Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Not scheint sehr groß zu sein, wenn der Herr Ministerpräsident meint, sich in einer solchen Debatte dreimal zu Wort melden zu müssen. Das hat er gemacht, nachdem er selbst erklärt hatte, er werde in diesem Haus zu den Inhalten nicht Stellung nehmen, weil er zugesagt habe, am Freitag im Bundestagsuntersuchungsausschuss auszusagen. Vor dem Hintergrund finde ich es schon erstaunlich, dass der Herr Ministerpräsident dreimal aufsteht und meint, sich in die Debatte einbringen zu müssen.
Herr Ministerpräsident Bouffier, Sie haben eben die Gründe angesprochen, warum diese Debatte heute hier geführt wird. Das kann ich Ihnen sagen: CDU und FDP haben einen unsäglichen Gesetzentwurf vorgelegt.
CDU und FDP haben nämlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem vor allem die Abgeordneten, die die Arbeit des Verfassungsschutzes kontrollieren sollen, stärker kontrolliert werden.
Nein. Sie wollen die handschriftlichen Anmerkungen der Abgeordneten vernichtet wissen, und Sie wollen die Handys eingesammelt haben. Von daher ist diese Schieflage entstanden.
Herr Greilich, habe ich gesagt, dass ich mein Handy in der PKV benutzen will? Mit Sicherheit nicht. Das ist auch bislang nicht geschehen. Herr Kollege Greilich, ich habe vorhin versucht, Sie daran zu erinnern.
Insofern geht ihr Gesetzentwurf in die völlig falsche Richtung. Wir reden doch heute über die notwendigen Änderungen beim Verfassungsschutz. Die Regelungen müssen transparenter sein und mehr Kontrolle zulassen. Herr Ministerpräsident, darum geht es doch. Das machen CDU und FDP einfach nicht. Deswegen führen wir heute diese Debatte.
Herr Bellino, es ist mitnichten so, dass dem Herrn Ministerpräsidenten vom Bundesamt für Verfassungsschutz untersagt wurde – das war Ihre Formulierung –, die Aussagegenehmigung zu erteilen.
Nein, die Abwägung – ich hoffe, so viel Verfassungsverständnis haben Sie –, ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden darf oder nicht, trifft der Innenminister eines Bundeslandes immer noch selbst.
Herr Greilich, ich muss einmal sagen, das betrifft auch den Innenminister Rhein: Die Art und Weise, wie hier über den Bundestagsabgeordneten Edathy gesprochen und wie mit einem Vertreter des höchsten Parlaments in der Bundesrepublik umgegangen wird, ist
Ich merke, dass die Not auf der Seite von CDU und FDP offenbar noch größer ist, als ich dachte. Wenn man sich einmal anschaut, wie dort reagiert wird, scheint die Not doch noch sehr viel größer zu sein.
Herr Greilich, Sie haben kritisiert, dass Herr Edathy nach dem Untersuchungsausschuss in Berlin vor die Presse tritt. Herr Greilich, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Vielleicht sollten Sie sich dann einmal die Mühe machen, zum Untersuchungsausschuss nach Berlin zu fahren, dann hätten Sie nämlich bemerkt, dass auch der Vertreter der FDP, ebenso wie die Vertreter aller anderen Fraktionen im Untersuchungsausschuss, vor die Presse tritt und ein abgestimmtes Statement abgibt.
(Wolfgang Greilich (FDP): Wenn ich Plenarsitzung habe, dann bleibe ich im Gegensatz zu anderen Kollegen hier!)
Hier gibt es keine Alleingänge des Vorsitzenden, sondern ein abgestimmtes Verhalten unter den Fraktionen. Davon könnte Hessen ein bisschen lernen, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Al-Wazir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will genau da anschließen, wo die Kollegin Faeser aufgehört hat. Wer sich über die parlamentarische Kontrolle Gedanken macht, der muss natürlich zurückschauen und sich die Frage stellen: Was sind denn unsere Erfahrungswerte? – Wer sich über Untersuchungsausschüsse in Berlin aufregt, der müsste einmal genauer betrachten, dass dort ein gemeinsames Interesse daran besteht – das unterscheidet den Bundestag in wohltuender Art und Weise vom Hessischen Landtag –,
Herr Greilich, wenn Sie einmal betrachten, dass der CDUAbgeordnete Binninger, die Abgeordnete der Linkspartei, Pau, der GRÜNEN-Abgeordnete Wieland oder der Vorsitzende Edathy nach diesen Sitzungen immer berichten, wie die Sitzung aus ihrer Sicht zu bewerten ist, dann sollten Sie noch einmal überlegen, ob Ihre Aufforderung zum Rücktritt gegenüber dem von Ihnen so genannten „Genossen“ Edathy nicht eigentlich auf Sie selbst zurückfällt.
Herr Ministerpräsident, noch einmal: Die ganze Republik macht sich Gedanken, was wir an den Strukturen verändern müssen. Ich will Ihnen noch einmal aus meiner damaligen Erfahrung – Stichwort: NPD-Verbotsverfahren – sagen: Die Direktoren der unterschiedlichen Landesämter waren noch nicht einmal bereit, sich gegenseitig zu sagen, wie viele V-Leute sie in den Vorständen der NPD hatten. Daran ist das Verbotsverfahren doch maßgeblich gescheitert. Das heißt, die gönnen sich gegenseitig die Butter auf dem Brot nicht; die sind in der Situation, dass es offensichtlich keinen Informationsaustausch gibt. Warum hat denn Herr Friedrich jetzt dieses Zentrum in Berlin eingerichtet? – Damit man wenigstens einmal erfährt, wer welche Informationen hat, bei 16 Landesämtern, einem Bundesamt, einem MAD und diesen ganzen Bereichen. Das hat doch alles damit zu tun, dass es offensichtlich nicht funktioniert.
Zur parlamentarischen Kontrolle. Herr Bouffier hat gesagt, aus seiner Sicht war damals alles richtig. Ich sage Ihnen: Natürlich ist in einem Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft immer Herrin des Verfahrens. Wenn man aber nicht einmal der Parlamentarischen Kontrollkommission, d. h. fünf Abgeordneten des Hessischen Landtags
in nicht öffentlicher Sitzung –, mitteilt, dass gegen einen hauptamtlichen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes mit einem so dramatischen Vorwurf ermittelt wird, dann stimmt etwas nicht, auch an unseren gesetzlichen Grundlagen.
Ich kann als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht jeden Tag morgens beim Verfassungsschutz anrufen und fragen: Ist bei euch vielleicht irgendwie gerade etwas schiefgegangen? – Das kann wohl nicht ernsthaft die Form sein, wie Sie sich parlamentarische Kontrolle vorstellen.
ich kann mich sehr genau an die Entführung und Ermordung von Jakub Fiszman erinnern. Ich weiß, dass der damalige Innenminister Bökel die Obleute des Innenausschusses damals kurzfristig ins Ministerium gebeten und berichtet hat: Wir haben eine Entführung. Wir wissen nicht, was mit dem Entführten passiert ist. – Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass er entführt und ermordet wurde.
Er hat uns alles gesagt, was er bis dahin wusste, und er hat auch darum gebeten, dass bei Presseanfragen Stillschweigen bewahrt wird, weil unklar war, ob Öffentlichkeit nicht das Leben des Entführten gefährdet. Wollen Sie uns jetzt sagen, dass Gerhard Bökel damals, indem er uns informierte, Recht und Gesetz gebrochen hat?