Die Milcherzeuger stellen sich den marktwirtschaftlichen Prinzipien. Das haben sie immer wieder betont, und dazu stehen sie auch. Dennoch ist es unsere Aufgabe als Politik insgesamt, Marktregeln aufzustellen, die ihnen eine Produktion zu vernünftigen, gerechten und fairen Preisen ermöglichen. Genau das ist unsere Aufgabe, und die sollten wir auch wahrnehmen. Deshalb stehen wir an der Seite unserer Milcherzeuger. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Brauchen wir eigentlich noch Milchbauern, wenn wir bald keine Milch mehr brauchen? Diese Frage müssen wir uns stellen, wenn der Verbraucher es letztlich zulässt, dass ihm sogenannter Analogkäse, ein Käseersatz ohne Milch, vorgesetzt wird.
Das Thema der Aktuellen Stunde „Die Milch machts – Hessens Milchbauern eine Zukunft geben“ ist bei den Milchbauern mit vielen Emotionen besetzt. Bei den Milchbauern geht die pure Angst um die Zukunft der Betriebe um. Das ist heute Morgen schon sehr deutlich geworden. Zwar sind alle Produktionszweige der Landwirtschaft von niedrigen Erzeugerpreisen betroffen, aber die Milchviehbetriebe leiden wegen hoher Investitionskosten in der Milchproduktion besonders unter den ruinösen Preisen.
Auch die Aufstockung der Milchquote macht den Milcherzeugern zu schaffen. Hierbei muss man ehrlicherweise sagen, dass Deutschland und Österreich in der EUAgrarministerkonferenz gegen die Erhöhung der Quote gestimmt haben, Frankreich sich enthalten hat und 24 andere Länder dafür waren, dass die Quote aufgestockt wird. Es waren sogar noch einige dabei, die eine höhere Quotenaufstockung haben wollten.
Ich selbst bin mit meinem Betrieb auch Milchbauer. Ich sehe jeden Tag, wenn die Abrechnung kommt, wie die Preise nach unten gehen. Ich kann deswegen verstehen, dass die Landwirte über die Dumpingpreise böse sind.
Meine Damen und Herren, es ist unverantwortlich, dass der Lebensmittelhandel die schwierige Angebotssituation derartig ausnutzt und hochwertige Lebensmittel als Lockangebote im Wettbewerb um Marktanteile regelrecht verschleudert.
Faire Preise sind für Hessens Milchbauern aber überlebensnotwendig. Träumereien wie die von lila Kühen helfen uns nicht. Auslöser dieses Preisverfalls ist ein bisher nicht gekannter Preiskampf zwischen den Discountern um Marktanteile. Das muss man auch wissen: Bei Überkapazitäten auf den Verkaufsflächen werden Lebensmittel wie Milch als Lockangebote angepriesen, um damit die Kunden in die Läden zu locken. Bei Ladenverkaufspreisen von 48 Cent für einen Liter Milch mit 3,8 % Fett oder 65 Cent für ein halbes Pfund Butter fühlen sich manche in die Zeit nach dem Krieg versetzt.Es sind Preise von Anfang der Fünfzigerjahre, und wohin sind die anderen Preise alle marschiert? Die geringen Erlöse von heute halten mit den heutigen Produktionskosten nicht mehr Schritt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Molkereien und die Discounter haben natürlich auch noch eine Gewinnmarge kalkuliert. Dann ist klar, dass bei diesen Ladenpreisen die Milchbauern im Endeffekt die Verlierer sind. Bei Basispreisen von 18 bis 22 Cent je Liter Milch kann kein Betrieb existieren. Deshalb muss man Verständnis haben für die Existenzsorgen der Milchbauern.
Ein Hauptgrund für die massiven Einbrüche bei den Preisen ist zum einen in der Finanzkrise zu suchen und in den dadurch zurückgehenden Exporten. Man muss aber auch die Kaufzurückhaltung der Verbraucher sehen. Ein weiterer Grund ist – ich habe es angesprochen – die Veränderung der Rezepturen in der Nahrungsmittelindustrie.Wie anfangs erwähnt, ist die Verwendung von Analogkäse, einem Kunstkäse,als Ersatz für Naturkäse aus Milch ein besonderes Ärgernis. Hier brauchen wir eine klare Kennzeichnung als Nichtkäse und wirksame Kontrollen. Insbesondere die Verbraucher können aber mit ihrem Kaufverhalten darauf hinwirken, dass dort, wo „Käse“ draufsteht, auch wirklich Käse aus Milch drin ist.
Wenn die Milchbauern durch eine verfehlte Preispolitik in den Ruin getrieben werden, wird es bald nicht nur keine heimisch erzeugte Milch mehr geben, sondern es werden auch die Landwirte fehlen, die unsere Kulturlandschaft pflegen. Dann wird sich die Kulturlandschaft massiv verändern.
Wir hessischen Landespolitiker haben nur einen begrenzten Einfluss auf die Milcherzeugung, da hier europäische Regelungen gelten. Wir haben auch keinen Einfluss auf den Milchpreis, der zwischen den Molkereien und den Verkaufsstellen, sprich: Discountern, ausgehandelt wird. Der aktuell beschriebene Weg einer Lebensmittelkette aus dem osthessischen Raum,den Kunden pro Liter Milch sieben Cent mehr abzunehmen und diesen Betrag in einen Fonds einzuzahlen, ist wenigstens ein Versuch dieser Lebensmittelkette, den Milchbauern zu helfen. Dieser Versuch ist zu begrüßen. Wie der weitere Fortgang ist, werden die Bauern mit Interesse verfolgen.
Wir müssen den von der CDU-geführten Landesregierung seit vielen Jahren beschrittenen Weg weitergehen. Aktuell bedeutet das die Erhöhung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete auf bis zu 180 c/ha Grünland
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir uns außerdem gemeinsam um eine Angleichung der deutschen Steuersätze für Agrardiesel an europäisches Niveau bemühen müssen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von den dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Trinkt doch lieber Milch!)
Lieber Kollege Frömmrich, wenn Sie sich hierhin stellen und lachen, sage ich Ihnen: Das sind pro 100 Hektar 40 c, die den Landwirten verloren gehen. Das muss man wissen.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir reden über Milch, nicht über Diesel! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind doch an der Regierung! Wie heißt die Landwirtschaftministerin?)
Ach, Herr Frömmrich. – Die Landespolitik wird auch weiterhin den landwirtschaftlichen Berufsstand unterstützen, auch um zusätzliche Einkommensquellen zu eröffnen. Die Erweiterung des Berufsbilds Landwirt um „Energiewirt“, über die wir schon viele Jahre sprechen, ist ein Beispiel dafür. Bei den nachwachsenden Rohstoffen muss noch mehr getan werden.
Noch ein Satz, Herr Präsident. – Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen. 2007 und 2008, als die Lebensmittelpreise etwas stiegen, bekamen wir auf einmal die Diskussion „Teller oder Tank?“ Von dieser Diskussion höre ich jetzt nichts mehr. Wir brauchen eine Chance, neue Einkunftsmöglichkeiten für die Landwirtschaft zu erschließen. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir vergeht das Lachen, wenn ich mir hier anhören muss, wir müssten den erfolgreichen Weg der CDU der letzten Jahre weitergehen. Im letzten Jahr haben wir hier gestanden, haben uns mit den Milchbauern solidarisiert, haben gesagt, dass wir ihnen helfen müssen. Die Milchbauern haben darum gekämpft,dass die Preissituation ein bisschen besser wird. Dieses Jahr stehen wir wieder hier, und die Lage der Milchbauern ist,auf Deutsch gesagt,noch beschissener als im letzten Jahr.
Das stimmt allerdings. Wenn ich mir anschaue, wie hier nicht zugehört wird,wie hier dazwischengebrüllt wird,wie hier gepöbelt wird, dann finde ich, es gibt eine ganze Menge Menschen, die über ihren Sprachgebrauch nachdenken müssten.
Ich hoffe, es ist jetzt gut. – Wenn ich mir anschaue, dass die Bauern dieses Jahr wieder erleben, dass die CDU demonstrativ Milchtüten auf ihre Plätze stellt – hätten wir das gemacht, dann wären wir wahrscheinlich schon rausgeflogen – und sagt, wir sollen so weitermachen wie bisher,dann kann ich den Bauern doch nur raten:Macht eure Betriebe gleich zu, im nächsten Jahr wird es noch schlimmer.
Schuld an der aktuellen Misere der Milchbauern sind das Versagen des Marktes und die eigennützigen Interessen der Verarbeitungsbetriebe und des Handels. Die Milcherzeuger sind zum Spielball von Spekulationsinteressen auf dem Agrarmarkt und dem Preis- und Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel geworden. Dabei zwingen die Einzelhandelskonzerne aufgrund ihrer Marktmacht die Erzeuger, ihre Milch manchmal zu einem Preis zu verkaufen, der unter dem Erzeugungspreis liegt. Die Milchbauern wollen aber einen Preis erzielen, von dem sie leben können. Sie wollen nicht von Subventionen leben; denn jeder Mensch hat ein Recht darauf, von dem Ergebnis seiner Arbeit zu leben und nicht, obwohl er arbeitet, noch unterstützt werden zu müssen, damit er überleben kann. Das geht den Bauern ganz genauso.
Ihnen fällt überhaupt nicht Neues mehr ein, außer den Mist von voriger Woche und von gestern zu repetieren, von dem Sie gar nichts verstanden haben.
Vorrangiges Ziel muss es sein, die Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu erhalten und eine umweltschonende Landnutzung im Interesse der gesamten Gesellschaft zu sichern. Sich selbst regulierende Märkte sind – die Finanzmarktkrise hat uns dies allzu deutlich vor Augen geführt – für solche umfassenden Regulierungsziele nicht geeignet. Wettbewerb und Konkurrenz zerstören vielmehr gewachsene Strukturen und bedrohen den sozialen Frieden in den Dörfern und den kleinen Städten.
Die Erzeugerbetriebe benötigen dringend verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu muss die Position der Erzeugerbetriebe gegenüber Handel und Molkereien gestärkt werden. Diese brauchen mehr Einfluss auf die Preisgestaltung gegenüber den erpresserisch wirkenden und hoch konzentrierten Einzelhandelsstrukturen.Die gerade wieder vorgeführte Praxis der großen Discounter, wie Aldi und Lidl, mit Verkaufspreisen unter dem Einstandspreis muss unterbunden werden. Wir haben das Gesetz zur Bekämpfung von Missbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels.Wenn das nicht reicht, dann muss man das Gesetz eben nachbessern, aber auch entsprechend anwenden.