Protokoll der Sitzung vom 20.11.2012

Zu wirksamen Veröffentlichungspflichten gehört nämlich auch die Einrichtung einer Meldestelle, die Unternehmen registriert, die als unzuverlässig gelten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das haben wir doch!)

Wir wollen deshalb das bereits bestehende Register bei der Oberfinanzdirektion künftig auch für die Kommunen ver

pflichtend machen, um dadurch auf einfache Weise eine klare Struktur zu gewährleisten. Herr Kollege Dr. Arnold, auf den Vorschlag der Regierungsfraktionen hierzu warten wir – ich sage gerne: ein bisschen ungeduldig – immer noch.

Der nächste Punkt in der Reihe der deutlichen Unterschiede ist der Mindestlohn. Wenn der Staat nicht endlich vorangeht und nicht wenigstens seine in Sektoren durchaus vorhandene, wenn auch beschränkte Marktmacht dafür nutzt, dass auch in diesem Land Löhne gezahlt werden, die er nicht selbst durch Transferleistungen ergänzen und subventionieren muss, sondern von denen man leben kann: Wer soll es denn sonst tun, wenn es der Staat nicht tut?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern deshalb einen Mindestlohn von 8,50 €. Wir wollen dafür sorgen, dass sich auch Nach- und Leihunternehmer daran halten müssen. Wer sich nicht tariftreu verhält, die für allgemein verbindlich erklärten Mindestlöhne nicht zahlt oder nicht regelmäßig nachweisen will, dass er sie zahlt, der kann und soll keine öffentlichen Aufträge bekommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Sie von der CDU und der FDP sehen die Tariftreue verbal zwar durchaus vor; Sie machen sie aber zu einem zahnlosen Tiger, weil Sie auf obligatorische Nachweispflichten verzichten. Herr Kollege Arnold, das ist mehr eine Symbolpolitik und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine wirklich wirksame Hilfe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Meinen Sie nicht, dass das eher eine Mogelpackung ist und deswegen negativ beurteilt werden wird? Meinen Sie nicht, dass Sie lieber einen klaren Mindestlohn festschreiben und dessen Zahlung auch nachweisen lassen sollten, damit Sie hier Handlungsfähigkeit beweisen?

Meine Damen und Herren, mein dritter Punkt betrifft die nachhaltige Beschaffung. Wir GRÜNE geben den Kommunen und Landesbehörden mit unserem Gesetzentwurf endlich die Möglichkeit, bei Bau- und Dienstleistungen sowie bei der Warenbeschaffung auch die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien zu verlangen, wie es in den meisten Bundesländern längst üblich ist. Sie können von einem Unternehmen, das als öffentlicher Auftragnehmer arbeiten möchte, natürlich auch ein Umweltmanagement verlangen. Die vergebenden Körperschaften sollten natürlich auch gehalten sein, die Folgekosten ihrer Beschaffung ernsthaft zu berücksichtigen und von sich selbst und ihren Auftragnehmern Nachhaltigkeitskonzepte zu verlangen.

Dabei lassen wir den Unternehmen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche der Kriterien für sie entscheidend sind. Das erst macht nämlich, wenn man es ernst meint, den Weg für eine nachhaltige Beschaffung richtig frei. Wir raten Ihnen: Machen Sie es einfach nach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Diagnose ist, dass Sie es nur wenig ernst meinen. Ihrem Gesetzentwurf sieht man nämlich an, dass die ökologischen und sozialen Kriterien kaum Beachtung finden, gelegentlich sogar – in Diskussionen hört man es immer wieder – als „vergabefremd“ diffamiert werden.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sind sie auch!)

Das muss dann doch erstaunen, Herr Kollege Dr. Arnold. Wie absurd das ist, sieht man, wenn man z. B. die Verlautbarungen auf der Website „hessen-nachhaltig“ mit den Äußerungen – wir haben es eben wieder gehört – im Zusammenhang mit der Vergabegesetzgebung vergleicht. Herr Dr. Arnold, im Netz ist nämlich unter dem freundlich dreinblickenden Konterfei des Finanzministers und der Überschrift „Vorreiter für eine faire und nachhaltige Beschaffung“ Folgendes zu lesen – ich zitiere –:

Rechtliche Vorgaben sind für die konkrete Beschaffungspraxis der öffentlichen Hand unerlässlich. … Klare Regelungen bieten am ehesten die Gewähr für die rechtskonforme Durchführung von Vergabeverfahren. Es werden insbesondere jeweils Vorschläge zu den Themen ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit und zu entsprechenden Kontrollmechanismen unterbreitet.

So wird es propagiert. Und dann sagen Sie hier, das sei „vergabefremd“. Meine Damen und Herren, von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit ist in dem Gesetzentwurf der Mehrheitsfraktionen leider so gut wie nichts zu finden. Schon deshalb steht er aus unserer Sicht nicht in Übereinstimmung mit den Äußerungen des Finanzministers und ist schlicht und einfach schlecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Kaufmann, Sie kommen bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Warum Sie so lange gebraucht haben, uns diesen schlechten Text vorzulegen, verstehe ich in der Tat nicht.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Die Zeit erlaubt es nicht, jetzt noch etwas zu dem zu sagen, was Sie zur Mittelstandsförderung in den Gesetzentwurf geschrieben haben. Das ist aber nicht schlimm, denn es handelt sich dabei um nichts Hilfreiches, sondern lediglich um weiße Salbe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Danke schön, Herr Kaufmann. – Als Nächste wird Frau Kollegin Waschke für die SPD-Fraktion zu uns sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im April dieses Jahres wird der stellvertretende Kreishandwerksmeister Michael Wißler in der „Fuldaer Zeitung“ wie folgt zitiert:

Er erinnerte daran, dass unter dem CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch beispielsweise die Justizvollzugsanstalt Hünfeld mit Billigfirmen gebaut wurde, ohne dass Aufträge an heimische Betriebe gegangen sind. Das Gleiche spiele sich jetzt beim Erweiterungsbau der Hochschule Fulda ab, wo frem

de Firmen mit Dumpinglöhnen das heimische Handwerk ausschalten würden.

Michael Wißler steht nicht im Verdacht, Sympathisant der SPD zu sein, und er sprach auf einer Veranstaltung der CDU-Mittelstandsvereinigung. Diese Aussage macht aber deutlich, dass es in Hessen einiges zu tun gibt, um den Mittelstand, um den sich CDU und FDP ja so gerne bemühen, vor der Dumpingkonkurrenz zu schützen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Das machen wir!)

Die SPD-Fraktion hat es erneut angepackt. Herr Kollege Kaufmann von den GRÜNEN, wir haben bereits im letzten Jahr ein Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz vorgelegt, mit dem wir die Vergabe öffentlicher Aufträge sehr umfassend geregelt hätten. Wir hätten uns auch die Zustimmung der GRÜNEN zu diesem Gesetzentwurf gewünscht.

(Beifall bei der SPD)

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir den Wettbewerb um die wirtschaftlich beste Leistung über Qualität und Innovation fördern. Wir wollen Betriebe, die die Mitarbeiter fair behandeln und ordentlich entlohnen, vor Wettbewerbsverzerrungen und Dumpingkonkurrenz schützen. So viel zu dem Thema, das der Kreishandwerksmeister angesprochen hat.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soziale, ökologische und arbeitnehmerfreundliche Kriterien berücksichtigt werden. Die Beteiligung an der Erstausbildung junger Menschen, Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollen in Zukunft in Vergabeverfahren berücksichtigt werden können. Öffentliche Aufträge dürfen nur noch an solche Unternehmen vergeben werden, die tariftreu entlohnen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Walter Arnold (CDU): Da sind wir uns doch einig!)

Dazu komme ich später noch, Herr Kollege. – Greift ein Tarif nicht, so schreiben wir einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 € pro Stunde vor, der jährlich an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden soll. Ein Mindestlohn von 8,50 € in der Stunde würde für Hessen übrigens eine Mehreinnahme von ca. 120 Millionen € bedeuten, und er würde die Kommunen von den Ausgaben für sogenannte Aufstocker entlasten.

Ministerpräsident Bouffier findet allerdings, dass ein von der Produktivität unabhängiger allgemeiner Mindestlohn allen ökonomischen Prinzipien widerspricht.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Recht hat er!)

Das ist in einer dpa-Meldung zur Bundesratsinitiative Thüringens für einen Mindestlohn nachzulesen. Deswegen sieht der CDU/FDP-Entwurf für ein Gesetz zur Förderung der mittelständischen Wirtschaft einen Mindestlohn natürlich nicht vor.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Ausdrücklich nicht!)

Aber hier kommen mir die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wie der Falschfahrer in der Einbahnstraße vor, der sich darüber wundert, dass ihm alle entgegenkommen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass bereits 13 Bundesländer die Vergabe öffentlicher Aufträge mit einem eigenen Gesetz geregelt haben. Acht davon haben einen Mindestlohn von 8,50 € festgeschrieben, was übrigens durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt wurde. Eine anständig entlohnte Arbeit, von der man auch leben kann, gehört für uns zur Würde des Menschen. Aber Sie von FDP und CDU haben noch nicht einmal das Problem erkannt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf auch die Vergabe an Subunternehmen klar regeln. Immer wieder hören wir von Fällen, in denen – auch auf öffentlichen Baustellen des Landes Hessen – zu unmenschlichen Bedingungen gearbeitet wird. Denken wir an die Baustelle des Landes Hessen an der Hochschule Fulda: Hier haben rumänische und portugiesische Bauarbeiter in Containern gehaust und monatelang keinen Lohn bekommen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Wir haben doch einen Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe!)

Herr Dr. Arnold, auch Sie haben das in der Presse verfolgt.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Arbeitnehmerentsendegesetz!)

Oder denken Sie an die Baustelle im Klinikum Bad Homburg, an den Erweiterungsbau der Universität Gießen und an den Kellerneubau der Staatsweingüter, der vor einiger Zeit erfolgt ist.