Protokoll der Sitzung vom 25.09.2012

Im Übrigen – das sage ich auch in Richtung des Kollegen Wilken – sind wir als Fraktion und ich in dieser Frage jederzeit sprechfähig. Wenn Sie aber mit uns sprechen wollen, sollten Sie Ihre Einladungen auch an uns adressieren und sich nicht vor den Hessischen Landtag stellen und sagen, wir würden an irgendwelchen Workshops oder Werkstattgesprächen nicht teilnehmen. Wenn Sie uns eine Einladung schicken, kommen wir natürlich auch zu Ihren Werkstattgesprächen.

Ihre Schlussfolgerung aber ist nicht die richtige. Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf ausdrücklich, dass es einen Totalausfall gegeben habe. Sie sprechen dort im Übrigen auch noch von einem Frühwarnsystem. Die Feststellung, die Sie treffen, kann im Fall des Rechtsextremismus durchaus als Begründung dienen. Ich glaube, wir müssen ganz genau hinsehen, wie die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Jahren auf den Rechtsextremismus geschaut haben, wie man in diesem Bereich gearbeitet hat und ob dort nicht – ich habe es schon einmal gesagt – mit deutlicher Sehschwäche beobachtet worden ist.

Wir haben es aber nicht nur mit dem Phänomen des Rechtsextremismus zu tun, wie Sie es schreiben, Herr Kollege Wilken. Wir haben es auch mit anderen Formen des Extremismus zu tun, z. B. Islamismus, Salafismus und Ausländerextremismus. Wir haben es aber auch mit Linksextremismus und Rechtsextremismus zu tun. Ihr Vorschlag und die Analyse, auf der er basiert, sind nicht ausreichend.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Nicht ausreichend?)

Der Vorschlag ist nicht geeignet.

Für den Umgang mit diesen unterschiedlichen Bereichen des Extremismus brauchen wir Erkenntnisse. Wenn Sie einmal die Berichte des Verfassungsschutzes auch zu diesen Feldern lesen, so werden Sie durchaus erkennen, dass es interessante Hinweise und Schlussfolgerungen dazu gibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Meine Damen und Herren, es reicht eben nicht aus, eine Schlussfolgerung, die Rolf Gössner in einem Gespräch mit der „Frankfurter Rundschau“ geäußert hat, in ein Gesetz zu gießen; denn er hat bei dieser Veranstaltung mit ei

ner öffentlichen Dokumentationsstelle genau das gefordert, was Sie jetzt umsetzen wollen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Der hat 40 Jahre Erfahrung!)

Ich zitiere Ihnen gleich noch jemanden, der in diesem Bereich Erfahrung hat. – Das ist nicht zielführend.

Wenn Sie sich beispielsweise die Mühe machen und den Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ vollständig lesen, werden Sie auch Dr. Armin Pfahl-Traughber zitieren können, der das Jahrbuch für Extremismus und Terrorismus herausgibt. Er sagt, dass es beim Verfassungsschutz durchaus Reformbedarf gebe, aber die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes gestärkt werden müsse.

Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es muss eine grundständige Diskussion über den Verfassungsschutz insgesamt geführt werden. Man muss sich den Bereich der V-Leute genauer anschauen, wie es Frau Kollegin Faeser gerade gesagt hat und wie es sich die Innenminister vorgenommen haben.

Wenn diese Diskussion geführt wird, sind aber vielleicht auch die Erkenntnisse, die gerade in Berlin vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gewonnen werden, in die Debatten mit einzubeziehen. Es muss auch das mit einbezogen werden, was der Generalbundesanwalt zurzeit bei seinen Ermittlungen herauszubekommen versucht.

Ich denke, dass einerseits das, was die Linkspartei hier vorgelegt hat, der falsche Weg ist, ebenso wie das, was die Kolleginnen und Kollegen der FDP vorgelegt haben. Wir werden morgen darüber diskutieren können. Dies sind Schlüsse, die nach meiner Auffassung in die falsche Richtung gehen oder – wie im Falle von CDU und FDP – zu kurz springen.

Wir sollten uns – das meine ich wirklich ernst, auch in Richtung der Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – für diesen Bereich Zeit lassen und den Versuch unternehmen, die Erkenntnisse auszuwerten, die zurzeit von den Behörden auf Bundes- wie auch auf Landesebene zusammengetragen werden. Dann sollte darüber diskutiert werden, wie ein neues Verfassungsschutzgesetz für das Land Hessen aussehen muss, das mehr Transparenz, mehr Offenheit, aber auch wesentlich mehr parlamentarische Kontrolle beinhaltet.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dafür sollten wir uns in der Tat Zeit nehmen und nicht mit Schnellschüssen arbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Danke, Herr Frömmrich. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt ihr Vorsitzender, Herr Greilich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat bin ich mir in einem mit Herrn Frömmrich einig: Wir müssen die Thematik der Reform der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes in aller Ruhe besprechen. Dafür haben wir in der morgigen Debatte Zeit. Wir haben auch im Ausschuss Zeit dafür, dann werden wir uns sicherlich im Rahmen einer Anhörung entsprechend schlau machen.

An einer Stelle muss ich Ihnen aber doch widersprechen, Herr Kollege Frömmrich: Was die LINKEN hier abgeliefert haben, ist kein Diskussionsbeitrag. Was hier von den LINKEN abgeliefert worden ist, ist das Zeichen für eine linke Irrfahrt in der Sicherheitspolitik.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dafür brauchen wir auch keine Werkstatt, von der ich heute zum ersten Mal gehört habe.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie waren auch nicht eingeladen!)

Das ist ja wunderbar, ich bedanke mich dafür. – Sie ahnen es schon: Wir brauchen keine Werkstatt der Linkspartei, wenn es um Sicherheit in Deutschland geht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Wer, wie die LINKEN, leichtfertig herangeht, angesichts der ernsten Diskussion um die abscheulichen Verbrechen von rechten Extremisten die Abschaffung des Verfassungsschutzes zu fordern, der weiß nichts, der hat nichts dazugelernt und im Übrigen alles vergessen, was in der deutschen Geschichte an Lehrstücken passiert ist.

(Zuruf des Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der Verfassungsschutz in Hessen – darüber werden wir morgen auch noch diskutieren, ich bin gespannt auf die Beiträge von Rot und Grün aus der Opposition – ist gut aufgestellt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat es auch keine erkennbaren Versäumnisse bei der Verfolgung der Taten der NSU-Mörder gegeben.

(Zurufe der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Frau Kollegin Faeser, ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie mir das morgen erläutern. Dann werden Sie mir vielleicht auch noch erklären, für was Sie in den Sitzungen der parlamentarischen Kontrollkommission Ihr Handy brauchen; für mich ist das nicht so ganz nachvollziehbar. Aber auch das werden wir morgen sicherlich hören.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich bin wirklich gespannt, was Ihre Meinungsänderung in diesem Punkt bewirkt hat.

Bezeichnend ist, dass die ernste Diskussion, die wir über den rechten Terror in der Tat zu führen haben, hier insbesondere von der Linkspartei instrumentalisiert werden soll, um unsere Demokratie ihrer Verteidigungsmechanismen zu berauben.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir sind immer gegen rechts auf der Straße gewesen!)

Dass Sie häufiger auf der Straße waren, ist mir bekannt. Ich weiß auch, wer es finanziert hat, Herr Kollege van Ooyen. Das müssen Sie uns nicht immer wieder erklären.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Zum Schutz vor Angriffen, von innen wie außen – ganz egal, von welcher Ideologie getrieben –, muss unsere Demokratie wehrhaft sein;

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

denn Sicherheit und Freiheit bedingen einander. Sicherheit in Freiheit ist ohne demokratisch legitimierte Kontrolle nicht denkbar; das wissen wir alle.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Wer unüberlegt die Freiheit der Sicherheit opfert, steht am Ende mit leeren Händen da, während andere über ihn bestimmen; das wissen wir alle. Wir wissen aber auch – jedenfalls alle außer der Linksfraktion –, dass der, der die Sicherheit vernachlässigt, sich anschließend nicht wundern muss, wenn andere die Macht übernehmen, über ihn herrschen und die Freiheitsrechte dahin sind. Auch dazu haben wir in Deutschland genug Lehrstücke erlebt.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb haben die Koalitionsfraktionen nach reiflicher Überlegung einen, wie wir meinen, sehr ausgewogenen Gesetzentwurf für mehr demokratische Kontrolle des Hessischen Verfassungsschutzes vorgelegt. Dabei war und ist es uns aber wichtig, dass der Verfassungsschutz nicht in der Bearbeitung seines Auftrags behindert wird, die Freiheit der Bürger weiterhin wirksam zu verteidigen; denn darum geht es.

Es steht fest, dass der Traum der LINKEN, rechtsstaatliche Schutzmechanismen unserer Demokratie zu überwinden, unter den übrigen Parteien im Hessischen Landtag nicht mehrheitsfähig ist. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei den Kollegen von SPD und GRÜNEN bedanken.

Ich kann aber gleichwohl nur davor warnen, dieses wichtige Thema parteipolitischer Profilierung zu opfern. Es kann nicht – das werden wir morgen noch weiter zu diskutieren haben – um einen Wettbewerb der schärfsten Kontrolle nach dem Motto „Wer bietet mehr?“ gehen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Denn wer die Demokratie letztlich nicht auch wirksam verteidigen kann, der wird sich – das will ich abschließend noch einmal sagen – am Ende den Feinden der Demokratie ausgeliefert sehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Greilich. – Ich darf Herrn Innenminister Rhein das Wort erteilen.