Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Ich bin der Meinung, eine solche Art der Regulierung kann man dann auch auf Hedgefonds ausweiten, international verankern und auf Wahlplakate kleben. Sie werden nämlich keine realen Auswirkungen haben. Eine wirkliche Verschärfung der Kontrolle, eine echte Einschränkung der Mechanismen, die in diese Krise geführt haben und die sich als so verheerend erwiesen haben, kann ich derzeit nicht entdecken. Noch schlimmer: Bevor überhaupt erst einmal angefangen wird, auf Bundesebene Regularien einzuführen, sind die ersten schon wieder auf der Hut und warnen vor zu viel Regulierung, obwohl noch gar nichts passiert ist.

Wir brauchen keine Finanzhaie und hoch dotierten Beamten, die wirkungslose Regularien prüfen.Wir brauchen endlich wirkungsvolle Regularien, die diesem Treiben Einhalt gebieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit der Finanzkrise sind auf einmal die Stimmen verstummt – es sind viele Stimmen verstummt oder etwas weniger hörbar geworden, was sehr angenehm ist –, die immer gefordert haben, die gesetzlichen Privatisierungshürden für die Sparkassen niederzureißen. Das waren neben dem Internationalen Währungsfonds und der neoliberalen Wirtschaftswissenschaft vor allem die privaten Großbanken, Herr Reif, die nicht müde geworden sind, das

Vorhandensein des öffentlich-rechtlichen Bankensektors zu beklagen. Ich weiß, dass Sie sich heute nicht mehr daran erinnern wollen, weil das heute nicht mehr ganz so gut ankommt.

(Clemens Reif (CDU): Ich erinnere mich, aber das war nie unser Vorhaben!)

Denn gerade die Banken haben ein Interesse an der Abschaffung ihres Hauptkonkurrenten. Die öffentlichen Sparkassen haben im bundesdeutschen Spar- und Kreditgeschäft einen Marktanteil von gut einem Drittel. Sie haben also eine starke Position.Wäre das nicht so, würde die Krise die Sparer vermutlich noch viel stärker treffen. Die privaten Großbanken kommen nur auf einen Marktanteil von einem Viertel. Das finde ich angesichts dieser Krise sehr beruhigend.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Schützenhilfe kam von der EU-Kommission, die den öffentlich-rechtlichen Bankensektor schwächen wollte. Aber sie kam auch aus Wiesbaden, und zwar durch die Einführung der Handelbarkeit von Stammkapital und durch die Ermöglichung des Stiftungsmodells.Wir wollen nicht, dass private Geschäftsbanken Einfluss auf die Politik der Sparkassen bekommen. Damit würde das reine Gewinnstreben auch in den Sparkassen um sich greifen. Die Trägerschaft der Sparkassen muss bei den Kommunen bleiben und damit unter der Kontrolle der kommunalen Parlamente.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts und die kommunale Trägerschaft bieten die beste und einzige Gewähr für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags, und sie garantieren, dass das auch in Zukunft so bleibt. Weitere wichtige Schritte wären die Wiederherstellung der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung. Das wären wichtige Schritte zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Bankensektors.

Sehr verehrte Damen und Herren, die Sparkassen sind meiner Meinung nach durchaus ein Modell für den gesamten Bankensektor. Die Vergabe von Krediten ist systemrelevant. Dieses Wort haben wir heute schon oft gehört. Deshalb ist sie ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Deswegen braucht sie auch demokratische Kontrolle.

Die dauerhafte Überführung aller privaten Banken in die öffentliche Hand wäre eine notwendige Konsequenz aus dieser Finanzmarktkrise und würde dreierlei garantieren.

Erstens würde das Kreditgeschäft wieder in Gang kommen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind dringend auf Kredite angewiesen.

Zweitens würden so die Arbeitsplätze im Bankensektor erhalten und gesichert. Es ist doch nicht einzusehen, dass der Bund bei der Commerzbank mit sehr, sehr viel Geld einsteigt und dann dort 7.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Das ist wirklich staatliche Subventionierung von Arbeitsplatzabbau – und das auf Kosten der Steuerzahler. Was da passiert ist, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens können die enormen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die zukünftigen Gewinne kompensiert werden. Denn dann ist garantiert, dass nicht nur die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden, sondern dass ihr eben auch die zukünftigen Gewinne zugute

kommen. Denn wer die Kosten dieser Krise tragen soll, darüber schweigen Sie sich kollektiv aus, wo Sie doch sonst bei jedem sozialen Vorhaben, bei jeder Reform als Allererstes fragen, wie das zu finanzieren sein soll. Wer diese enormen Kosten irgendwann tragen soll, dafür haben Sie kein Konzept. Dass man vielleicht ausnahmsweise die Profiteure des Aufschwungs der letzten Jahre zur Kasse bitten könnte,beispielsweise durch eine Millionärsabgabe, kommt Ihnen nicht in den Sinn.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Ach!)

Deshalb wird es entscheidend sein, sich auch dieses Jahr dafür einzusetzen, auch nach der Bundestagswahl, dass die Krise nicht auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auf die Rentner abgewälzt wird,sondern dass die Profiteure zur Kasse gebeten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Mark Twain hat einmal gesagt – ich zitiere –:„Ein Bankier ist ein Mensch, der seinen Schirm verleiht, wenn die Sonne scheint und ihn sofort zurückhaben will,wenn es zu regnen beginnt.“ In schlechten Zeiten muss die Allgemeinheit einspringen, und in guten Zeiten will der Finanzmarkt nichts von ihr wissen.

Ich bin der Meinung, statt milliardenschwerer Rettungsschirme für Banken sollte der Bankensektor in die öffentliche Hand überführt werden. Das befürworten laut einer Umfrage zwei Drittel der Deutschen. Denen allen kann man die Sachlichkeit absprechen, wie die FDP das tut. Man kann sich mit der Meinung aber auch auseinandersetzen und überprüfen, ob das vielleicht ein Modell wäre, das sehr viel günstiger, sehr viel nachhaltiger und auch sehr viel demokratischer wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für die Landesregierung hat Herr Wirtschaftsminister Posch das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass in dieser Diskussion – sieht man vom Diskussionsbeitrag der LINKEN ab –

(Clemens Reif (CDU): Ja, sehr gut!)

das Gemeinsame und nicht so sehr das Trennende im Vordergrund stand. Ich glaube, das ist dem Problem, über das wir hier diskutieren, sehr angemessen. Vielleicht gelingt es uns in den Ausschussberatungen dort, wo das Trennende noch überwiegt, Lösungen herbeizuführen.

Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich möchte an das anknüpfen, was hier eingangs schon gesagt worden ist. „Krisen erfordern Konsequenzen“, hat der Vorsitzende des Wirtschaftausschusses gesagt. Ich teile diese Meinung. Ich will ausdrücklich hinzufügen:Krisen erfordern Konsequenzen.Transparenz und Aufsicht sind kein Widerspruch in einer sozialen Marktwirtschaft. Auch in einer sozialen Marktwirtschaft – darauf hat der Kollege Krüger hingewiesen – gilt Aufsicht und gelten Rahmenbedingungen. Die Rahmenbedingungen müssen gegebenenfalls neu definiert werden vor dem Hintergrund einer Krise, die nur

global zu erklären ist und deren Hintergründe keine nationalen Ursachen haben, sondern sich in der Tat im internationalen Bankenbereich abgespielt haben. Insofern, glaube ich, ist es richtig, darüber nachzudenken, was wir für diesen Bankenstandort, für den Finanzplatz Frankfurt und Deutschland machen können.

Erlauben Sie mir deshalb noch ein paar Worte zum Umfang. Denn vielen Menschen ist nicht bewusst, was das überhaupt heißt.Frankfurt/Rhein-Main ist neben London und Paris einer der großen Finanzstandorte. Wir haben 300 Banken in Frankfurt, und 85.000 Menschen arbeiten im Finanzgewerbe. Mit der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank haben wir wichtige Institutionen.

An dieser Stelle will ich darauf hinweisen, dass die Fürsorge für den Finanzplatz Frankfurt eine lange Tradition bei der Landesregierung hat. Die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank nach Frankfurt gekommen ist, ist darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der Wiedervereinigung die Deutsche Bundesbank erstmals ihren Sitz in Frankfurt bekommen hat. Es war der damalige Ministerpräsident Walter Wallmann, der das gemeinsam mit dem damaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Wolfgang Gerhardt realisiert hat.

Mit der Europäischen Versicherungsaufsicht beherbergt Frankfurt eine Institution, die in dem Prozess der Harmonisierung der EU-Versicherungsmärkte eine ganz wichtige Rolle spielt. Frankfurt ist auch Standort der Wertpapieraufsicht der BaFin.Nach Auffassung der Landesregierung – das ist auch von den Fraktionssprechern gesagt worden – sollten alle drei Aufsichtsstränge in Frankfurt konzentriert werden.

Ich will an dieser Stelle auch eines sagen:Wir sind mit der hessischen Landesvertretung in Brüssel sehr gut aufgestellt.

(Clemens Reif (CDU): Stimmt!)

Sie ist unmittelbar in diese Diskussionsprozesse eingebunden.

(Clemens Reif (CDU): Dank des ehemaligen Staatsministers Hoff!)

Ich will Herrn Hoff für seine Initiativen als Staatsminister sehr herzlich danken, die jetzt natürlich fortgesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Denn die Tatsache, dass man in dieser Frage auch immer über Standorte diskutiert,ist sehr heikel. Ich warne davor, die Standortdiskussion überzustrapazieren. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass eine öffentlich geführte Diskussion über Standorte dann,wenn man sich nicht einigen kann,letztendlich dazu führt,dass man zentrale Standorte in Brüssel sucht. Das wollen wir gerade nicht erreichen. Deswegen ist es notwendig, derartige Diskussionen sehr diskret zu führen. Deswegen ist es wichtig, dass unsere Vertretung in Brüssel hier maßgeblichen Einfluss hat.

(Beifall des Abg. Fritz-Wilhelm Krüger (FDP))

Neben der Standortbedeutung erlauben Sie mir ein paar Hinweise zu dem, was materiell diskutiert wird. Ich will ausdrücklich sagen: Die Landesregierung unterstützt die Bemühungen aller Länder und der Staatengemeinschaft der Europäischen Union und der Bundesregierung, international harmonisierte Aufsichtsregeln zu schaffen. Das umfasst das Bestreben nach Regulierung und Beaufsichtigung aller systemrelevanten Finanzmärkte, Finanzpro

dukte und Marktteilnehmer einschließlich Hedgefonds, Ratingagenturen, insbesondere auf nationaler Ebene.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas sagen, was von den GRÜNEN und auch von den Sozialdemokraten angesprochen worden ist: die Frage, wie wir sicherstellen, dass der Kunde tatsächlich besser geschützt wird.

Als Erstes lassen Sie mich sagen: Die Anleger werden am besten dadurch geschützt, dass wir eine funktionierende Aufsicht und Transparenz haben.Denn wenn wir das nicht haben, stellt sich die Frage nach dem Anlegerschutz vor ganz anderen Hintergründen.Aber auch hierzu will ich etwas sagen.Wir unterstützen die Initiativen, die gegenwärtig ergriffen werden. Durch eine Änderung des Wertpapierhandelsgesetzes sollen Banken dazu verpflichtet werden, in Zukunft jedes Gespräch über eine Anlageberatung zu protokollieren. Der Kunde kann eine Ausfertigung des Protokolls verlangen, um hinterher zu Beweiszwecken auf dieses Protokoll Rückgriff zu nehmen. Der eine oder andere kennt das. Das, was bisher gemacht worden ist, reicht eben nicht aus, um ausreichend zu dokumentieren, ob der Anleger über das Risiko ausreichend informiert ist. Die Sonderverjährungsfristen im Wertpapierhandelsgeschäft sollen ebenfalls geändert bzw. aufgehoben werden.

Das heißt, die Landesregierung ist dabei, in diesen Bereichen die Bundesregierung in Berlin und die Bestrebungen auf europäischer Ebene zu unterstützen. Die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, mit einem Frühwarnsystem für systemische Risiken die sogenannte Makroaufsicht bzw. die Mikroaufsicht, die Aufsicht über einzelne Institute, anders zu organisieren, sind erste Schritte zur Optimierung der Aufsicht über grenzüberschreitend tätige Institute.

Die Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene müssen national flankiert werden. Deswegen teile ich das, was von den Kollegen Abgeordneten der Fraktionen gefordert worden ist.

Das betrifft insbesondere die Bankenaufsicht. Sie muss wirkungsvoller organisiert werden. Hierzu ist eine institutionelle und räumliche Verzahnung von BaFin und Bundesbank notwendig. Die Organisation und die Kompetenzen der BaFin müssen Teil eines Gesamtkonzepts der Reaktion auf die Krise sein. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch auf Initiativen hinweisen, die für den Standort wichtig sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang an das House of Finance erinnern, um das sich insbesondere Herr Kollege Weimar in besonderer Weise gekümmert hat, das Ende Mai 2008 eröffnet worden ist. Die Landesregierung hat mit dem House of Finance die Voraussetzungen für die Bündelung finanzbezogener Forschung, Lehre und Weiterbildung an der Goethe-Universität geschaffen.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ich glaube, der Ausbau des Humankapitals in diesem Bereich der internationalen Finanzwirtschaft am Standort ist eine entscheidende Voraussetzung für Innovation und Entwicklung einschließlich der Produktentwicklung.