Herr Präsident, meine Damen und Herren! CDU und FDP finden es nicht akzeptabel, dass Bundesjustizministerin Zypries den Gesetzentwurf zur Visa-Warndatei gestoppt hat. Um in diesem Sprachterminus zu bleiben:Wir finden es nicht akzeptabel,dass ein solcher Gesetzentwurf überhaupt eingebracht worden ist.
Hier sollte innere Sicherheit suggeriert werden; aber die informationelle Selbstbestimmung der Visaantragsteller sowie sämtlicher Einlader blieb auf der Strecke. Da dürfen es ruhig ein paar Daten mehr sein; denn wer nichts zu verbergen hat, kann in einer solchen Datei ruhig erfasst
werden. – Wer so argumentiert, macht es sich zu einfach. In einer pluralistischen, offenen und demokratischen Gesellschaft müssen Gesetze zur inneren Sicherheit immer auch die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Das war hier eindeutig nicht der Fall.
Was hier als Warndatei gegen Visamissbrauch öffentlich präsentiert wird, ist nichts anderes als eine gigantische Vorratsdatenspeicherung all der Menschen und Organisationen, die mit Menschen außerhalb von Europa den direkten persönlichen Austausch pflegen.
So hat es der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein kritisiert. Als dann noch katholische Würdenträger bei Frau Zypries vorstellig wurden, zog die Ministerin endlich die Reißleine und tat das einzig Richtige: Sie stoppte den Entwurf.
Das haben wir GRÜNE hocherfreut zur Kenntnis genommen. Es ist ja nicht so, dass es nicht genügend Informationsquellen für Reisedaten gibt. In der EU sollen demnächst genaueste Angaben über Flugpassagiere gesammelt werden. Bei Schiffsreisen wird der Umgang mit den Passagieren neu geregelt, und selbst für Zugreisende gibt es schon Erfassungspläne. Von den Passagierdaten, die einfach an die USA weitergereicht werden,will ich gar nicht reden.
Wir werden mehr und mehr überwacht. Massenhaft werden sensible personenbezogene Daten gespeichert, und unüberschaubare Personenkreise haben unkontrolliert Zugriff darauf. Dadurch steigt auch das Risiko des Missbrauchs.
Nun gehören dieser Landesregierung Mitglieder einer Partei an,für die die Bürgerrechte angeblich eine wichtige Rolle spielen – so ihre eigene Aussage.
Da ist es schon einmal interessant, zu erfahren, wie es denn im politischen Alltag mit der Durchsetzung dieser Ziele aussieht. Wer sich im Koalitionsvertrag von CDU und FDP z. B. die Auflistung der Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung ansieht, erkennt dort eher eine Tendenz zu Law and Order als eine liberale Bürgerrechtspolitik.
Mit dem Argument, das diene der Verbrechensbekämpfung, werden Bürger- und Freiheitsrechte ausgehöhlt und eingeschränkt. Es werden z. B. der Ausbau der Videoüberwachung, die Rasterfahndung und die Schleierfahndung genannt. Was die Onlinedurchsuchung betrifft, so gibt die FDP ganz offen zu, dass sie das elementare Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Privatheit in Hessen nicht sichern konnte.
Meine Herren von der FDP, ein vehementes Einstehen und Kämpfen für die Bürgerrechte sieht anders aus.
Der jetzige Antrag zeigt einmal mehr, wie unter dem Deckmantel der inneren Sicherheit und der Verbrechensbekämpfung die Bürgerrechte von der FDP preisgegeben
werden. Von einer sorgsamen Abwägung zwischen Freiheit, Sicherheit und Verhältnismäßigkeit ist nichts mehr zu hören. Das sind alles nur liberale Lippenbekenntnisse.
Während im Bund die rechtspolitische Sprecherin der FDP die Große Koalition attackiert, dem Bundesinnenminister eine vernichtende Bilanz testiert und beklagt, dass die Privatheit der Bürgerinnen und Bürger durch die Große Koalition immer mehr eingeschränkt wird, soll in Hessen zusammen mit der FDP einer gigantischen Vorratsdatenspeicherung das Tor geöffnet werden. Wenn das nicht geschieht, ist angeblich die Sicherheit bedroht.
Es ist nicht so, dass es keine erfolgreiche Prüfung für Visa vor Ort gibt. Es gibt schon Kontrollmechanismen an den Auslandsvertretungen, die sich sehr bewährt haben. Das hat die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ergeben.Durchschnittlich wurden in den letzten Jahren ca.2,3 Millionen Visumanträge durch die 184.000 Auslandsvertretungen bearbeitet. Die Zahlen bestätigen den Erfolg der eingeführten Maßnahmen.
Auch die Europäische Union ist auf diesem Gebiet nicht untätig gewesen. Im Sommer 2008 wurde schon die Einführung eines Europäischen Visa-Informationssystem verabschiedet. Auch hier ist eine Datei für die Einlader vorgesehen.Allerdings wird hier nur ein ganz kleiner Personenkreis Zugriff auf diese Daten haben. Ohne Anlass darf da überhaupt nicht recherchiert werden.
Wenn ich mich recht erinnere, waren es gerade die liberalen Politiker, die sich dafür feiern ließen und die Verhinderung der Visa-Warndatei in der jeweiligen Landesregierung als ihren Erfolg für sich proklamiert haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Das wurde schon mit auf den Weg gegeben: Eine vernünftige Visapolitik darf nicht dem Wahlkampf geopfert werden. Selbst der Kollege von der FDP aus dem Bundestag warnt davor. Er sagt, die Thematik sei für Schnellschüsse im Vorwahlkampf nicht geeignet.
Dass Sie auf unsere Warnung nicht hören, sind wir schon gewohnt. Aber auf Ihren Kollegen in Berlin könnten Sie doch ruhig hören.
Deshalb empfehle ich Ihnen: Warten Sie doch erst einmal die Erfahrungen ab, die mit dem Europäischen Visa-Informationssystem, kurz VIS genannt, gemacht werden. Das hört sich auch viel freundlicher als Visa-Warndatei an.
Vor dem Hintergrund, dass wir am Dienstag eine Regierungserklärung über die Wichtigkeit der Europäischen Union gehört haben und das Hohelied auf die Europäische Union gesungen worden ist, bitte ich Sie darum: Geben Sie der Europäischen Union eine Chance, und verzichten Sie auf einen deutschen Alleingang. – Danke schön.
Frau Kollegin Enslin, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, das war die erste Rede der Frau Kollegin Enslin. Herzlichen Glückwunsch dazu.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sind doch sehr überrascht, dass ausgerechnet die FDP-Fraktion dieses Thema zum Setzpunkt gemacht hat. In der Rede, die vorhin gehalten wurde, wurde auch nicht ganz klar, wofür die FDP jetzt steht. Herr Kollege Greilich, es ist nämlich so – das hat Frau Kollegin Enslin gerade zu Recht gesagt –: Es lag gerade auch an der FDP,dass dieses Gesetzesvorhaben nicht umgesetzt werden konnte. Denn es war die FDP, die angedroht hatte, im Bundesrat dieses Gesetzesvorhaben nicht zu unterstützen. So viel wollte ich zur Motivation der FDP am heutigen Tage sagen.
Herr Greilich, Herr Wolff – das ist Ihr Sprecher für Ausländerrecht, in der Bundestagsfraktion der FDP; Frau Enslin hat ihn erwähnt – hat am 11. Februar dieses Jahres vor diesem Gesetzesvorhaben ausdrücklich gewarnt. Er sagte, es dürfe keine Schnellschüsse geben, keinesfalls dürften Privatpersonen oder Unternehmen, die Gäste aus dem Ausland einlüden,mit dieser Einladerdatei unter Generalverdacht gestellt werden.
Worüber reden wir inhaltlich? Herr Kollege Greilich hat es bereits gesagt: Ausschlaggebend war in der Tat der 2. Untersuchungsausschuss der 15. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Das war der sogenannte VisaUntersuchungsausschuss. Das ist vielen bekannt. Dort wurden Mängel in der Visavergabepraxis festgestellt. Das hat aber nichts mit der Praxis zu tun, die da unter grüner Leitung geschah, sondern das wurde vielmehr auch in den vorhergehenden Jahren unter der CDU so praktiziert.
Der Koalitionsvertrag zwischen der SPD und der CDU/CSU sah deshalb einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Visa-Einlader- und einer Visa-Warndatei vor. Damit sind wir zum Unterschied bei dem Gesetzentwurf gekommen. Es sollte nämlich ein Visa-Warndatei-Errichtungsgesetz werden.
Die Notwendigkeit wurde damit begründet, dass durch die Nutzungsmöglichkeit der Daten aus einer solchen Datei Missbrauchsfälle vermieden bzw.frühzeitig aufgedeckt werden könnten.
Herr Kollege Rentsch, bei dieser Unterscheidung sollten Sie zuhören. Die haben Sie nämlich nicht getroffen.
In der Warndatei sollten unter anderem die Daten von einschlägig verurteilten Straftätern, z. B. wegen Menschenhandels, gesammelt werden.