Protokoll der Sitzung vom 21.11.2012

Natürlich, was denn sonst? Aber Sie können nicht sagen, das Land Hessen blüht, und die Hessen verdienen im Durchschnitt am meisten. Das ist zwar richtig, aber es hilft weder den entlassenen Schlecker-Mitarbeiterinnen noch den Mitarbeitern von Manroland oder denen von Neckermann. Ich sage Ihnen: Wenn Sie nicht sehen, was im Niedriglohnsektor los ist, sind Sie nicht nah bei den Menschen, sondern das Gegenteil davon: Dann sind Sie völlig abgehoben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Ministerpräsident Vol- ker Bouffier: Das ist geradezu abenteuerlich!)

Nein, nein. – Ihre Leuchttürme stürzen ein. Ich stelle mir vor, was man alles machen könnte. Wenn ich mir nur den Flughafen Kassel-Calden anschaue – es tut mir leid; ich sage das jetzt nicht, um die Abgeordneten der SPD zu ärgern, die da ebenfalls auf der falschen Spur sind –: Wir stecken fast 300 Millionen € in einen Flughafen, auf dem jetzt jeder Flug nach Nordzypern gefeiert wird, als ob er das achte Weltwunder wäre. Die Mitglieder armer nordhessischer Kegelklubs werden mit dem Lasso eingefangen, damit in den Flugzeugen endlich jemand sitzt.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir die Hälfte dieses Geldes in die Breitbandversorgung des ländlichen Raums gesteckt hätten, hätten inzwischen alle in Hessen einen schnellen Internetanschluss. Die Leute wären glücklich, und wir hätten im ländlichen Raum Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen bzw. gesichert. Die Menschen würden freiwillig und freudig Gebühren zahlen, und wir müssten diesem Nonsens-Flughafen nicht auch noch Subventionen hinterherwerfen. Das ist doch eine abenteuerliche Wirtschafts- und Verkehrspolitik, die Sie da betreiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Leuchttürme stürzen ein – Stichwörter: Flughafen Kassel-Calden, European Business School, Universitätsklinikum Gießen-Marburg. In dem Zusammenhang will ich Ihnen sagen: Man kann über Investitionsförderung reden. Aber, Herr Ministerpräsident, wenn ein Betreiber gekauft und zunächst gesagt hat: „Wir brauchen das nicht“, jetzt aber auf einmal erklärt: „Wir wollen vom Land zusätzliches Geld“, muss man zumindest über die grottenschlechten Verträge nachverhandeln, die Sie abgeschlossen haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ihre G-8-Reform ist gescheitert; sonst würden Sie jetzt keine Reform der Reform machen. Die neue Verwaltungssteuerung ist gescheitert. Da haben wir Milliarden von Euro verbrannt, mit dem Ergebnis, dass jetzt keiner mehr durchblickt und es übrigens auch nicht effizienter geworden ist.

Wir haben zu diesem Haushaltsentwurf knapp 90 Änderungsanträge eingebracht, in denen präzise beschrieben wird, was wir anders machen wollen: wo wir einsparen wollen, wo wir die Einnahmen erhöhen wollen und wo wir zusätzlich investieren wollen. Wir haben uns in den letzten Jahren in der Opposition nicht ausgeruht, sondern wir haben hart an unseren alternativen Konzepten gearbeitet.

Wir wissen, was diese Regierung falsch gemacht hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir trauen uns zu, es besser zu machen.

Diese Landesregierung hat keine Ideen mehr. Dieser Ministerpräsident hat keine Ideen mehr. Schwarz-Gelb ist erschöpft. Schwarz-Gelb ist verbraucht.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Nach dann 15 Jahren brauchen wir einen Neuanfang für dieses Bundesland – einen Neuanfang, auf den viele Menschen hoffen, die sich eine solide Finanzpolitik, eine bessere Bildungspolitik, eine bessere Kinderbetreuung, eine andere Wirtschafts- und Verkehrspolitik wünschen und die eine Landesregierung wollen, die noch Ziele hat, die nicht nur von der Macht und den Posten zusammengehalten wird, sondern die Politik machen will, die nicht arrogant über die Köpfe der Menschen hinweggeht, sondern mit den Menschen und für die Menschen gemacht wird. Herr Ministerpräsident, wenn man sich überlegt, was wir heute Nachmittag bei dem Haushalt des Rechnungshofs diskutieren: Dass bei Ihnen erst der Mensch, dann das Land und dann die Partei kommt, darüber müssen Sie doch selbst lachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Ministerpräsidenten Volker Bouffier)

Herr Ministerpräsident, wir ziehen heute Bilanz von Schwarz-Gelb. Das Ergebnis dieser Bilanz ist: Das wird der letzte Haushalt von Schwarz-Gelb sein, und das ist auch gut so.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion der FDP, Herr Kollege Greilich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In knapp eineinhalb Wochen ist der 1. Advent, und dann steht schon fast Weihnachten vor der Tür. Wenn wir eine Lehre für die Weihnachtszeit aus den Reden der beiden Oppositionsvorsitzenden mitnehmen können: Leute passt auf, traut nicht allen, die im roten Gewand vor der Tür stehen und Geschenke versprechen, vor allem dann nicht, wenn sie von kleinen grünen Helferlein begleitet werden.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Gelben Schnee soll man auch nicht essen!)

Hessen ist ein starkes Land mit einer starken Wirtschaft. Hessen ist ein liberales und ein weltoffenes Land, und Hes

sen ist ein Bildungsland. Dazu komme ich noch im Einzelnen, weil Herr Schäfer-Gümbel dort bemerkenswerte Positionen für seine Partei vertreten hat.

(Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zunächst einmal sollten wir uns mit den Grundlagen beschäftigen, auf denen wir hier arbeiten. Ein klares Anzeichen für die Stärke unseres Landes ist die letzte Steuerschätzung, welche für das Jahr 2012 ein Rekordaufkommen erwarten lässt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür können Sie aber doch nichts! – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Verglichen mit der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres werden die Mehreinnahmen voraussichtlich 200 Millionen € höher ausfallen, als von uns richtigerweise vorsichtig geschätzt. Mit diesen Zahlen werden die politischen Wettbewerber in diesem Hause, die immer davon reden, wir hätten ein Einnahmenproblem, Lügen gestraft.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Grunderwerbsteuer!)

Wir beweisen wieder einmal: Dieser Staat hat kein Einnahmenproblem. Dieser Staat hat ein Ausgabenproblem.

(Zurufe der Abg. Marius Weiß (SPD) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb machen wir mit dem vorgelegten Doppelhaushalt 2013/2014 einen weiteren Schritt auf dem von uns eingeschlagenen Pfad, der uns zu dem Ziel führt, die Verfassungsvorgabe zu erfüllen, die von uns verlangt, spätestens im Jahr 2020 die Nettoneuverschuldung auf null zurückzufahren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben die Grunderwerbsteuer erhöht! Sie Steuersparer! – Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir liegen mit diesem Haushaltsplan sogar deutlich unter dem ursprünglich geplanten linearen Abbaupfad. Die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen schließt sich immer schneller.

Ich sage das sehr deutlich: Ich bin den hessischen Bürgerinnen und Bürgern sehr dankbar, dass sie sich mit einer breiten Mehrheit dafür ausgesprochen haben, die Schuldenbremse in der Hessischen Verfassung zu verankern. Mit diesem Abstimmungsergebnis wurde ein deutliches Signal an alle politisch Verantwortlichen gesetzt. Dieses Zeichen haben wir angeregt. Das haben wir gewollt. Daher werden wir es konsequent umsetzen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die hessischen Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen: Wir haben mit unserem Koalitionspartner verabredet, diesen Weg konsequent fortzusetzen, damit wir nicht erst 2020, sondern schon 2019 eine Nettoneuverschuldung von null erreichen. Ich füge hinzu: Wir werden uns im Haushaltsvollzug und bei der Aufstellung der folgenden Haushaltspläne anstrengen, das Ziel der schwarzen Null schon im Jahr 2018, vielleicht sogar schon 2017 zu erreichen.

Deswegen haben wir bereits einige strukturelle Konsolidierungsmaßnahmen umgesetzt, die es uns erlauben, auch künftig den Handlungsspielraum zu haben, den man für die Gestaltung der Landespolitik braucht. Weitere Konsolidierungsmaßnahmen werden folgen.

Das war und ist nicht leicht und musste auch gegen teilweise erheblichen Widerstand durchgesetzt werden. So haben wir die Straßenverkehrsverwaltung modernisiert und umstrukturiert und dabei rund 300 Stellen eingespart, ohne dass Standorte geschlossen worden wären. Wir haben die Gerichte neu organisiert, und wir werden auch die Schulverwaltung umstrukturieren.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Im vorliegenden Haushaltsplan können Sie, wenn Sie lesen können, nachlesen, dass wir damit bereits im ersten Anlauf in der Schulverwaltung 115 Stellen einsparen. Insbesondere – auch das sei zum wiederholten Male erwähnt – sparen wir hoch dotierte Leitungsstellen ein. Das ist vernünftig. Die SPD-Ankündigung, solch vernünftige Maßnahmen rückgängig zu machen, richtet sich selbst.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit 2009 haben wir über 2.300 Stellen im Land eingespart, ohne die Qualität der staatlichen Leistungen einzuschränken. Im Gegenteil, sie ist besser geworden. Sie werden keine Beschwerden in dieser Richtung hören. Es hat, so gesehen, kaum einer gemerkt, dass 2.300 Stellen eingespart wurden.

Auf diesem Weg gehen wir mit dem vorliegenden Doppelhaushalt weiter. Auch zukünftig werden wir intelligent sparen, ohne dabei wichtige Zukunftsinvestitionen zu vernachlässigen. Deshalb bleiben wir bei unseren Schwerpunkten Familie, Bildung, Hochschule, Forschung und Infrastruktur. Dort wird nicht gespart. Dagegen heben wir zielgerichtet Einsparpotenziale in Bürokratie und Verwaltung.

Die Zukunftsfelder der hessischen Landespolitik spiegeln sich auch in dem vorgelegten Doppelhaushalt wider. Wir schaffen, wie versprochen, weitere 200 Lehrerstellen und erreichen damit unser Ziel, wie angekündigt, 2.500 zusätzliche Lehrerstellen in dieser Legislaturperiode zu schaffen. Schon heute haben wir die beste Lehrerversorgung, die es in Hessen jemals gab.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ein Blick auf die Alternativangebote der Opposition, die man im Feldversuch bestaunen kann, lohnt sich, damit jeder klar sieht. Auf der anderen Rheinseite in RheinlandPfalz baut Rot-Grün 2.000 Lehrerstellen ab, wir 2.500 auf. In Baden-Württemberg jubeln die GRÜNEN, weil sie der SPD noch mehr Bildungsabbau abgetrotzt haben. Versprochen hatte man einen echten Bildungsaufbruch. Auch in Hessen machen die GRÜNEN immer gern große Versprechungen. Geliefert wird dagegen knallharter Bildungsabbau. 11.600 Lehrerstellen – das wurde schon erwähnt – werden abgeschafft. Sollen die Schüler doch sehen, wie sie zu gutem Unterricht kommen. Das ist doch den GRÜNEN egal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir halten die Bastion gegen grün-rote Praxis. Die Feldversuche in unseren Nachbarländern zeigen, wovor Hessen geschützt wer

den muss. Ich verspreche Ihnen: Wir arbeiten mit ganzer Kraft daran, Hessens Schüler vor den GRÜNEN und ihren Helfern von der Einheitsschulpartei zu bewahren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Unsere Kultusministerin Nicola Beer arbeitet unermüdlich daran, dass wir nicht nur die ohnehin schon hervorragende Versorgung unserer Schulen mit Lehrern noch weiter verbessern, sondern auch dafür, dass die Eltern in Hessen auch die Wahl haben, für ihre Kinder das passende Schulangebot zu finden, ob hinsichtlich der Schulform oder des Lerntempos. Für uns ist Freiheit und damit auch Wahlfreiheit nicht nur ein Wort. Das zeigen wir. Dafür danke ich an dieser Stelle Nicola Beer ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Investitionsausgaben für Hessen werden von uns im Doppelhaushalt 2013/2014 mit insgesamt über 4 Milliarden € auf dem hohen Niveau der Vorjahre gehalten. Was besonders wichtig ist: Die Mittel für den Straßenbau werden mit jeweils 100 Millionen € in beiden Jahren auf einem hohen Stand gehalten, um in Hessen die erforderliche Mobilität weiter zu gewährleisten und sogar noch zu erhöhen.