt nachhaltig disqualifiziert.
Frau Sorge, zu Ihnen.
Auch Sie haben keine Alternative formuliert.Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf, wenn wir einen besseren brauchen? Den hätten Sie doch einmal schriftlich vorlegen müssen. Es ist nichts da.
Liebe Frau Sorge, inwieweit Sie als hessische GRÜNE allein stehen, kann ich Ihnen sagen: Ihre grüne Kollegin im Bundestag, Frau Undine Kurth, die auch Mitglied der bereits erwähnten Enquetekommission war, hat das Bibliotheksgesetz von Sachsen-Anhalt entscheidend mit gestaltet und das hessische ausdrücklich begrüßt.
Herr Präsident, wenn Sie mir Luft gestatten. – Frau Sorge, welche Sorge treibt Sie um?
Liebe Frau Sorge, Ihr Vorschlag kommt leider zu spät, aber wenn es finanzierbar wäre, würden wir dem auch zustimmen.
Die gleiche doppelzüngige Haltung nehmen bundesweit die LINKEN ein. In Thüringen hat die Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. In Sachsen-Anhalt hat DIE LINKE, obwohl sie in der Opposition ist, zugestimmt, als Sachsen-Anhalt mit den Stimmen von CDU und SPD ein ähnliches Gesetz gemacht hat.
Aber in Hessen sehen sie anscheinend mit der Verabschiedung unseres Gesetzentwurfs den Sozialismus in seinen Grundfesten erschüttert und die Weltrevolution gefährdet. Deshalb sind sie dagegen, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Herzlichen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Wie wird das vom Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa eingerichtete „EU-Beratungszentrum Hessen“ von den jeweiligen Zielgruppen angenommen?
Ich frage die Landesregierung:
Welche konkreten Pläne verfolgt das Hessische Landesamt für geschichtliche Landeskunde in Marburg im Rahmen des Ausbaus und der Fortentwicklung des Landesgeschichtlichen Informationssystems (LAGIS) derzeit?
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP legen Ihnen heute den Entwurf eines Hessischen Bibliotheksgesetzes vor.
Dies ist der dritte Versuch in der über 60-jährigen Geschichte unseres Landes, eine kluge, moderate und doch umfassende Regelung der sehr differenzierten hessischen Bibliothekslandschaft vorzunehmen. Im Jahr 1969 scheiterte eine Gesetzesinitiative der SPD in den eigenen Reihen. 1981 kam die damalige Oppositionsfraktion der CDU mit einer eigenen Initiative ebenfalls nicht zum Zuge. Für den heutigen dritten Anlauf bin ich ein wenig hoffnungsvoller.
Seit Jahrzehnten versuchen die hessischen Bibliotheken, zumal über ihre Verbände, eine verbindliche Regelung der Rechtsverhältnisse der unterschiedlichen Formen unseres Büchereiwesens zu erreichen.
Mit diesem Gesetz sollen die Rahmenbedingungen der Finanzierung, der Nutzung und Förderung der Univer
sitäts-, Landes- und Hochschulbibliotheken wie auch der öffentlichen Büchereien geschaffen und rechtlich abgesichert
sowie ihre Kooperationsformen, ihr Status und ihre Aufgabenverteilung verbindlich festgeschrieben werden.
Der letzte Vorstoß für die Verabschiedung von Bibliotheksgesetzen erfolgte durch die Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“. Sie empfahl, eine rechtliche Normierung öffentlicher Bibliotheken auf Landesebene vorzunehmen. Fraktionsübergreifend appellierten die Kommissionsmitglieder in ihrem Abschlussbericht im September 2007 an die bundesdeutschen Länderparlamente, jeweils ein eigenes Gesetz zur Regelung ihrer Aufgaben und ihrer Finanzierung zu erlassen.
Der zweite wichtige Impuls zur Schaffung rechtlicher Normen für die Bibliotheken kam fast zum gleichen Zeitpunkt durch die überaus eindrucksvolle Rede von Bundespräsident Köhler bei der Wiedereröffnung der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Ich zitiere:
Bibliotheken fördern die Kompetenz, sich selbstständig den Zugang zu Informationen in allen medialen Formen zu beschaffen....Trotz des wichtigen Beitrags der Bibliotheken für die Bildung und das selbstständige Lernen fehlt in Deutschland – im Gegensatz zu den erfolgreichen PISA-Ländern – die strategische Verankerung der Bibliotheken als Teil unserer Bildungsinfrastruktur.
Meine Meinung ist: Bibliotheken gehören deshalb in Deutschland auf die politische Tagesordnung.
Dieser Aufforderung sind die Koalitionsfraktionen mit diesem Gesetzentwurf nachgekommen. Mit der vorliegenden Initiative könnte Hessen mit dem zweiten Bibliotheksgesetz in Deutschland – nach dem in Thüringen – eine bundesweite Vorreiterrolle spielen.
Seit Jahrzehnten haben Bibliotheken den Status von Buchausleihstationen verloren, wie er leider noch immer im Bewusstsein vieler umherspukt.Von ihrem Medienbestand von derzeit 40 Millionen Einheiten in Hessen sind etwa 30 % sogenannte Non-Books. In fast allen hauptamtlich geleiteten hessischen Bibliotheken stehen selbstverständlich Internetarbeitsplätze zur Verfügung. Bibliotheken erfüllen wie keine andere Institution das verfassungsrechtlich garantierte demokratische Gebot des ungehinderten Zugangs zu Informationen. Sie sind zentrale Bildungs- und Kultureinrichtungen.Wer könnte besser als sie mit ihrem umfassenden Medienangebot der Aus- und Weiterbildung und der aktuellen Forderung nach lebensbegleitendem Lernen gerecht werden? Mit ihrer landesbibliothekarischen Aufgabenstellung bewahren sie das kulturelle Erbe unseres Landes.
Bibliotheken werden immer stärker zu einem zentralen Lernort außerhalb der Schule. Sie gewährleisten Zugang zu Wissen, Lernen und Forschen. Sie organisieren Kulturund Bildungsveranstaltungen, und in vielen Stadtteilen und Kommunen sind sie bereits zu einem unerlässlichen Sozial- und Kulturzentrum geworden – als Bildungspartner vielfältiger anderer Kultur- und Bildungsinstitutionen, von der Volkshochschule über Geschichtsvereine bis hin zu Seniorentreffs.
Bibliotheken sind für die Zukunft unserer Gesellschaft unerlässlich.
Sie entwickeln und stärken die Medien- und Sprachkompetenz der Kinder und Jugendlichen.Spätestens seit PISA hat man erkannt, welch unwahrscheinlich großen Beitrag sie zu Lese- und Lesefrühförderung leisten, die schon seit Langem vom Elternhaus bedauerlicherweise kaum noch wahrgenommen werden.
Auch eine andere, zunehmend wichtige Leistung der Bibliotheken wird viel zu wenig beachtet. Ich meine ihre Integrationsbereitschaft und -fähigkeit, gerade in Städten mit hohem Migrationsanteil.
Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, ist es zugleich ein wichtiges Signal für die Städte und Gemeinden, die es bisher unterlassen haben, ihren Mitbürgern professionelle bibliothekarische Dienstleistungen anzubieten.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Um es abschließend klar und deutlich zu formulieren: Die Forderung der Enquetekommission, öffentliche Büchereien als bislang freiwillige Leistung in eine Pflichtaufgabe zu überführen, haben wir nicht in unseren Gesetzentwurf übernommen. Ich stehe dazu: Das wäre wünschenswert, aber ich weiß, dies ist derzeit nicht machbar.
Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss und bitte Sie, dieser Gesetzesinitiative zuzustimmen. – Herzlichen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
Welchen Stellenwert misst sie den öffentlichen Bibliotheken beim lebensbegleitenden Lernen zu?