Protokoll der Sitzung vom 28.06.2012

Ich werfe Ihnen nachhaltig vor, dass es Ihnen eben nicht um die Bevölkerung geht, sondern darum, einen parteitaktischen Nutzen zu ziehen. Das halte ich für extrem unredlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht denkt die FDP so, aber weißte! – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Aber hallo, hallo! – Weitere Zurufe von der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege Grumbach. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Warum streiten wir eigentlich um aktiven und passiven Schallschutz?

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Eben, wir brauchen beides!)

Herr Müller, nein, nein. Sie haben ein Problem.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Irrtum!)

Sie sind von der Partei, die ständig von Freiheit redet. Sie sind gleichzeitig diejenigen, die die Menschen, die es ruhig haben wollen, in den Häusern einsperren. Das ist der Unterschied zwischen aktivem und passivem Schallschutz. Das ist genau der Unterschied.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

An der Stelle zum Punkt der Änderung des § 29b. Wir haben in diesem Landtag darüber debattiert, zweimal auf Antrag der SPD. Wir haben darüber debattiert, dass in diesen § 29b die Bevorzugung der Nachtruhe hinein soll. Wer hat das abgelehnt? Sie – nicht wir – haben es abge

lehnt, die Nachtruhe in § 29b besser zu verankern. Lassen Sie also hier dieses Theater.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Zweiter Punkt. Wer spielt allein, wer spielt mit der Bevölkerung? Herr Dr. Arnold hat einen eleganten rhetorischen Trick gespielt. Wir hatten ein Mediationsverfahren, das die Beteiligung von allen bedeutete. Und wir hatten ein Planfeststellungsverfahren, das bedeutete, die Landesregierung entscheidet, und es können dagegen Einsprüche erhoben werden. Im Mediationsverfahren steht „Lärmobergrenzen“. Im Mediationsverfahren steht „Lärmkontigentierung“.

Die Landesregierung hat das im Planfeststellungsbeschluss nicht übernommen. Also bezieht er sich auf das, was seine Freunde gemacht haben. Aber auf das, was wir gemeinsam gemacht haben, bezieht er sich nicht. Das ist der rhetorische Trick. Hier wird einfach versucht, davon abzulenken, dass die Mediation von der Mehrheit in diesem Hause im Wesentlichen schlicht ignoriert wird. Media tion ist mehr als Nachtflugverbot.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Die Grundstrategie dieser Umweltministerkonferenz ist doch deutlich. Ich würde übrigens Wert darauf legen, dass Baden-Württemberg ein grün regiertes Land ist, die anderen Länder sozialdemokratisch regiert sind. Und diese sozialdemokratischen Regierungen stehen auf der Seite ihrer Bevölkerung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Anders als diese Regierung wissen sie von dem Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Lärm und versuchen sehr klar, dafür zu sorgen, dass dieses Spannungsverhältnis ausgeglichen wird und nicht einer allein bezahlen muss. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und denen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Was ist denn mit Hamburg?)

Der spannende Punkt ist: Reden Sie rückwärts oder vorwärts? – Sie haben eine ganz simple Strategie, die wir schon vom Nachtflugverbot her kennen. Sie erklären hier: „Wir kämpfen für die armen Bürger; wir sorgen dafür, dass der Lärm weniger wird“, und klagen für etwas anderes.

Sie reden in der Umweltministerkonferenz darüber, dass die Menschen natürlich entlastet werden sollen; alles das steht in den Texten. Aber wenn es konkret wird, lehnen Sie jeden einzelnen konkreten Schritt wie Lärmobergrenzen einfach ab. Das ist Heuchelei und sonst gar nichts.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe des Abg. Stefan Müller (Hei- denrod) (FDP))

Mit Verlaub, die Frankfurter CDU-Position finde ich auch einigermaßen witzig. Ich sage das jetzt einmal ausdrücklich als Frankfurter. Ich verstehe ja Kirchturmpolitik. Aber die Frankfurter SPD hat immer gesagt, und ihre Position ist es: Es muss für alle leiser werden.

Die Idee, man könne das Problem dadurch lösen, dass man die Start- und Landebahn weniger nutzt und damit den Lärm aus Frankfurt herausschafft und nach Neu-Isenburg, Langen, Dreieich, Offenbach-Süd oder wohin auch

immer schafft, ist eine Position, bei der sozusagen die Privilegierten auf der einen Seite versuchen, die Nachteile auf die andere Seite zu bringen. Wir müssen dafür sorgen, dass es für alle leiser wird. Wir können da keine Lokalpolitik machen.

(Beifall bei der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da muss der Beuth von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen!)

Genau, das wäre die perfekte Variante. Über Stalinismus in anderen Parteien rede ich nicht.

Man könnte auch Probleme wegen der Frage der Konkurrenz der Flughäfen haben. Ein Teil der Argumentation, warum bestimmte Dinge hier nicht getan werden, hat nicht nur etwas mit dem Konflikt zwischen dem Flughafen und der Bevölkerung zu tun, sondern auch mit der Idee, es gebe eine Konkurrenz der europäischen Flughäfen.

Es gibt da zwei mögliche Konsequenzen. Entweder diskutiert man nach hinten und versucht, mögliche Maßnahmen zu verhindern, oder aber die Umweltministerkonferenz hätte auch nach vorne diskutieren können. Sie hätte sagen können: Die deutsche Umweltministerkonferenz tritt für verbindliche Lärmobergrenzen für alle europäischen Flughäfen ein. Sie tritt dafür ein, dass die Bundesregierung das umsetzt. – Das wäre ein konstruktiver Umgang und kein destruktiver Umgang mit den Problemen gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich das mit wenigen Sätzen zusammenfassen. Denn wir unterscheiden uns da von den GRÜNEN. Wir wollen diesen Flughafen. Wir wollen, dass er funktioniert.

Das, was die Landesregierung macht, erinnert mich an den schönen Satz:

Gott schütze mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden will ich schon selbst fertig werden.

So unterstützen Sie diesen Flughafen nicht. Sie schaden ihm. Denn Sie sorgen nicht dafür, dass der Ausgleich hergestellt wird. Das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort erhält nun die Umweltministerin, Frau Staatsministerin Puttrich.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Was ist denn die Position der Frankfurter SPD? Das würde mich einmal interessieren! – Gegenruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD) – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Überschrift der Aktuellen Stunde gelesen habe, dachte ich, ich sei im falschen Film. Die GRÜNEN haben diese Aktuelle Stunde mit dem Titel überschrieben:

„Tarnen, Tricksen, Täuschen“: Landesregierung kämpft in Umweltministerkonferenz für mehr Flug lärm

Dazu kann ich nur sagen: Einen größeren Unsinn habe ich selten gelesen. – Da Sie das so formuliert haben und ganz bewusst die Situation falsch dargestellt haben, muss ich dazu sagen: Da tarnen und täuschen die GRÜNEN.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Denn sie stellen, bewusst oder unbewusst, einen Beschluss der Umweltministerkonferenz vollkommen falsch dar.

Sie tun so, als hätte sich die Hessische Landesregierung gegen Lärmminderung ausgesprochen. Sie tun so, als hätten wir einen einsamen Ritt gegen die Menschen gemacht. Sie ignorieren ganz bewusst, dass es einen Beschluss der Umweltministerkonferenz gibt, bei der sich elf Umweltminister gemeinsam gegen die Belastung der Menschen durch Fluglärm ausgesprochen haben. Sie haben eine konkrete Aussage dazu gemacht, wie sie erreichen wollen, dass die Menschen vor Fluglärm geschützt werden.

Die Sache ist deutlich. Das muss jetzt zitiert werden. Dazu kann ich nur sagen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. – Oder ich sage: Wer lesen will, ist klar im Vorteil. – Oder man will diesen Vorteil nicht, weil man dann wüsste, wie es sich tatsächlich verhält. Wenn man weiß, wie es sich tatsächlich verhält, kann man nicht mehr das behaupten, was Sie behaupten.

Die Umweltministerkonferenz hat beschlossen – ich zitiere –,

dass bei der Genehmigung und dem Betrieb von Flughäfen alle technischen und gesetzgeberischen Möglichkeiten zum Lärmschutz ergriffen werden müssen, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten... Dazu sind gesetzliche Verbesserungen zum Schutz der lärmbelästigten Bevölkerung notwendig, wobei auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen ist.

Dazu sage ich ganz klar: Das haben elf Umweltminister in dieser Form und mit diesen Punkten beschlossen. Wir haben gesagt, vermeidbarer Fluglärm soll verhindert werden. Da wird ganz klar gesagt, dass das Verfahren „Balanced Approach“ konsequent umgesetzt werden soll. Da wird ganz klar gesagt, dass die Vermeidung des Lärms an der Quelle Priorität gegenüber anderen Maßnahmen hat.

Bei dem Beschluss, den wir da gefasst haben, ist Folgendes passiert: Die fünf grünen Umweltminister haben dazu Protokollnotizen abgegeben. Dazu kann ich Folgendes ganz klar sagen: Herr Grumbach, ich muss Ihnen da leider etwas wegnehmen. Diese Protokollnotiz, die die grünen Umweltminister beschlossen haben, haben die Minister der SPD-regierten Länder nicht mit beschlossen, und zwar aus gutem Grund.

Die Umweltminister aus Hamburg und Berlin haben das nicht mit beschlossen. Sie haben die Lärmobergrenze nicht mit beschlossen. Sie haben große Flughäfen und haben deshalb die Protokollnotiz der fünf grünen Umweltminister nicht mit beschlossen. Das geschah aus dem einfachen Grund, weil das Manöver doch vollkommen klar ist. Man kann sehen, was da bei der Umweltministerkonferenz passieren sollte.