Protokoll der Sitzung vom 06.09.2012

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Nächster Punkt. Sie beklagen sich darüber, dass Energie teurer wird. Ich sage Ihnen: Völlig unabhängig davon, ob wir ein EEG haben oder nicht, wenn Sie sich anschauen, wie sich die Preise der fossilen Energien entwickeln, wenn Sie sich nur einmal ansehen, dass das Barrel Öl vor 15 Jahren 10 $ gekostet hat und inzwischen relativ konstant über 100 $ kostet, dann wissen Sie, oder dann könnten Sie wissen, dass wir langfristig zur Energiewende auch aus Preisgründen überhaupt keine Alternative haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Peter Stephan (CDU): Alles mit Subventionen!)

Das bedeutet, dass diejenigen, die diese Energiewende hinbekommen, langfristig einen unglaublichen Wettbewerbsvorsprung haben werden, weil sie im Gegensatz zu den anderen diese steigenden Brennstoffkosten nicht mehr haben. Sie haben irgendwann überhaupt keine Brennstoffkosten mehr. Das wäre eine Situation, an die Deutschland ziemlich nah rankommen sollte.

(Zurufe der Abg. René Rock (FDP) und Peter Stephan (CDU))

Jetzt zu Hessen und zu dem, was wir eigentlich machen müssen. Wenn Ihnen die Preise wirklich wichtig sind, wenn Sie wollen, dass wir im EEG nicht zu viel Geld ausgeben, dann müssen Sie sich die Frage stellen, warum wir die günstigste Form der Erzeugung von erneuerbarer Energie in Hessen immer noch in einem so geringen Umfang haben, nämlich die Windkraft im Binnenland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie sich darüber beschweren, dass die erneuerbaren Energien so teuer sind, dann schauen Sie einmal in den Spiegel und überlegen sich, was Sie in den letzten zehn Jahren alles dafür getan haben, dass die Windkraft in Hessen nicht ausgebaut worden ist. Daran haben Sie einen großen Anteil.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – René Rock (FDP): Keine Ahnung! – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Die Windkraft im Binnenland ist mit den Preisen an der Strombörse fast konkurrenzfähig. Wir sind in einem Bereich von 8 Cent pro Kilowattstunde.

Herr Ministerpräsident, Sie wissen, dass wir als GRÜNE im Energiegipfel sehr konstruktiv mitgearbeitet haben, weil wir gesagt haben: Es ist eine Chance, dass SchwarzGelb umkehrt. – Jetzt ist die spannende Frage: Was ist denn knapp ein Jahr später eigentlich passiert? – Wir müssen feststellen: leider nicht viel.

An bestimmten Punkten bin ich mittlerweile ein bisschen skeptisch geworden, ob Sie die Energiewende in Hessen wirklich wollen. Wir haben z. B. den Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung. Im Energiegipfel haben wir gesagt, dass wir uns den Empfehlungen des hessischen Umweltministeriums und des hessischen Wirtschaftsministeriums anschließen wollen. In diesen Empfehlungen steht: Der Abstand soll in der Regel 1.000 m betragen. – Das heißt, wenn es aus guten Gründen 950 m sein können, dann wäre das möglich gewesen, wenn man sich vor Ort einigt. In Ihrem Gesetzentwurf steht dann aber: Der Abstand muss 1.000 m betragen.

Im Energiegipfel haben wir uns aus gutem Grund darauf geeinigt – Stichwort: Windkraft im Wald –, dass wir prüfen wollen, ob die Kommunen auch an den Pachteinnahmen beteiligt werden können, selbst dann, wenn der Wald nicht der Kommune, sondern Hessen-Forst gehört. Wir stellen fest, Sie sind dem nicht gefolgt, sondern haben gesagt, Sie machen es nicht.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass Investoren entscheiden sollen, ob sie eine Windkraftanlage bauen, und es dann keine Verhinderungsplanung mehr gibt. Jetzt ist auf einmal die Windgeschwindigkeit von 5,25 auf 5,75 m pro Sekunde erhöht worden.

(Peter Stephan (CDU): Wo hat es das gegeben?)

Warum schreiben Sie überhaupt eine Windgeschwindigkeit hinein? Glauben Sie ernsthaft, dass Investoren irgendwo eine Windkraftanlage bauen und viele Millionen investieren werden, wenn dort kein Wind weht? Glauben Sie das ernsthaft?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Warum kommen Sie jetzt wieder mit Mindestwindgeschwindigkeiten, von denen im Energiegipfel nie die Rede war?

(René Rock (FDP): Sie müssen sich mit dem Thema beschäftigen!)

Herr Kollege Rock, wenn die Energiewende eine Revolution ist, und das ist sie, dann ist intern bei Schwarz-Gelb schon wieder die Konterrevolution im Gange. Das ist der Grund, warum hier nichts passiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, Sie haben nicht mehr viel Zeit. Sie werden in eine Situation kommen, in der die Frage gestellt werden wird, also ein Jahr nach dem Energiegipfel, oder wenn wir auf die nächste Landtagswahl zugehen: Was haben Sie eigentlich hinbekommen? – Wenn am Ende immer nur stehen bleibt: „Bouffier hat die Zustände beklagt, Bouffier hat gesagt, es sei alles schwierig“, kann ich nur sagen: Herr Ministerpräsident, ja es ist schwierig, aber Politik ist dafür da, die Probleme zu lösen, und nicht, den ganzen Tag über sie zu klagen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Norbert Schmitt, SPD Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat seine Redezeit um zehn Minuten überschritten. Das ist bei einer Aktuellen Stunde gar nicht zu kritisieren. Man hätte aber eigentlich erwarten können, dass er, nachdem er sich fünf Minuten mit unserem Thema und dem der GRÜNEN auseinandergesetzt hat, in den weiteren zehn Minuten darstellt, wie die Energiewende in Hessen umgesetzt werden kann, wie die Initiativen aussehen und wie die erste Bilanz aussieht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, genau das haben Sie nicht gemacht. Sie haben die weiteren fünf Minuten Ihrer Redezeit dafür verwendet,

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

sich wieder einmal als Oberbedenkenträger darzustellen und an der Energiewende herumzumäkeln. Neben der rhetorischen Floskel „wir stehen dazu“ haben Sie eigentlich in jedem Satz das Gegenteil davon ausgeführt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich hätte jetzt beinahe gesagt, Kinder und Narren sprechen die Wahrheit. – Der stellvertretende Ministerpräsident hatte bei der Debatte gleich als ersten Zwischenruf gebracht: Die Energiewende wollen wir eh nicht.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Minister Jörg-Uwe Hahn: Hat er nicht gemacht!)

Herr Hahn, wir haben es eben noch einmal überprüft, es gibt ganz viele Leute, die genau das gehört haben: Die Energiewende wollen wir eh nicht. – Wenn Sie das bestreiten, beantrage ich, dass es eine Ausfertigung des Protokolls gibt. Dann werden wir diese Debatte weiter führen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich gehe davon aus, dass meine Ohren noch vollkommen in Ordnung sind. Ich bin mir nicht sicher, ob dies bei Ihren Äußerungen, die nicht immer kontrolliert gegeben werden, der Fall ist. Das werden wir dann sehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Jörg-Uwe Hahn: Das war bei mir schon immer so!)

Die Umweltministerin hat recht – es ist gar nicht so leicht für einen Sozialdemokraten, das zu sagen, zumal wir in der Frage der Atomenergie sehr lange gestritten haben –, wenn sie sagt: Der Bürger ist zu der Energiewende bereit – wörtliches Zitat von ihr –, „wenn sie nicht andauernd schlechtgeredet und schlechtgeschrieben wird“.

Genauso sieht unser Antrag aus. An dieser Stelle können die FDP, der stellvertretende Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister endlich einmal zeigen, ob sie hinter dieser Äußerung stehen. Die Bürger sind dazu bereit, wenn die Energiewende nicht immer schlechtgeredet wird, so wie das auch von Teilen des Kabinetts gemacht wird.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident tritt immer als Bedenkenträger auf, obwohl die Energiewende eigentlich Engagement, Elan, Verstand und auch Herzblut

erfordert. Das werden Sie bei diesem Ministerpräsidenten nicht erleben.

(Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Ebenso wie der Kollege Dr. Wagner ist er eigentlich davon überzeugt, dass es falsch war, die Energiewende einzuleiten, und Deutschland weiterhin an der Atompolitik hätte festhalten müssen. Es ist eigentlich Ihre Grundhaltung und Ihre Überzeugung, dass alles zu schnell ging und Sie von Frau Merkel überrollt worden sind.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dieses Bild, diese innere Haltung wird eigentlich in jedem Ihrer Sätze deutlich. Sie formulieren die Bedenken, Sie sagen, es könne nicht klappen, es führe zu Belastungen an dieser und jener Stelle.

Da kommen wir wieder zur Formulierung der Umweltministerin zurück. Ja, natürlich müssen wir aufklären. Natürlich ist die Energiewende nicht einfach. Deswegen erfordert sie Engagement, und sie erfordert auch einen Konsens. Was aber nicht sein darf, ist, dass sie jede Woche angeschossen wird, übrigens auch von einem Wirtschaftsminister. Er sagt, dass EEG-Modell habe sich nicht bewährt und müsse durch ein Quotenmodell – das übrigens gerade in England droht auseinanderzufliegen, weil es Fehlanreize setzt und falsch konzipiert ist – ersetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich finde es richtig, dass Sie heute den Wirtschaftsminister eingeseift haben. Sie haben ihm heute in der Debatte eine verpasst. Dafür muss ich Sie loben.

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Das habe ich nicht gemacht, hören Sie auf!)

Was Sie aber nicht gemacht haben, ist, zu der Frage Netzausbau etwas zu sagen. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, ob der Naturschutz an der Stelle hindernd wirkt oder nicht. Die Umweltministerin hat gesagt – – Herr Bouffier, Sie können ruhig dauernd dazwischenquaken. Vorhin ist von „Schreihälsen“ geredet worden. Sie machen mich mit Ihren Zwischenrufen von der Regierungsbank aus nicht nervös.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)