Protokoll der Sitzung vom 20.11.2012

Zum Ersten haben Sie hier gemutmaßt, warum sich wohl kleine und mittlere Unternehmen nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Bürokratie war Ihr Stichwort. Ich will etwas entgegenhalten.

Wenn Sie sich mit kleinen und mittleren Unternehmen unterhalten – ich tue das auch –, dann kommt ganz deutlich zur Sprache, dass es enorm schwierig ist, gegenüber Generalunternehmen und Subunternehmerketten, die daraus folgen, überhaupt in Konkurrenz zu treten. Da gibt es nämlich die Dumpinglöhne, gegen die faire und ordentliche kleine und mittlere Unternehmen dann in Konkurrenz treten müssen. Das ist genau der Punkt, den wir in unserem Gesetzentwurf regeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Am Schluss Ihrer Rede haben Sie gesagt, die Opposition würde dem Mittelstand, den kleinen und mittleren Unternehmen, misstrauen. Das weise ich in allerschärfster Form von mir. Wir misstrauen den Unternehmen nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir diese kleinen und mittleren Unternehmen schützen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nämlich genau die Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich, fair und tariftreu entlohnen. Wir wollen sie gegenüber denjenigen schützen, die das nicht tun.

Ich komme zu meinem dritten und letzten Punkt. Sie sind darauf eingegangen, dass unsere Gesetzentwürfe mit dem Recht der Europäischen Union nicht übereinstimmen. Das Stichwort dazu lautet Rüffert-Urteil. Ich möchte Ihnen entgegenhalten, dass es bereits in acht Bundesländern Mindestlöhne bei der Vergabe gibt, die gesetzlich festgeschrieben sind.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das macht es nicht besser!)

Offensichtlich ist das konform zu dem Recht der Europäischen Union.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Dr. Walter Arnold (CDU): Das klären wir!)

Herr Kollege Arnold, ich möchte das einmal an dem Beispiel Rheinland-Pfalz klarmachen. Rheinland-Pfalz hat genau das gemacht, was wir mit unserem Gesetzentwurf vorschlagen. Es gibt dort einen Mindestlohn von 8,50 €. Der ist gesetzlich festgeschrieben. Es gibt eine – –

(Zuruf des Ministers Florian Rentsch)

Herr Minister, das ist wirklich billig. – Weiterhin gibt es im Land Rheinland-Pfalz eine Kommission, die den Mindestlohn jährlich an die wirtschaftliche Entwicklung anpasst. Das ist vor drei oder vier Wochen geschehen. Diese Kommission hat vorgeschlagen, dass in Zukunft 8,70 €

Mindestlohn gezahlt werden sollten. Der Minister hat das übernommen.

An dieser Kommission sind auch Unternehmer beteiligt. Also auch die Arbeitgeberseite ist beteiligt. Sie haben am Anfang diese Kommission massiv bekämpft. Jetzt arbeiten sie mit und finden all das sehr erfolgreich, was da geschieht.

Deswegen kann man sich nicht hierhin stellen und sagen, das alles sei nicht mit dem Recht der Europäischen Kommission konform. Das ist nicht so. In anderen Bundesländern funktioniert das.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Wenn man den politischen Willen hätte, würde das in Hessen auch funktionieren. Deswegen haben wir unseren Gesetzentwurf vorgelegt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Frau Waschke, danke. – Herr Lenders, Sie können jetzt für die FDP-Fraktion erneut das Wort ergreifen.

Frau Wissler, die Erkenntnis, dass nicht der niedrigste Preis ausschlaggebend ist, ist nicht neu. Vielmehr hat es diese Erkenntnis schon immer gegeben. Es stand immer die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund.

Das Problem besteht nur in der Frage – das ist genau das, auf das Sie schon wieder abgezielt haben –: Wie kann ich diese Wirtschaftlichkeit eigentlich errechnen?

Das, was wir festgeschrieben haben wollen, ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit bezieht es sich immer nur auf die Folgekosten und die Nebenkosten.

Sie wollen sämtliche volkswirtschaftlichen Kosten auch noch mit hineinnehmen. Ich bin gespannt, wie Sie dann irgendeinen Preis feststellen wollen, der einer Überprüfung auch standhält. Das wird nicht gelingen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich habe schon einmal versucht, darzulegen, dass uns allen die Tarifautonomie eigentlich doch ein hohes Gut sein sollte. Ich frage mich schon, was wir für ein Bild von den Gewerkschaften haben, wenn wir jetzt hingehen würden und, abgesehen von dem Rüffert-Urteil, sagen würden: Wir wollen 8,50 € als Mindestlohn in das Gesetz hineinschreiben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das fordern die Gewerkschaften doch!)

Im Bauhauptgewerbe haben wir über das Entsendegesetz zum ersten Mal tatsächlich einen gesetzlichen Mindestlohn. Ich kenne kein Baunebengewerbe, in dem es nicht einen Tariflohn gibt. Warum wollen Sie eigentlich den Gewerkschaften die Existenzgrundlage entziehen? – Das gilt gerade für diesen wichtigen Bereich. Ich kann nicht einsehen, warum wir den Job der Gewerkschaften machen sollen, indem wir einen Mindestlohn in das Vergabegesetz hineinschreiben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie haben wirklich keinen blassen Dunst von Gewerkschaften! Sie erzählen hier so einen Kram! – Gegenruf des Ministers Florian Rentsch: Das ist aber auch sein Vorteil!)

Vielleicht ist das ein Vorteil für mich. – Ich möchte jetzt noch einmal auf das zu sprechen kommen, was Wirtschaftsminister Rentsch gesagt hat. Das ist vielen hier vielleicht nicht so bekannt. Es gibt eine Reihe mittelständischer Unternehmen, die sich ganz gezielt und ganz bewusst nicht mehr an der Vergabe der öffentlichen Aufträge beteiligen. Wenn das Platz greifen sollte, wäre das für den öffentlichen Auftraggeber nicht gut, weil er dann überhaupt keine Auftragnehmer mehr finden würde.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Holger Bellino und Kurt Wiegel (CDU))

Ich möchte ein Beispiel nennen. In der Bundesstadt Bonn sollten Ersatzteile für Fahrzeuge für Reparaturen und für eine Kläranlage beschafft werden. Das sollte nach den Vorschriften des TVgG-NRW geschehen. Das ist das Gesetz, das Pate für den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion gestanden hat. Es ging um Auftragsvolumina in Höhe von 500 € bis 10.000 €. Es hat sich kein Lieferant mehr gefunden, weil sich kein Lieferant in der Lage gesehen hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungserklärungen zu unterzeichnen. Das ist das wirklich der Worst Case.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Lenders, vielen Dank. – Als Nächster hat sich Herr Dr. Arnold für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mit Blick auf Frau Kollegin Waschke eines sagen: Ich glaube, wir sind alle miteinander bemüht, dass jeder Gesetzentwurf, den wir hier diskutieren, auch wirklich rechtskonform ist. Die Beispiele aus den anderen Bundesländern lasse ich einmal dahingestellt. Wir haben das hier als Frage aufgeworfen.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass ein Hessisches Vergabegesetz nur für den öffentlichen Auftraggeber und nicht für private Unternehmen in Hessen gilt. Wir sind der Auffassung, wenn in dem Vergabegesetz ein Mindestlohn vorgesehen würde, würde das gegen die im Rüffert-Urteil genannten Gründe sprechen. Deswegen wäre das nicht konform mit dem Recht der Europäischen Union.

Ich bitte Sie, diese Frage einfach einmal mit Ihren Vergaberechtsexperten zu klären. Wir werden das nach der Anhörung sicherlich intensiv miteinander diskutieren und dann gemeinsam zu einer Beurteilung kommen.

Frau Wissler, was mich in der Hauptsache hier nach vorne getrieben hat, ist das, was Sie über die Aufstocker gesagt haben. Ich habe nämlich das Beispiel eines jungen Mannes vor Augen, der in einem Unternehmen eine Arbeitsstelle sucht und einen Vertrag haben möchte, bei dem die Produktivität eben nicht ausreicht, um ihm die von Ihnen genannten 8 €, 9 € oder sogar 10 € pro Stunde zu geben.

(Zuruf von der SPD: Nennen Sie einmal Ross und Reiter!)

Nein, das werde ich sicherlich nicht tun. Ich hoffe, dass Sie mich für integer genug halten, dass ich Ihnen hier nichts erzähle, sondern dass meine Rede wirklich von einem klaren Beispiel geprägt ist. Ich kann Ihnen das gerne persönlich sagen. Aber ich werde das hier nicht öffentlich machen.

Eines steht fest: Dieser junge Mann sucht nach einer Arbeit, weil er nicht von Hartz IV leben möchte. Vielmehr möchte er arbeiten. Aber das Unternehmen kann ihm keinen höheren Lohn zahlen. Deshalb wird er einer der Aufstocker.

Ich ziehe vor jedem den Hut, der versucht, eine Arbeitsstelle zu besetzen und damit sein Geld zu verdienen. Machen Sie deshalb die Unternehmen nicht schlecht, die das in gutem Sinne tun. Ich rede nicht von denen, die Lohndumping betreiben.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die gibt es auch!)

„Die gibt es auch“, einverstanden. – Aber ich lasse nicht zu, dass die Betriebe jetzt hier in ein falsches Licht gestellt werden, die dafür sorgen, dass sie auch Leuten Arbeit geben können, die nicht diese hohen Löhne bekommen können.

Ich wäre froh, wenn das klappen würde. Ich glaube, dass das die richtige Lösung ist. Wenn wir hohe Mindestlöhne definieren würden, würden diese Arbeitsplätze möglicherweise wegfallen. Das wäre für die betroffenen Menschen nicht gut. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herr Dr. Arnold, vielen Dank. – Herr Staatsminister Rentsch ergreift erneut das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Frau Kollegin Wissler, ich will genau an das anschließen, was Herr Kollege Arnold gesagt hat. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich Sie nicht nur gelobt habe. Das haben Sie falsch verstanden. Vielmehr habe ich gesagt: Sie haben mit Sicherheit viel gelesen. Sie haben aber nicht alles wiedergegeben. – Das ist genauso, wie wenn ich zu Ihnen sagen würde: Sie haben schöne Schuhe, aber die passen nicht zu Ihnen. – Das ist auch kein Lob.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP)