Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen fiebert mit bei EM: Patriotismus und Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft schlie- ßen sich nicht aus!) – Drucks. 18/5873 –
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich vorausschicken: Für Aufgeregtheiten gibt es keinen Anlass.
Was sich zurzeit in unserem Land abspielt, ist ein völlig normaler Vorgang. Die Menschen freuen sich über die Erfolge ihrer Nationalmannschaft und zeigen dies, indem sie sich mit unseren nationalen Symbolen schmücken und ihre Solidarität mit der Mannschaft bekunden.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Damit tun sie eigentlich nur das, was uns andere Nationen schon seit Jahrzehnten unverkrampft vorleben.
Aufgrund unserer Geschichte und Vergangenheit war es viele Jahre unmöglich, ein gesundes Nationalempfinden zu zeigen. Deutschlandfahnen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren im öffentlichen Raum gingen nicht. Abspielen der Nationalhymne oder Singen – eher nicht. Wenn, dann nur begleitet von gellendem Pfeifkonzert, meist mit Trillerpfeifen.
Spätestens seit der Wiedervereinigung 1989 und der Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien hat sich dies geändert. Niemand hat diesen Stimmungswechsel angeordnet oder vorbereitet.
Er ist aus dem Lebensgefühl der Menschen entstanden, die das Feiern auf den Straßen und Plätzen, das Fahren der Autokorsos, wie es 1990 in Italien üblich war, übernommen haben.
Ganz einfach und unaufgeregt beschrieben: Lebensfreude pur, gepaart mit dem Bekenntnis zu ihrem Land und ihrer Nationalmannschaft.
Ein besonderes Bekenntnis zu diesem Lebensgefühl hat die in Deutschland durchgeführte Fußballweltmeisterschaft 2006 gebracht. Dieses dreiwöchige Sommermärchen hat uns viel Anerkennung und Freunde in der Welt beschert. Ohne Krawalle, ohne Exzesse waren drei Wochen alle Teilnehmer und Anhänger in unserem Land, ihre nationalen Symbole tragend, unterwegs. Es war ein Fest der Völkerverbindung und der großen Gemeinsamkeiten.
Ich habe 2006 niemanden gefunden, der an irgendeiner Stelle Anstoß genommen hätte. Wenn ich heute unsere Nationalmannschaft sehe, ist dies ein identisches Abbild unseres Landes. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit Mesut Özil, Sami Khedira, Jérôme Boateng, Miroslav Klose, Podolski, Gomez, Gündogan, mit Neuer, Reus, Schürrle, Lahm, Müller, Bender, Schweinsteiger identifizieren, ist das etwas, von dem wir vor zehn Jahren nicht geglaubt haben, dass es in dieser Form stattfinden könnte.
Alle zusammen sind positive Botschafter unseres Landes. Ich habe in den letzten Tagen mit großer Aufmerksamkeit die Einlassungen des Bundesverbandes der Grünen Jugend gelesen, zu der Linksjugend in Hessen und den Unverschämtheiten will ich mich gar nicht besonders äußern, es lohnt auch nicht. Diese Gruppe gehört ohnehin in den Bereich von Absurdistan – wenn sie die Grüne Jugend als neonationalistisch beschimpft, ist das unterhalb jeder Gürtellinie.
Ich habe bei der Durchsicht der in den letzten Tagen gemachten Veröffentlichungen eine Passage gefunden – den Autoren nenne ich zum Schluss –, die ich Wort für Wort voll unterschreibe.
Beim besten Willen kann ich es nicht für verwerflich halten, Verbundenheit zu dem Land zu empfinden, in dem man gerne und gut lebt. Das bedeutet nämlich nicht, Staatsangehörigkeit oder Herkunft zum Anknüpfungspunkt von Anfeindungen oder
Diskriminierungen zu machen. Auch Menschen mit Migrationshintergrund identifizieren sich gern mit Deutschland, wie man an der immer häufiger zu sehenden Doppelbeflaggung erkennen kann.
Ein fröhlicher und offener Patriotismus leistet einen größeren Beitrag zur Integration als eine verkrampfte Ablehnung jeglicher nationalstaatlicher Symbolik.
Es ist nur schade, dass nicht mir dieser Satz eingefallen ist. Jetzt löse ich es auch auf: Diese Passage stammt aus der Feder unseres Kollegen Daniel Mack vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.
Dieser Beitrag sollte uns begreiflich machen, um was es wirklich geht. Die Lockerheit, die Fröhlichkeit, die Be geis terungsfähigkeit und das Bekenntnis zu unserer Nationalmannschaft sollten uns anstecken und jeden negativen Gedanken verdrängen. Wir sollten uns auf ein tolles Fußballspiel heute Abend freuen. Wünschen wir unserer Mannschaft Glück und Erfolg. Ich will heute Abend den deutschen Erfolg feiern. Und wenn es nicht klappt, fahre ich in Wiesbaden an den Sedanplatz, wo die Gruppe der Italiener beheimatet ist. Dort werde ich meinen italienischen Freunden und Bekannten zum Erfolg gratulieren. Aber am liebsten wäre es mir, wir würden Europameister werden und die Mannschaft am Frankfurter Römer begrüßen können. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Klee. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Wissler gemeldet. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, nach der Rede von Herr Klee darf sich Herr Mack nicht wundern, wenn er nach einer solchen Lobsagung in den nächsten Tagen ein Mitgliedsformular von der Jungen Union zugeschickt bekommt.
Die CDU hat eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Patriotismus und Unterstützung der deutschen Nationalmannschaft schließen sich nicht aus“ beantragt. Einmal abgesehen davon, dass der Titel schon völlig daneben ist, ist das eine politische Vereinnahmung, die dem Sport nicht guttut.
So wird ein Fußballturnier zu politischen Zwecken instrumentalisiert. Fußball ist in erster Linie einmal Sport, auch wenn der sportliche Gedanke hinter Kommerz und patriotischem Pathos oft zu kurz kommt. Man kann auch ohne eine patriotische Gesinnung Fußballfan sein, und ohne darüber einen Positivbezug zur Nation herzustellen.
Sie unterstellen all jenen, die das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer kritisch sehen, sie seien Spaßbremsen, die den Menschen die Freude am Fußball nehmen wollen. Um das klar zu sagen: Es geht natürlich nicht darum, alle Fußballfans, die sich eine Deutschlandfahne ans Auto hängen, zu verurteilen.
Man muss aber auch kritisch hinterfragen, was im Windschatten dieser Euphorie passiert, wenn die „Bild“-Zeitung titelt: „Schwarz-rot-geil! 1. Heimspiel in Danzig“, wenn deutsche Fans in ukrainischen und polnischen Stadien „Sieg“ und „Hurra, die Deutschen sind wieder da“ skandieren,
wenn es am Rand der Fanmeilen zu nationalistisch motivierten Gewalttaten kommt, wenn Fußballspieler aufgrund ihrer Hautfarbe mit rassistischen Fangesängen und Beleidigungen konfrontiert werden.
Meine Damen und Herren, es wird gerne behauptet, es habe sich in Deutschland ein neuer unbedenklicher Partypatriotismus entwickelt, der sogar integrativ wirke. Ignoriert wird dabei, dass rechte Gruppierungen die Fanmeilen gezielt als Plattform nutzen.
Das Institut für Konflikt- und Gewaltforschung kam zu dem Ergebnis, dass nach der Fußballweltmeisterschaft 2006 befragte Personen „nationalistischer eingestellt“ waren als früher Befragte und dass die Fremdenfeindlichkeit zugenommen habe. Nationalstolz führe zur Abwertung der anderen. Der Leiter der Studie, Prof. Heitmeyer, nennt die These vom toleranten Patriotismus einen „gefährlichen Unsinn“. Ich finde, darüber kann man nicht einfach hinweggehen.