Protokoll der Sitzung vom 06.09.2012

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Die Umweltministerin hat recht, wenn sie sagt, dass sich das EEG im Grunde bewährt hat und zum Ausbau dezentraler Energieversorgungsstrukturen dieser Art eine garantierte Förderung mittels Umlage weiterhin benötigt wird. Herr Ministerpräsident, ich habe Sie heute so verstanden, dass auch Sie diese Meinung vertreten. Sie haben allerdings nicht gesagt, ob durch den Naturschutz der Netzausbau behindert wird, was Teile Ihres Kabinetts immer wieder behaupten, und Sie haben nichts zu der E-10Diskussion gesagt, bei der es ebenfalls massive Meinungsverschiedenheiten gibt, auch in Ihrem Kabinett. Da hätten Sie als Ministerpräsident die Überschreitung der Redezeit wenigstens dazu nutzen können, um klare Worte zu sagen. Das haben Sie nicht getan.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN – Vizepräsident Lothar Quanz über- nimmt den Vorsitz.)

Ich will als Sozialdemokrat auf Ihre Fragen gerne antworten. Es ist ja eine neue Situation, dass die Landesregierung die Opposition befragt, aber wir sind gern zur Antwort bereit.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben sicher mehr Antworten als die Landesregierung, wenn es um die Energiewende geht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Frage war: Stehen wir zum Industriestandort Hessen? – Das fragen Sie Sozialdemokraten, die seit 60 Jahren in diesem Land unterwegs sind, um genau das zu sichern.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Viele Konflikte – das muss ich jetzt in Richtung der GRÜNEN sagen –, die wir in vergangenen Regierungen hatten, liefen ja genau entlang dieser Frage. Aber eines haben Sozialdemokraten auch festgestellt: dass es Bereiche der Industrie gibt, die nie zufrieden sind und mit ihren Forderungen immer deutlich über das Ziel hinausschießen.

Wir haben die Situation, dass die Zahl der Ausnahmen, der Befreiungen vom EEG massiv ausgeweitet worden ist. Sie reden immer von Fehlanreizen bei der Solarförderung, bei der Windkraftförderung und beim EEG. Warum reden Sie denn nicht auch einmal über Fehlanreize, die es bei den Befreiungen gibt? Ich nenne Ihnen Beispiele. Es gibt Firmen, die – obwohl Betriebsferien sind – zwischen den Jahren unsinnigerweise die Maschinen unproduktiv weiterlaufen lassen, um Strom zu verbrauchen, damit sie über der Befreiungsquote sind. Das ist bekannt; das ist ein massiver Fehlanreiz. Als zweites Beispiel nenne ich die Befreiung von Vattenfall für die Braunkohleförderung. Vattenfall kann gar keine Arbeitsplätze in das Ausland verlagern. Auch da: ein völliger Fehlanreiz.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, warum sagen Sie nicht, dass diese Befreiungen von anderen bezahlt werden müssen? Jede Befreiung – –

(Der Redner hustet.)

Ich habe leider eine Erkältung.

(Minister Florian Rentsch: Soll ich Ihnen auf den Rücken klopfen?)

Nein, Herr Rentsch, das wäre von Ihrer Seite zu viel des Guten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Florian Rentsch: Ich bin gerne dazu bereit!)

Ich lasse mir normalerweise nur von Parteifreunden auf den Rücken schlagen.

(Große Heiterkeit – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Nur Mut, Herr Schmitt!)

Die tun das meist zärtlicher, als ich es von Ihnen vermuten würde.

(Große Heiterkeit – Minister Florian Rentsch: Da wäre ich mir nicht so sicher!)

Der Zwischenruf hat es mir ermöglicht, meine Stimme wiederzufinden. – Herr Ministerpräsident, warum sagen Sie nicht, dass jede Befreiung zu mehr Kosten, z. B. für den Mittelstand und die Verbraucher, führt? Jede Befreiung führt dazu, dass andere stärker belastet werden müssen, weil es ein Umlagesystem ist. Auch darüber muss man doch einmal nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Vieles von dem, was Sie heute hier vorgetragen haben, war wieder einmal von großen Bedenken getragen. Sie haben jetzt den Lackmustest: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und stärken Sie Ihrer Umweltministerin den Rücken. Unser Antrag ist ja eigentlich eine Rückenstärkung für Ihre Umweltministerin. Auch die CDU könnte und sollte das an dieser Stelle tun. Die Dame hat es aus unserer Sicht verdient. Sie scheint etwas entschiedener als der Ministerpräsident zu sein, wenn es um die Energiewende und den notwendigen Einsatz in Hessen geht. Das zeigt, dass sie ein entsprechendes Bewusstsein hat, dass sie auf dem Wege ist, dass sie dazugelernt hat. Das kann man vom Ministerpräsidenten leider nicht sagen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Als Nächster hat sich der Fraktionsvorsitzende der CDU zu Wort gemeldet. Herr Dr. Wagner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Volker Bouffier hat in seiner heutigen Rede darauf hingewiesen, dass es ein Ausdruck verantwortungsvoller Politik ist, wenn man Ökonomie und Ökologie in einen guten und den Menschen nützenden Ausgleich bringt. Das ist der Leitsatz für jede verantwortungsvolle Politik für unser Land, für unsere Bürger, für die Arbeitsplätze und für die Wirtschaft. Das müsste eigentlich selbstverständlich sein.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wenn ich nach dieser, wie ich finde, sehr, sehr vorbildlichen und eindrucksvollen Rede die Reaktion des Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN sehe, dann habe ich das Gefühl: same procedure as every year. Auf eine differenzierte Rede des Ministerpräsidenten folgt die übliche und bekannte Rhetorik des grünen Fraktionsvorsitzenden AlWazir.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er sagt, diese Regierung betreibe eine Lobbypolitik nur für die Großen. – Jetzt müssten Sie eigentlich Beifall klatschen, Herr Al-Wazir, wenn Sie der gleichen Auffassung sind wie vor einer Viertelstunde.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er spricht davon, dass es nur um die Großkonzerne gehe. Meine Damen und Herren, das ist eine Klassenkampfrhetorik, die ich aus dem letzten Jahrhundert, aus dem 20. Jahrhundert, kenne, die heute nicht mehr passt. Sie haben ganz einfach die Zeit verschlafen, Herr Al-Wazir.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt der Richtige!)

Wir stehen vor modernen, neuen Herausforderungen in diesem Bereich, bei denen es um die Zukunft unseres Volkes geht. Das Wort „Klassenkampf“ führt uns nicht weiter.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich den GRÜNEN, die einmal für sich in Anspruch nehmen konnten, in diesem Bereich eine besondere Kompetenz zu besitzen, ausdrücklich sagen: Fangen Sie an, zu differenzieren, fangen Sie an, abzuwägen. Politik besteht in diesem Bereich aus verantwortungsvollem Abwägen und nicht aus billigem Polemisieren. Sonst kommen wir nämlich nicht weiter, und das wollen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land auch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Was mich an dem Beitrag von Herrn Al-Wazir besonders betroffen macht: Er blendet die Arbeitsplätze völlig aus. Er spricht immer von Großkapital und von Großkonzernen. Dass es um Hunderttausende Menschen geht, die in den Betrieben – übrigens auch in mittelständischen Betrieben – ihren Lebensunterhalt verdienen, ihre Arbeit haben, wird ausgeblendet. Herr Al-Wazir, ich glaube, dass diese Polemik, diese Rhetorik des Klassenkampfes bei den Menschen nicht mehr ankommt, nicht einmal mehr bei den Anhängern der GRÜNEN.

Meine Damen und Herren, wir haben in Hessen Hunderte von energieintensiven mittelständischen Unternehmen. Es geht nicht nur um große Unternehmen, wo ebenfalls viele Arbeitsplätze vorhanden sind. Auch eine große Zahl von mittelständischen Unternehmen arbeitet energieintensiv. Das müssten Sie eigentlich wissen.

(Zurufe von der SPD)

Lassen Sie mich hinzufügen: Herr Al-Wazir, ich frage mich, was Sie zu diesem Thema in den letzten zwölf Monaten an Landespolitik eigentlich mitbekommen haben. Sie sagen, dass die Landesregierung in diesem Bereich nicht aktiv sei. Ministerpräsident Volker Bouffier ist der einzige Ministerpräsident in ganz Deutschland, der nach der Energiewende zu einem Energiegipfel eingeladen und alle gesellschaftspolitisch relevanten Gruppen zu einem Konsensgespräch zusammengeführt hat.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich: Was sagt denn Ministerpräsident Kretschmann dazu? Warum ist er diesem großartigen Beispiel nicht gefolgt? Was sagt Ministerpräsident Beck aus Rheinland-Pfalz dazu, was sagt Herr Platzek aus Brandenburg dazu? – Nichts, null Ansage. Es ist ein klares Faktum, dass Hessen unter der Landesregierung von CDU und FDP hier vorbildlich ist.

Ich will zum Schluss feststellen: Einseitigkeit und Polemik helfen bei der Energiepolitik nicht weiter. Hier sind differenziertes Argumentieren, vernünftiges Abwägen und vor allem das Übernehmen von Verantwortung für die Zukunft unseres Landes und für die Zukunft der Arbeitsplätze gefordert. Verantwortung statt billiger Polemik, das ist das Gebot dieser Stunde, und das Gebot dieser Stunde hat die Opposition völlig verschlafen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Wagner, vielen Dank. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Müller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte erinnert mich fast ein bisschen an die vo

rige; denn es wird in einem fort versucht, CDU und FDP irgendetwas zu unterstellen und sie zu diffamieren. Ich würde das als „diffamieren“ bezeichnen.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)