Protokoll der Sitzung vom 06.09.2012

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Sie unterstellen uns, wir arbeiteten für die Großkonzerne, und Sie unterstellen uns, wir wollten die Energiewende blockieren.

(Zurufe von der LINKEN)

Sie wissen selbst ganz genau, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir gestalten die Energiewende; aber wir machen das mit Augenmaß. Wir müssen jederzeit von Neuem analysieren, wo wir etwas anpassen und etwas ändern müssen. Das EEG sah Anfang des Jahres eine Förderung von 1 Cent pro Kilowattstunde vor. Wir sind jetzt bei über 5 Cent pro Kilowattstunde.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen doch erkennen, dass man das nicht ohne Weiteres hinnehmen, keine weiteren Steigerungen abwarten und nicht weiter zusehen kann, wie sich die Energie verteuert. Wir müssen darauf eingehen. Wir müssen nach Lösungsansätzen dafür suchen, wie wir dieses Problem in den Griff bekommen. Deswegen ist es auch richtig, dass wir darüber nachdenken.

Das Quotenmodell wird auch vom RWI Essen und von der Monopolkommission vertreten. Man muss doch darüber nachdenken, ob das eine alternative Lösung für das Problem der immer weiter steigenden Förderung in diesem Bereich der Energieversorgung ist. Deswegen ist es richtig, dass man das zumindest ins Auge fasst, es prüft und darüber nachdenkt, es umzusetzen.

(Beifall bei der FDP)

Da ich gesehen habe, dass das Energiezukunftsgesetz, das wir eingebracht haben, erhebliche Zustimmung erfahren hat, frage ich mich: Warum nehmen Sie das nicht zur Kenntnis? Wir gestalten die Energiewende mit Augenmaß. Herr Al-Wazir, was passiert denn in Baden-Württemberg? Wie viele Windräder sind da gebaut worden? Den Bau von neun Windrädern hat Herr Kretschmann in seinem ersten Jahr auf den Weg gebracht. Hervorragend, herzlichen Glückwunsch. Damit wird die Energiewende nach vorne gebracht.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn da früher regiert? – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wer ist da abgewählt worden? – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, die Diskussion ist von vorne bis hinten verzerrt. Sie versuchen hier, den Eindruck zu erwecken, dass diese Energiewende nicht funktionieren kann. Das Gegenteil ist der Fall. Genau das werden wir Ihnen beweisen. Was haben wir denn davon, wenn wir jetzt die Fotovoltaik und die Windenergie massiv ausbauen, die Netze aber gar nicht in der Lage sind, diese Strommengen aufzunehmen? Genau das ist das Problem. Die GRÜNEN stehen doch an erster Stelle, wenn es darum geht, den Bau von Energieleitungen und Netzen zu blockieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): So ein Unsinn!)

Bei Wahle – Mecklar sind Sie vorne mit dabei. In Nordrhein-Westfalen, in Niedersachsen – überall sind Sie vorne

mit dabei, wenn es darum geht, den dringend erforderlichen Netzausbau, der Priorität haben muss, zu verhindern. Sie sagen, alle Umweltvorschriften müssten strikt eingehalten werden. Darauf drängen Sie, und Sie freuen sich, wenn Sie das verzögern können. So kommen wir aber nicht voran.

Das ist die Energiewende; da müssen wir ansetzen. Solange Sie das nicht zugestehen, das nicht einsehen und sich den Aktivitäten der Bundesregierung nicht anschließen, haben Sie kein Recht, solche Behauptungen aufzustellen, wie Sie es heute gemacht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein Beispiel bitte! Ein einziges konkretes Beispiel! Nur ideologische Fragen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Aussprache über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuellen Stunde (Erst versprochen, schon gebrochen – Schwarz-Gelb in Hessen kann und will die Energiewende nicht).

In Verbindung damit ist Tagesordnungspunkt 32 aufzurufen: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend hessischer Kabinettstreit in zentralen energiepolitischen Fragen konterkariert das Ergebnis des Energiegipfels, Drucks. 18/6073. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Die Fraktion der SPD, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur nächsten Aktuellen Stunde. Ich rufe Tagesordnungspunkt 61 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Für mehr Stabilität in Europa: Europa braucht Haushaltskonsolidierung statt Schuldenunion – Hessen unterstützt Bundesbankpräsident W.) – Drucks. 18/6106 –

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So steht das hier. Ich glaube, der Bundesbankpräsident hat einen kompletten Nachnamen. Herr Noll wird ihn uns jetzt sicherlich mitteilen. Herr Noll, Sie haben als Erster das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die CDU macht jede Verwaltung lächerlich!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Weidmann heißt der Mann, der diese guten Standpunkte vertritt. Das steht so in der Drucksache.

Als sich in den Neunzigerjahren die europäischen Länder aufmachten, um gemeinsam an einem Stabilitäts- und Wachstumspakt zu arbeiten, und diesen Pakt dann auch gemeinsam verabschiedeten, war einer der wesentlichen Konstruktionspunkte dieses Pakts, dass jedes teilnehmende Land Eigenverantwortung an den Tag legt und dass die Stabilität der gemeinsamen Währung oberstes Ziel des gemeinsamen Handelns der teilnehmenden Länder ist.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Der Banken!)

Man hat seinerzeit auch die dafür zuständigen Institutionen benannt. Die Geldwertstabilität war klar der Europäischen Zentralbank zugeordnet. Die Europäische Zentralbank hatte damit aber auch einen klaren Aufgabenkatalog, mit dessen Hilfe sie die Stabilität sicherstellen sollte.

Dazu gehörte es nicht, Fiskalpolitik zu betreiben, sondern es ging ausschließlich darum, Maßnahmen zu ergreifen, die die Stabilität der gemeinsamen Währung sicherstellen. Die Kriterien, die sich die Staaten selbst gegeben haben, was die Verantwortung ihres eigenen fiskalischen Handelns betraf, waren ebenfalls klar. Dazu gehörte eine Begrenzung der Verschuldung, und dazu gehörte auch die Akzeptanz der unterschiedlichen Institutionen in Europa, die sicherstellen sollten, dass auf der einen Seite Stabilität gewährleistet war und auf der anderen Seite eine Überschuldung verhindert wurde.

Was hat sich aber im Laufe der Jahre ergeben? Es sind sicherlich Länder mit sehr unterschiedlichen Traditionen in der Fiskalpolitik zusammengekommen. Wie war das früher? Länder, deren Zentralbanken anders konstruiert waren, haben ihre Schulden durch die Abwertung ihrer eigenen Währung bekämpft, bzw. sie haben das mithilfe der Geldmengenpolitik und damit auch der schleichenden Enteignung ihrer Bürger gemacht. Das ist im Rahmen einer gemeinsamen Währung nicht mehr möglich. Dort muss man sich an Spielregeln halten. Dazu gehörten die Begrenzung der eigenen Verschuldung, aber auch die Verantwortung für die eigene Fiskalpolitik.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das Geheimnis der stabilen D-Mark war die unabhängige Zentralbank: die Unabhängigkeit der Bundesbank. Sie hat sichergestellt, dass im Gegensatz zu anderen europäischen Währungen die D-Mark eine stabile Währung war und es eigentlich noch immer ist, denn sie ist schließlich nicht abgeschafft.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Da wollen Sie wieder hin?)

Das war auch das Grundprinzip bei der Schaffung der Europäischen Zentralbank: Die Prinzipien der Deutschen Bundesbank wurden auf die Europäische Zentralbank übertragen. Das war die Grundlage der Verträge.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Leider ist die Europäische Zentralbank, bedingt durch die Mehrheiten, die sich im Europäischen Zentralbankrat ergeben, vom Ziel der Stabilität – dem Ziel der Trennung zwischen Fiskalpolitik und Geldpolitik – abgewichen. Die Bestrebungen gehen jetzt dahin, über die Geldmengenpolitik und über den Ankauf von Schuldanleihen das Ziel einer gemeinsamen stabilen Währung zu untergraben. Diesem Ziel können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Der Bundesbankpräsident Weidmann,

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): W., bitte!)

der auf die Unabhängigkeit der Geldpolitik von der Schuldenpolitik drängt, ist daher auf dem richtigen Weg. Wir unterstützen ausdrücklich diesen Weg der Stabilität und der Unabhängigkeit von der Schuldenpolitik, die einzelne Länder in Europa betreiben. Wir unterstützen aber auch den Appell an die Eigenverantwortlichkeit: Eigene

Schulden müssen durch eigene Anstrengungen in den eigenen Staaten bekämpft werden. Deswegen hat der Bundesbankpräsident Weidmann unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): W., bitte!)

Vielen Dank, Herr Noll. – Ich darf Herrn van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort erteilen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): W. v. O.! – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre zu auffällig. – Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): W. v. O. statt WTO!)

Mit der Hetze gegen angeblich faule Südeuropäer, die über ihre Verhältnisse gelebt hätten, wollen die Herrschenden in Deutschland von den wirklichen Ursachen der Krise einfach ablenken.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich verstehe gut, dass dies in den betroffenen Ländern zu Unmut führt, zumal deutsche Politiker die dortige Bevölkerung über Kürzungsdiktate und Entmachtung der Parlamente in die Armut treiben. Eine solche Politik spielt den Chauvinisten in ganz Europa in die Hände und fügt der Idee eines solidarischen, geeinten Europas schweren Schaden zu. Der Euro liegt noch immer auf der Intensivstation. Die Berliner Zwangsdiät ruiniert die Gesundheit des europäischen Patienten. Die Euro-Rettungsschirme ESFS und ESM sind zu klein, um die Schwergewichte Italien und Spanien vor den Spekulanten zu schützen, und für größere Schirme wollen die Parlamente der Zahlmeister kein Geld mehr ausgeben.

Da hat die Internationale der Stammtischkasper ganze Arbeit geleistet. CSU-Dobrindt und FDP-Hahn haben die nationalistischen Töne verstärkt. Nur die Notenbanken können noch verhindern, dass der Euro unter der nächsten größeren Kapitalfluchtwelle begraben wird. Durch den Ankauf südeuropäischer Staatsanleihen könnten die Währungswächter die Zinsen kräftig nach unten drücken. Vermutlich reicht es schon aus, nur darüber zu reden. Dafür wäre eine Banklizenz für die EZB sicher sinnvoll. Dann könnten die Zentralbanker den Rettungsfonds finanzieren. Ein beherztes Eingreifen von Zentralbank oder Rettungsfonds würde die Staaten endlich aus der Geiselhaft der Finanzmärkte befreien.

(Beifall bei der LINKEN)

Keine Zocker würden mehr eine Pleite Athens, Roms oder Madrids anwetten.