Protokoll der Sitzung vom 06.09.2012

(Peter Stephan (CDU): Mir schreibt RWE niemals etwas auf! Das ist eine Unterstellung!)

Es ist absolut absurd, wenn Sie und Herr Rock sich hierhin stellen und sich als die Anwälte der kleinen Verbraucher aufspielen. Das glaubt Ihnen kein Mensch. 840.000 Abklemmungen gibt es jedes Jahr, also Menschen, denen Strom und Heizung abgedreht werden, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Das interessiert CDU und FDP doch nicht die Bohne, was mit diesen Menschen passiert.

(Zurufe von der CDU und des Abg. René Rock (FDP))

Sie instrumentalisieren das, um eine Stimmung gegen die erneuerbaren Energien zu schaffen. Es geht Ihnen um alles, aber sicher nicht um die soziale Frage.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Wirtschaftsrat der CDU hat bereits im Juni verkündet, dass über eine erneute Laufzeitverlängerung in absehbarer Zeit wohl wieder zu reden sein werde. Man hofft offenbar darauf, dass der Schock nach Fukushima in Vergessenheit gerät.

Für die Energiekonzerne bedeutet jede Verzögerung der Energiewende ein Mehr an Profit. Natürlich haben RWE, E.ON und Co. ein Interesse, an der zentralistischen Erzeugung von Strom festzuhalten, denn das ist die Grundlage für ihre Marktmacht. Das sieht man bei der OffshoreWindenergie.

Bei Windanlagen an Land können Genossenschaften einsteigen. Da können Stadtwerke einsteigen. Aber auf dem Meer sind die großen Konzerne aufgrund der hohen Investitionskosten konkurrenzlos. Deshalb treiben Sie das voran. Der Markt allein regelt die Energiewende nicht, weil wir es mit einem monopolisierten Markt zu tun ha

ben. Die Monopole haben beste Verbindungen zur Politik, wie man hier immer wieder hören kann.

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Ich komme zum Schluss. – Wir brauchen eine Dezentralisierung der Energieerzeugung, vor allem eine Demokratisierung. Sie als FDP würden den Stadtwerken am liebsten jede wirtschaftliche Beteiligung untersagen. Sie bedienen die Interessen der Großinvestoren, um bloß keinen Wettbewerb zuzulassen. Solange Sie sich hier als Sprachrohr der Großkonzerne präsentieren, bleiben Sie energiepolitisch einfach völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD) – Zurufe von der CDU)

Schönen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat der Ministerpräsident.

(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN: Oh! – Timon Grem- mels (SPD): Dann hat sich Ihr Beitrag schon gelohnt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf einmal zitieren:

Hessen muss auch in Zukunft ein starkes Industrieund Dienstleistungsland bleiben. Dies sichert den Wohlstand der Bürger und dem Land eine Spitzenstellung in Europa. Ökonomie und Ökologie müssen hierbei gleichwertig Berücksichtigung finden.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD)) : Meine Damen und Herren, so der gemeinsame Energiegipfel, den ich im vergangenen Jahr einberufen habe, dem alle gefolgt sind, dem alle – mit Ausnahme der LINKEN, aber das kann man ertragen – am Schluss zugestimmt haben. Das war die Grundlage dessen, was wir gemeinsam vereinbart haben. Zu diesem Punkt hat es noch nicht einmal eine der zahlreichen Fußnoten gegeben. (Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Landesregierung steht zu dieser Energiewende und steht zu dem, was wir hier ausgemacht haben. Diese Energiewende ist ein Generationenprojekt und kein Projekt der nächsten zwei, drei, vier, fünf Jahre. Deshalb wiederhole ich auch heute, was ich oft genug gesagt habe: Wir werden nicht in den Wettbewerb um die schnellste Lösung eintreten, sondern haben den Anspruch, den Wettbewerb um die für Hessen klügste Lösung zu schaffen. Darum muss es gehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Timon Gremmels (SPD))

Man wäre töricht, wenn man bestreiten würde, dass diese große Herausforderung uns alle fordert, dass es viele Interessenwidersprüche gibt, dass es auch viele noch ungelöste Aufgaben gibt. Wer wollte das eigentlich bestreiten?

Wir sollten nicht den Menschen den Eindruck vermitteln, wir hätten für alles schon eine Lösung; auf der einen Seite

säßen die, die für alles die richtige Lösung hätten, und auf der anderen Seite säßen die, die aus finstersten Motiven diesen Weg zu Glück und Licht und Zukunft nicht mitgehen wollen.

Lieber Herr Gremmels, es ist ganz spannend, was Sie sagen. Ich komme nachher noch einmal auf Sie zurück.

(Timon Gremmels (SPD): Danke!)

Was ist eigentlich an dem kritikwürdig, was ich geäußert habe? – Ich darf Ihnen das noch einmal zitieren. Ich habe es mir extra noch einmal herausgesucht. Das stand in der „Bild“-Zeitung vom 2. September 2012. Ich zitiere:

Wir wollen sicheren Strom, und wir dürfen weder Deutschlands Industrie abwürgen, noch die Menschen auf unbezahlbaren Rechnungen sitzen lassen.

(Zurufe von der CDU: Sehr richtig!)

Sehen Sie das anders?

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn Sie das anders sehen, dann sagen Sie es. Dann lassen Sie uns darüber ringen. Wir sehen das so.

Ich habe fortgeführt:

Deshalb müssen wir aufhören, Milliarden in ÖkoSubventionen zu stecken, die den Strompreis nach oben treiben.

(Timon Gremmels (SPD): Sie widersprechen damit Ihrer Umweltministerin!)

Sehen Sie das anders? Bestreiten Sie, dass diese Subventionen den Strompreis nach oben treiben? Wenn Sie das anders sehen, müssen Sie das sagen. Wenn Sie etwas anderes wollen, dann müssen Sie es sagen.

(Timon Gremmels (SPD): Dann müssen Sie Ihre Umweltministerin entlassen!)

Nein, kein allgemeines Wortgeklingel. Ich frage Sie: Sehen Sie das anders?

Lieber Herr Schäfer-Gümbel, wo stehen die deutsche und die hessische Sozialdemokratie? Stehen Sie hinter diesem Satz?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Klären Sie das doch einmal in Ihrer eigenen Regierung!)

Nein. – Ich möchte gerne von Ihnen persönlich und von der Sozialdemokratie wissen – zu den anderen kommen wir noch –: Stehen Sie zu diesem Satz, oder stehen Sie nicht zu diesem Satz? – Ich finde, die Bevölkerung hat Anspruch darauf, zu wissen, wo die einen und wo die anderen stehen. Bei uns wissen die Menschen, wo wir stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Timon Grem- mels (SPD): Wir können unseren Entschließungsantrag gerne namentlich abstimmen lassen!)

Lieber Herr Gremmels, ich möchte etwas aus der Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 3. September 2012 zitieren. Ich zitiere:

Die Schonung der energieintensiven Industrien auf Kosten der Privathaushalte ist ein Dilemma, das gelöst werden muss.

(Holger Bellino (CDU): Er hat doch keine Ahnung! – Gegenruf von der SPD: Das sagt der Richtige!)

Passen Sie auf. Es folgen dann drei Seiten. Da findet sich kein Hinweis, wie Sie das Dilemma lösen wollen. Wollen Sie diesen Teil der Industrie nicht mehr fördern? – Dann lassen Sie uns darüber streiten. Sie sagen, die energieintensiven Industrien zu schonen, erzeuge ein Dilemma. Ich sage das, damit wir genau wissen, welchen Unterschied es zwischen uns gibt.

(Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich habe Ihnen vorhin ein Zitat vorgelesen, das besagt, dass Ökonomie und Ökologie gleichmäßig Berücksichtigung finden müssen. Wir wollen ein starkes Industrie- und Dienstleistungsland bleiben. Dem haben Sie damals zugestimmt. Sie verabschieden sich jetzt vor Ort permanent von allem.

(Timon Gremmels (SPD): Was?)

Ich sage Ihnen: Diese – in Anführungsstrichen – Schonung ist kein Geschenk. Vielmehr ist das bei einem Spitzenland in Europa eine Notwendigkeit. Hessen ist ein Spitzenland. Wir müssen auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige Industrie haben.

(Timon Gremmels (SPD): Aber nicht zulasten der Verbraucher!)

Deshalb ist das, was wir dort tun, richtig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)