Protokoll der Sitzung vom 25.09.2012

(René Rock (FDP): Einsicht ist eine Tugend!)

Herr Präsident! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil wir gegen Ende der Rede der Frau Ministerin an den spannenden Punkt kamen. Frau Ministerin, Sie haben jetzt viele Worte gemacht, aber Sie haben nicht widerlegt, dass Sie an den Schulen mit Parallelbetrieb den Elternwillen abschaffen. Nicht mehr die Eltern entscheiden über den weiteren Weg – so viel zum Thema Freiheit –, sondern die Schulen entscheiden über den weiteren Weg.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, sicher!)

Sie haben ausdrücklich auf Ihren Pressetext verwiesen, deshalb will ich den vorlesen. Sie müssen es nicht mir glauben, aber vielleicht Ihrer eigenen Pressemitteilung. Darin steht:

Die Entscheidung für G 8 oder G 9 am Ende der Jahrgangsstufe 6 trifft die Schule auf der Grundlage der Interessenbekundung der Eltern …

Die Eltern dürfen ein Interesse bekunden, und die Schule entscheidet. Was hat das mit Wahlfreiheit zu tun?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Frau Ministerin, jetzt sagen Sie, das gelte nur für die wenigen Schulen, die sich für den Parallelbetrieb entscheiden. Jetzt müssen Sie sich selbst ernst nehmen oder Ihren bildungspolitischen Sprecher der FDP ernst nehmen. Der hat gesagt, Sie machen diesen Parallelbetrieb vor allem für die Schulen im ländlichen Raum, damit es da überhaupt eine Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 gibt. – Das ist ein interessanter Ansatz. Nur, wenn man gerade im ländlichen Raum die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 ermöglichen will, dann darf man den Eltern diese Wahlfreiheit nicht dadurch nehmen, dass am Ende die Schule entscheidet, ob G 8 oder G 9. Das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Ministerin, all Ihre vielen Worte können nicht darüber hinwegtäuschen: Das, was Sie hier vorsehen, soll den Elternwillen, die freie Entscheidung der Eltern über den weiteren schulischen Weg ihres Kindes, einschränken, und das wird niemals unsere Zustimmung finden. Wahlfreiheit muss man eben nicht nur wollen, man muss es auch können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Mein Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung durchgeführt.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht niemand. Es ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Kreislaufwirtschaftsgesetz (HAKrWG) – Drucks. 18/6180 –

Die vereinbarte Redezeit ist fünf Minuten pro Fraktion. Ich erteile Frau Ministerin Puttrich das Wort zur Einbringung.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe heute den Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Hessisches Ausführungsgesetz zum Kreislaufwirtschaftsgesetz ein. Anlass der Novelle ist, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes am 1. Juni 2012 in Kraft getreten ist und eine entsprechende Anpassung notwendig ist.

Zum zeitlichen Ablauf. Wir sind in Hessen mit unseren Novellierungsaktivitäten bundesweit an der Spitze. Außer von Rheinland-Pfalz, die sich nach dem ersten Kabinettsdurchgang gerade in der Regierungsanhörung befinden, liegen von den anderen Bundesländern noch keine Erkenntnisse vor, inwieweit man entsprechende Anpassungen vornimmt.

Ein Teil der Novelle beschränkt sich auf redaktionelle Änderungen, das ist nicht so ganz aufregend. Aber inhaltlich beschäftigt sich diese Novelle mit der Änderung der Andienungspflicht zur HIM, und das ist schon ein wesentlicher Bestandteil. Die Andienungspflicht gefährlicher Beseitigungsabfälle, die man früher Sonderabfälle nannte, an den zentralen Träger HIM GmbH soll mit dieser Novelle aufgehoben werden. Aus abfallwirtschaftlicher Sicht ist das zu begrüßen. Durch das bundesrechtlich geregelte elektronische Nachweisverfahren besteht eine ausreichende Überwachungssicherheit für die gefährlichen Abfälle. Damit ist sichergestellt, dass alle gefährlichen Beseitigungsabfälle einem gemeinwohlverträglichen Entsorgungsverfahren zugeführt werden. Des Weiteren hat sich die Situation verändert. Im Gegensatz zu früheren Jahren gibt es keine Engpasssituation mehr bei Entsorgungsanlagen für gefährliche Beseitigungsabfälle aus Hessen. Aus diesem Grund glauben wir, dass die Andienungspflicht wegfallen kann.

Ein weiteres Argument ist, dass mittlerweile ein Großteil der gefährlichen Abfälle umweltverträglich verwertet wird und der Anteil der gefährlichen Abfälle, die dann wiederum als Beseitigungsabfall der Andienungspflicht in Hessen unterliegen, immer geringer wird. Wir glauben, dass mit dem Wegfall der Andienungspflicht bürokratische Verfahren wegfallen und ein Wettbewerb im Bereich der Entsorger eintritt, d. h. die Entsorgungskosten durch den Wettbewerb positiv beeinflusst werden können – darauf

lege ich Wert –, ohne den Umweltstandard in irgendeiner Form einzuschränken. Das wäre auch nicht im Sinne der Sache, weil an oberster Stelle selbstverständlich der Erhalt eines hohen Umweltstandards stehen muss.

Ein weiteres Argument, weshalb der Wegfall dieser Andienungspflicht vorgesehen ist, ist eine Verschmelzung von hoheitlichen Aufgaben und privatwirtschaftlichen Interessen, die durchaus als problematisch angesehen werden kann und im Moment auch beklagt ist. Die HIM GmbH hat die öffentlich-rechtliche Aufgabe, gefährliche Abfälle einer geeigneten Entsorgungsanlage zuzuweisen. Dabei weist die HIM GmbH diese Abfälle vorzugsweise eigenen, privatwirtschaftlich betriebenen Entsorgungsanlagen zu. Das ist eine Verflechtung, die an der Stelle aufgehoben wird, wenn die Andienungspflicht wegfällt. Ich habe es eben angesprochen: Gerade dieser Interessenkonflikt ist Gegenstand der Klage eines Entsorgungsunternehmens gegen die HIM GmbH. Das Verfahren ist gerade vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel anhängig.

Die Andienungspflicht zur Beseitigung gefährlicher Abfälle in anderen Bundesländern ist mit dem hessischen Modell nicht vergleichbar. Die dortigen Sonderabfallgesellschaften nehmen hoheitliche Aufgaben der Abfallüberwachung wahr. Im Gegensatz dazu weist die HIM die Abfälle lediglich zu und nimmt keine Abfallüberwachung vor. Außerdem befinden sich die Sonderabfallgesellschaften der anderen Bundesländer ganz oder mehrheitlich in Händen des jeweiligen Landes, und keine dieser Gesellschaften betreibt eigene Entsorgungsanlagen. Eine Ausnahme gibt es in Bayern. Die Sonderabfallgesellschaft in Bayern wird zu 80 % vom Land Bayern gehalten. Sie betreibt eigene Anlagen, ebenso wie die HIM; allerdings kommt die hoheitliche Zuweisung der Abfälle in die eigenen Anlagen bei der bayerischen Lösung nicht vor.

Ergebnis der durchgeführten Regierungsanhörung ist, dass die Verbände der Aufhebung der Andienungspflicht zugestimmt haben oder, besser gesagt, sie begrüßt haben. Dazu gehören Industrie- und Wirtschaftsverbände wie VhU, VCI und die IHK. Aber nicht nur die, sondern auch die Kommunalen Spitzenverbände – sowohl der Landkreistag als auch der Hessische Städtetag – haben den Wegfall dieser Andienungspflicht entsprechend befürwortet. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die große Mehrheit es befürwortet hat, es aber selbstverständlich auch einige gibt – wie es bei Anhörungsverfahren so ist –, die den Wegfall der Andienungspflicht kritisieren. Das ist allerdings eine Minderheit. Dazu muss man erwähnen, dass auch die betroffene HIM GmbH den Wegfall der Andienungspflicht kritisiert; ich denke, das kann man aus Sicht des Unternehmens ein Stück weit nachvollziehen.

Ich wünsche mir von Ihnen eine gute Begleitung in der Beratung dieses Gesetzentwurfs und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat sich Kollege Landau für die Fraktion der CDU gemeldet.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und auch angesichts der Überschaubarkeit des Inhalts kann ich mich sehr kurz fassen,

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

zumal die Ministerin bereits alle wichtigen Punkte angesprochen hat.

Ich glaube, es ist unstrittig, dass wir wissen, was wir an unserem Abfallsystem haben, dass es seitens des Bundes verändert worden ist und wir diese Veränderungen unterstützen. Dies bedeutet aber auch, rechtliche Regelungen in Hessen anpassen zu müssen, damit es nicht zu Unstimmigkeiten kommt.

Die Ministerin hat auch den eigentlich zentralen Punkt angesprochen, nämlich die Andienungspflicht an die HIM GmbH; sie hat alle Gründe genannt. Dem habe ich nichts Weiteres hinzuzufügen. Ich kann nur sagen, dass ihre Argumente von der CDU-Fraktion geteilt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Landau. – Das Wort hat Herr Abg. Eckert von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für Ihre Worte und für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs, Frau Ministerin, bei dem Sie versuchen, das auf Bundesebene im Bereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Geregelte hier so auf Hessen anpassen zu wollen, dass es praktikabel umzusetzen ist. Wir müssen aber auch noch die Frage erörtern, wie die strukturellen Defizite und Schwächen des bisherigen Systems im Sinne einer praktikablen Umsetzung beseitigt werden können. Darüber, ob Sie zu den jeweiligen Einzelpunkten die richtigen Schlussfolgerungen gezogen haben, mag man unterschiedlicher Auffassung sein. Auf den einen oder anderen Punkt komme ich sicherlich noch.

Wir sind uns jedoch einig, dass es richtig und wichtig ist, eben diese Grundgedanken der Abfallhierarchie der Bundesgesetzgebung für die öffentliche Hand in Hessen so deutlich festzuschreiben und deren Aufgaben darzulegen, wie Sie es in diesem Gesetzentwurf getan haben.

Sich dem Grundsatz der Förderung der Kreislaufwirtschaft sowie dem Grundsatz der Verwertung in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen vor der Entsorgung der Abfälle zu verpflichten ist ein richtiger und wichtiger Ansatz; denn richtig umgesetzt können somit – gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Rohstoffwirtschaft – wichtige Impulse gesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, ich habe die richtige Umsetzung angesprochen; denn ein Hinweis fehlt mir in Ihrem Gesetzentwurf gänzlich. Ich will kurz zitieren, was bisher durch das geltende Recht beschrieben wird. In § 1 HAKA heißt es:

Die abfallarme Kreislaufwirtschaft ist nach Maßgabe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes so zu gestalten, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird,

jetzt kommt es –

insbesondere nicht durch eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, gerade nachdem wir uns in der letzten Zeit immer wieder über dieses Thema unterhalten mussten und darüber diskutiert haben – ich beziehe mich auf den Fall der Firma Woolrec im Lahn-Dill-Kreis –, stellt sich doch die Frage, warum Sie gerade diesen Grundsatz in dieser Normierung nicht übernommen haben und weiterschreiben. Das Weglassen einer solchen Vorgabe spricht Bände und ist eindeutig ein falsches Signal, das von diesem Gesetzentwurf ausgehen würde.

(Beifall bei der SPD)

Richtig und begrüßenswert – darauf haben Sie besonderen Wert gelegt, Frau Ministerin – ist der Wegfall der Andienungspflicht an den zentralen Träger, die HIM GmbH; denn der eigentliche Hintergrund für die Einführung ist entfallen, wenn die modernen Verwertungsmethoden richtig angewendet werden. Ebenso sind die Kontrollmöglichkeiten ausreichend und effektiv für den Schutz der Bevölkerung, wenn sie richtig angewendet werden.

Aber auch hier steckt der Teufel im Detail, der Hinweis auf die richtige Anwendung macht es deutlich: Nur wenn Kontrolle – in sächlicher und personeller Hinsicht – gewährleistet werden kann, können entsprechende negative Auswirkungen auf die Allgemeinheit ausgeschlossen werden, und es braucht keine Andienungspflicht an die zentrale Stelle. Der Wegfall ist also durchaus nachvollziehbar und richtig.

Wir glauben jedoch nicht, dass dies – wie Sie es im Gesetzentwurf beschreiben – mit einer Überwachungs- und Kontrollfunktion auf der Ebene der Regierungspräsidien richtig angesiedelt ist. Es wäre nur konsequent und sachlich geboten, die grundsätzlichen Überwachungszuständigkeiten für Entsorgungsanlagen und Abfallströme den Landkreisen und den kreisfreien Städten zu übertragen.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Dass die Regierungspräsidien das berühmte Stückchen zu weit von den Problemen vor Ort weg sind, haben wir bereits erlebt. Deshalb sollte diese Kontrolle verändert werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))