Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir uns anschauen, wie wir in diese Situation gekommen sind, dann kann ich feststellen: Wir haben in der Gesundheitsversorgung insgesamt eine unglaublich schwierige Situation. Ich glaube – da bin ich wieder ein Stück weit dabei, das Ministerium auch in Schutz zu nehmen –, allein von Hessen aus ist der große Wurf gar nicht wirklich zu machen, aufgrund der Situation, die wir als Ganzes haben.

Wenn wir uns anschauen, wie das Gesundheitswesen finanziert ist, wie es funktionieren soll und dass der Gedan

ke der Wirtschaftlichkeit dabei ein ganz wichtiger geworden ist, dann haben wir ein Grunddilemma. Das Grunddilemma heißt an dieser Stelle doch: Gesundheitsversorgung wird hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet, wie sie bezahlbar ist. Das darf eigentlich nicht das Kriterium sein. Das Kriterium muss eigentlich sein: Wo bekommen wir das Geld her, um die notwendige Gesundheitsversorgung vernünftig zu finanzieren? – Nicht anders herum.

(Beifall bei der LINKEN – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Egal was? Ich kann doch nicht einfach mal so Geld ausgeben!)

Wir haben lange Zeit die Regelung der Betten gehabt, die keine gute war, wie wir irgendwann feststellen mussten. Jetzt haben wir die Regelung der DRGs. Die Hoffnung war, dass sich damit etwas verbessert. Ich möchte an der Stelle gern den Präsidenten der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, zitieren, der gesagt hat:

Derzeit glauben wohl noch alle betroffenen Interessensgruppen, das DRG-System würde den stationären Sektor letztlich einigermaßen sinnvoll steuern und die wesentlichsten Interessen aller Beteiligten erfolgreich integrieren. Man kommt aber nicht aus der Sackgasse, indem man schneller rennt. Es hilft nichts, wir müssen umkehren.

Ich nehme an, er meint mit „umkehren“ nicht ein Zurück zur Bettenzählerei, sondern dass man überlegen muss, wie man zu anderen Lösungen kommt. Erst hatten wir die Situation, dass Menschen möglichst lange in Krankenhäusern behalten worden sind, weil ein volles Bett finanziert wurde. Das hilft nicht.

Jetzt haben wir die Situation, dass Menschen unter Umständen sehr früh entlassen werden. Wir haben die Situation, dass Ärzte aufgefordert werden, mehr Fälle zu konstruieren und zu generieren. Das alles kann es auch nicht sein, dass wir schneller durchschleusen, dass wir teilweise eine Versorgung haben, die man als Überversorgung bezeichnen kann, weil Sachen gemacht werden, die unter Umständen gar nicht gemacht werden müssten, damit man eben wirtschaftlich arbeitet. Das ist nicht die Lösung.

Ich glaube, die Lösung ist nur dann zu erreichen, wenn wir insgesamt schauen, dass wir das Gesundheitswesen auf neue Füße stellen, anders finanzieren und eine komplett andere Grundidee davon bekommen, wie wir Geld in dieses System hineinbekommen können. DIE LINKE hat sich dazu eine Menge Gedanken gemacht; es gibt ein Konzept. Ich glaube, das ist ein Schritt, den wir tun müssen, den man nicht allein von einem Bundesland aus machen kann, sondern es stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie wollen wir unsere Gesundheitsversorgung organisieren? – Wir sehen das an der Stelle eben komplett anders.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als nächster Redner hat sich für die Landesregierung Herr Staatsminister Grüttner zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass an dieser Stelle Platz ist, sich intensiv mit den Vorstellungen der Linkspartei zur Reform des Gesundheitswesens auseinanderzusetzen,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Schade eigentlich!)

sondern in dieser Situation, sollte man sich Gedanken darüber machen, wie sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in Hessen sicherzustellen ist.

Es ist ein Weg, und ich habe dazu eingeladen, sich in den Diskurs mit einzubringen, um auch unter schwierigen Rahmenbedingungen, die zum Teil eigenbeeinflusst, zum Teil fremdbeeinflusst sind, Möglichkeiten zu eröffnen und eine Chance zu haben, unseren Bürgerinnen und Bürgern in den derzeitigen Strukturen eine optimale gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten. Das ist unser Auftrag.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Kordu- la Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Krankenhäuser sind immer mit hohen Emotionen verbunden. Wenn man krank ist, wenn man merkt, was sich in einem Krankenhaus alles an Schicksalen vom Beginn des Lebens bis zum Ende des Lebens abspielt, gibt es eine besondere Emotionalität. Weil es eine solche Emotionalität gibt und weil es einen Sicherstellungsauftrag gibt, hat der Staat eine besondere Verantwortung. Er muss versuchen, diese auch wahrzunehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Aufgrund der besonderen Verantwortung des Staates muss er dafür Sorge tragen, dass es Trägervielfalt gibt. Trägervielfalt ist ein wichtiger Faktor. Trägervielfalt heißt sowohl privat, freigemeinnützig, kirchlich als auch öffentlich. Jeder muss an der Krankenhausversorgung teilnehmen. Wir müssen aber konstatieren, dass es dafür einen Sicherstellungsauftrag gibt. Dieser Sicherstellungsauftrag liegt bei den Kommunalen Gebietskörperschaften. Deshalb müssen wir die Kommunalen Gebietskörperschaften in die Lage versetzen, mit ihrem Krankenhausangebot diese Daseinsvorsorge auch gewährleisten zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP sowie der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswegen muss man auch schauen, an welchen Stellen es möglicherweise Disparitäten oder Schwierigkeiten gibt, die dies verunmöglichen, und welche Hilfestellungen wir geben können.

Damit ist nicht eine Bevorzugung von kommunaler Trägerschaft gemeint. Damit ist nicht ein Ausscheiden von Wettbewerb gemeint, sondern es ist die Sorge um die Daseinsvorsorge und den Sicherstellungsauftrag, den jeder gewährleisten muss. Deswegen muss man sagen, dass das Betreiben eines Krankenhauses in kommunaler Trägerschaft ein Wert an sich ist

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

und sich die Verantwortung des Staates in diesen eben angesprochenen Punkten zeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Da wir sehen, dass es diesen kommunalen Krankenhäusern zunehmend schlechter geht, müssen wir uns überlegen, wie wir das schaffen. Nicht nur in Hessen geht es den kommunalen Krankenhäusern schlechter, sondern das ist deutschlandweit zu beobachten. Wir wissen aus den öffentlichen Diskussionen, dass eine ganze Reihe von kommunalen Krankenhäusern auf der Kippe steht. Es gibt durchaus auch Bestrebungen – diese sind auch nicht zu verurteilen oder zu verhindern –, eine Privatisierung vorzunehmen. Wir wissen aber auch, dass Privatisierungen irgendwann an einem Ende angelangt sind. Dann kommt es darauf an, dass kommunale Krankenhäuser auch noch betriebswirtschaftlich und inhaltlich erfolgreich arbeiten können.

(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin deswegen keiner Kommune böse, wenn sie den Weg einer Privatisierung beschreitet. Wir müssen trotzdem die Kommunen in die Lage versetzen, zukünftig mit ihren Krankenhäusern vernünftig arbeiten zu können.

(Beifall bei der CDU)

Da gibt es schon einen kleinen Unterschied. Wenn Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft erfolgreich wirtschaften, haben wir eine Chance, dass das Erwirtschaftete zur Abdeckung der Darlehen der Kommunen genutzt werden kann. Das erhöht die Beweglichkeit der kommunalen Seite und erhöht ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Ein anderer kleiner Unterschied zu den Privaten – das finde ich an der Stelle aber nicht schlimm – ist, dass Gewinne, die im kommunalen Bereich erwirtschaftet werden, zu einer weiteren Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge reinvestiert werden können. Ich finde es auch in Ordnung, dass man dies machen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Dazu ist es notwendig, dass man versucht, in anderen Strukturen zu arbeiten. Das ist keine Garantie dafür, dass es erfolgreich ist. Das ist ein Prozess, den wir jetzt angestoßen haben. Wir haben alle eingeladen, sich daran zu beteiligen, sowohl die Geschäftsführungen und die Manager von kommunalen Kliniken, aber auch die kommunalpolitisch Verantwortlichen.

(Zuruf)

Was ist Henne und was Ei? Zu der Frage, wie sich eine Krankenhauslandschaft entwickelt hat, auch im Hinblick auf das durchaus massierte Angebot im Rhein-Main-Gebiet, kann man sagen: Dafür sind auch diejenigen verantwortlich, die eben von hier aus so großartig gelobt worden sind.

Herr Staatsminister, Sie haben die Redezeit der Fraktionen erreicht.

Noch eine Minute. – In Zukunft geht es vielmehr darum, Einflüsse, insbesondere kommunalpolitische Einflüsse, so weit zurückzuschrauben, dass sie sich nur noch darauf beziehen, dass dieser Sicherstellungsauftrag im Sinne der Daseinsvorsorge tatsächlich erfüllt wird. Das heißt, sie sollen noch mitreden können, wenn es um die Schließung eines Krankenhauses oder um die Verlagerung von Schwerpunkten geht. All das ist in Ordnung. Aber wo die Krankenhäuser oder die Kommunalpolitik in Zukunft nicht mehr mitreden sollen, ist, ob die Schulessensversorgung mit übernommen wird, wie ein Chefarztvertrag aussieht und wie der Primär-, Sekundär- und Tertiärbereich eines Krankenhauses organisiert wird.

Das muss nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geschehen. Da kann die Privatwirtschaft ein Vorbild sein, weil sie das bisher besser hinbekommen hat als die Kommunalen. Dann können die versuchen, an dieser Stelle wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Wenn die wirtschaftlich erfolgreich sind, gibt es auch einen größeren Wettbewerb mit anderen Krankenhausträgern. Das kommt der gesundheitlichen Versorgung in unserem Land zugute.

Ich bin dankbar, dass die Diskussion zumindest konstruktiv aufgenommen worden ist. Wir können versuchen, uns in den nächsten Wochen und Monaten weiter daran abzuarbeiten. Aber ich danke erst einmal für die konstruktive Aufnahme dieses Vorschlags und lade alle zu dieser Diskussion ein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie der Abg. Dr. Thomas Spies (SPD) und Kordula SchulzAsche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, Herr Staatsminister Grüttner. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Das war der Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Initiative für den Erhalt kommunaler Kliniken – Patientenversorgung in Hessen zukunftssicher gestalten), Drucks. 18/6217. Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten worden.

Wir kommen dann zu dem nächsten Tagesordnungspunkt, dem Tagesordnungspunkt 41:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Lärmaktionsplan zurückziehen, Fluglärm vermindern, Kurzstreckenflüge auf die Bahn verlagern – Drucks.

18/6194 –

Dazu wird der Tagesordnungspunkt 20 mit aufgerufen:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Fluglärmbelastung vermindern – Nachtflugverbot gewährleisten – Drucks. 18/6081 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als erster Redner hat sich Herr Kollege Schaus von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schaus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dass sich die Hessische Landesregierung bei der Erarbeitung eines

Lärmaktionsplans für die vom Flughafen betroffene Region nicht besonders anstrengen würde, war zu erwarten. Dass die Auseinandersetzung dann aber, Herr Staatssekretär, auf einem so unterirdisch schlechten Niveau geschehen würde wie im nun endlich vorgelegten Entwurf des Regierungspräsidiums Darmstadt, ist ein erneuter Beweis, wie unwichtig der Lärmschutz für die Landesregierung tatsächlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)