Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lärmminderungsplanung hätte nach den europäischen Fristen bereits im Sommer 2008 vorgelegt werden müssen. Der Plan kommt jetzt, vier Jahre später, und damit erst nach der Festlegung der Lärmschutzzonen. Der Gesetzgeber hatte aus gutem Grund die umgekehrte Reihenfolge festgeschrieben. Zuerst sollte die Lärmminderungsplanung mit den Maßnahmen des aktiven Schallschutzes durchgeführt und umgesetzt werden. Erst dann sollten Lärmschutzzonen dort eingerichtet werden, wo die Lärmminderungsplanung am Ende ist.

Die Landesregierung hat das Verfahren kurzerhand umgedreht und beschränkt den Lärmaktionsplan auf die Flächen, die sie zuvor als Lärmschutzzone definiert hat. Der Effekt ist, dass sich die Lärmminderungsplanung nun auf eine viel kleinere Fläche und auf lediglich 300.000 vom Fluglärm belastete Menschen bezieht. Selbst die hoch umstrittene Lärmwirkungsstudie NORAH bezieht sich im Gesundheitsteil auf eine Fläche, wo immerhin 1,9 Millionen Menschen wohnen und daher betroffen sind.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sie haben doch zugestimmt, oder?)

Dass die nach dem Fluglärmgesetz ausgewiesenen Lärmschutzzonen entscheidend zu klein sind, verschärft diesen Effekt nochmals. Bewohnerinnen und Bewohnern von z. B. Rheinhessen, der Wetterau, dem bayerischen Untermain sowie alle dazwischenliegenden Städte von Hanau bis Mainz werden erst gar nicht als vom Fluglärm betroffen bewertet. Das ist nicht im Sinne der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Es ist aber die bekannte Art der Problemreduktion durch die Hessische Landesregierung: erst das Verfahren auf den Kopf stellen und dann das Problem kleinreden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): So ein Unsinn!)

Für uns ist das eine weitere Trickserei und eine Fortführung der menschenverachtenden Politik, die das ganze Ausbauprojekt des Flughafens begleitet.

Darüber hinaus ist der Lärmaktionsplan bereits zum Zeitpunkt seines Erscheinens veraltet. Die Daten der strategischen Lärmkartierung stammen nämlich aus dem Jahr 2005. Damals gab es aber weder eine Nordwestlandebahn noch eine Südumfliegung, außerdem waren die parallelen Anflugrouten höher und damit leiser. Es stellt sich nun die Frage, warum sich Tausende von Einwenderinnen und Einwendern an einem Plan mit veralteten und unrealistischen Daten abarbeiten sollen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass im Lärmaktionsplan noch nicht einmal der Versuch unternommen wird, zu beschreiben, ob die dargestellten Maßnahmen einzeln oder zusammen überhaupt zu einer Lärmminderung für die Menschen führen würden. Ein Lärmaktionsplan ohne Angaben von Potenzialen zur Verminderung des Lärms ist aber schlicht unbrauchbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerspätestens damit erfüllt der Lärmaktionsplan nicht die gesetzlichen Vorgaben eines strategischen Planwerks.

Festhalten lässt sich, dass die im Lärmaktionsplan ausgeführten und seit 1999 durchgeführten Maßnahmen nicht dazu geführt haben, dass es in der Region leiser geworden ist, im Gegenteil: Der Lärm hat seit 1999 erheblich zugenommen. Genau diese Entwicklung schreibt der Lärmaktionsplan für den Prognosezeitraum bis 2020 fort. Dem Machwerk ist also nicht zu entnehmen, wie es in der Region überhaupt leiser werden soll.

Wir hingegen sagen: Bei gegebenem Stand der Technik kann eine wirkungsvolle Lärmreduzierung nur durch ein erweitertes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und die Verminderung der Flugbewegungen erreicht werden. Doch dieses Kapitel wird im Aktionsplan gänzlich ausgespart.

Es ist zudem empörend, wenn im Lärmaktionsplan behauptet wird, dass das Lärmminderungspotenzial durch eine Verlagerung von Flügen auf die Schiene „eher gering ist“. Dies ist ein weiterer Punkt, an den das Ministerium überhaupt nicht heran will.

Mehr als die Hälfte der Flüge vom Frankfurter Flughafen liegen in einem Entfernungsbereich von unter 1.000 km. Im Jahr 2011 waren dies exakt 55,6 % oder 254.000 Flugbewegungen. Dieses überraschende Ergebnis erbrachte die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag mit dem Titel „Potenzial der Verlagerung von Flügen auf die Bahn am Flughafen Frankfurt/M.“, Bundestagsdrucksache 17/9016.

Bei der Betrachtung von noch kürzeren Entfernungen wird das Potenzial der Verlagerung auf die Bahn und damit eine wirksame Entlastung der unter Fluglärm leidenden Menschen überaus deutlich. 2011 lagen 30 % aller Flüge im Entfernungsbereich unter 500 km. 17 % lagen im Entfernungsbereich unter 400 km Distanz und knapp 9 % sogar bei weniger als 300 km. Um sich die damit verbundenen realen Belastungen vorstellen zu können, muss man sich die absoluten Zahlen vergegenwärtigen: Knapp 40.000 Flüge im Jahr 2011 lagen im Entfernungsbereich von weniger als 300 km – das sind 110 Flüge pro Tag. 138.000 von insgesamt 457.000 Flügen lagen im Entfernungsbereich von bis zu 500 km – das sind 380 Flugbewegungen pro Tag.

Mit dem derzeit bestehenden Bahnfahrplan könnten somit knapp 16 % aller Flüge – für das Jahr 2011 wären dies rund 73.000 Flugbewegungen – durch Bahnfahrten ab Frankfurt am Main Hauptbahnhof mit weniger als vier Stunden Reisezeit ersetzt werden, also von Innenstadt zu Innenstadt.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Wollen Sie das per Gesetz machen?)

Darauf komme ich schon.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Okay!)

Dieser Umstieg wäre derzeit ohne Probleme mit dem nächsten Bahnfahrplanwechsel möglich, ohne Zeitverluste für die Reisenden und ohne die Hauptfunktion des Frankfurter Flughafens zu gefährden. Man muss es nur wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Beweis, dass dies tatsächlich möglich ist, hat die Bahn auch schon bei den letzten Streiks der Flugbegleiter der Lufthansa oder auch der Bodenlotsen in diesem Jahr erbracht. Eine sofortige Umstellung der Kurzstreckenflüge auf die Bahn erfolgte reibungslos.

Bei Berücksichtigung der auf Bundesebene bereits vereinbarten Ausbaumaßnahmen für das Schienennetz – also des Bedarfsplans Schiene – und der durch die Bundesregierung vertraglich vereinbarten internationalen Schienenprojekte steigen diese Anteile auf 25 % für Bahnfahrten bis zu vier Stunden von City zu City. Legt man maximal sechs Stunden Fahrzeit zugrunde, ließe sich gut ein Drittel aller Flugbewegungen – also über 150.000 Flüge – von Frankfurt am Main auf die Schiene verlagern. Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen bei gleichzeitiger Begrenzung der Flugbewegungen auf 380.000 pro Jahr wäre also eine reale und sofort wirksame Entlastung für die lärmgeplagte Bevölkerung. Man muss es nur wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies wäre auch ein wirksamer Gesundheitsschutz, der dazu noch sofort zur Verminderung klimaschädlicher Emissionen führen würde. Dieses große Verlagerungspotenzial vom Flugverkehr auf die Schiene kann und muss also möglichst schnell umgesetzt werden. Wie gesagt: Man muss es nur wollen.

Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn ist übrigens die einzige wirksame Maßnahme, die es ermöglichen würde, dass es in der Region endlich wirksam und wirklich leiser würde, ohne dabei die Funktion des Flughafens zu gefährden. Dass dieser wichtige Punkt im Lärmaktionsplan überhaupt nicht berücksichtigt wird, ist für uns nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Der vorgelegte Entwurf des Lärmaktionsplans kann deshalb nur als Verhinderungsplan gegen ernsthafte Lärmschutzmaßnahmen verstanden werden.

Kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.

Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Man will dies offenbar wirklich nicht.

Wir fordern die Landesregierung auf, den Entwurf sofort zurückzuziehen, ihn mit aktuellen Daten und wirksamen Vorschlägen zur effektiven Verminderung der Lärmbelastung zu versehen und ihn letztlich auf die gesamte RheinMain-Region – also nicht nur auf die Lärmschutzzonen beschränkt –

Bitte, der letzte Satz.

zu beziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Als nächster Redner hat sich der Kollege Kaufmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass ich stimmlich nach wie vor etwas gehindert bin, habe ich für den Fall, dass ich nicht mehr weiter reden kann, dieses Schild mitgebracht,

(Der Redner hält ein Schild hoch.)

um Ihnen zu zeigen, dass kein Zweifel an unserer Position besteht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das war eine kurze Rede! – Dr. Walter Arnold (CDU): Geben Sie doch den Rest zu Protokoll, Herr Kollege!)

Ich beginne mit einer Klarstellung. Der Ausbau des Flughafens mit einer weiteren Landebahn war falsch. Das Versprechen auf zusätzliche Arbeitsplätze war bisher nachweislich ein Märchen. Die Belastung durch zusätzlichen Lärm hat sich als deutlich zu hoch erwiesen. Dies alles wird in der Feststellung gebündelt, dass die Region die Akzeptanz gegenüber dem Flughafen verloren hat, und das zu Recht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir GRÜNEN, die immer die gesamte Auseinandersetzung auch unter dem Aspekt betrieben haben, stets für Deeskalation einzutreten

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Was haben Sie denn für ein Verständnis von Deeskalation?)

und gleichzeitig den Lärm zu reduzieren, setzen uns auch weiterhin für tatsächliche Hilfen für die Menschen in der Region, insbesondere im engeren Rhein-Main-Gebiet, ein. Deswegen wollen wir dort mehr Lärmschutz erreichen.

Die Schwarzen wie die LINKEN wollen offensichtlich nicht den Menschen in der Rhein-Main-Region helfen, sondern im Wesentlichen sich selbst.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Was soll denn das?)

DIE LINKE versucht es mit hemmungslosem Populismus. Lesen Sie einmal Ihren Antrag durch, Frau Kollegin. Der Kollege Schaus hat gerade eben ein bisschen um einige der Formulierungen herum argumentiert, weil sie ihm mittlerweile offensichtlich zu peinlich geworden sind.

Aber die Umstellung der Kurzstreckenflüge auf die Bahn bis zum 9. Dezember des Jahres 2012 erreichen zu wollen, was ein richtiges Ziel ist, ist Angabe und dummes Zeug, Herr Kollege. Das kann niemand, insbesondere weil die rechtlichen Grundlagen dafür fehlen,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wo steht denn das?)

es sei denn, Sie würden es schaffen, einen Dauerstreik des Personals z. B. der Lufthansa zu organisieren. Davon wür