Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Meine lieben GRÜNEN, ich habe den Verdacht, dass der Elternwille, der ja durchaus kein homogenes Gebilde ist, von den GRÜNEN gerne im Lichte der eigenen parteipolitischen Programmatik interpretiert wird. – Aber zurück zum Einheitsantrag von CDU und FDP.

Weil es uns um das einzelne Kind geht, wollen wir es den Schulen auch ermöglichen, als Gemeinschaftsschule längeres gemeinsames Lernen anzubieten und das Kind so in den Mittelpunkt zu stellen, dass sowohl leistungsstarke als auch Kinder mit Lernschwierigkeiten davon profitieren können: lernen in eigenem Tempo, lernen in der Ganztagsschule, lernen in der und von der Vielfalt der Klassenkameraden, von denen jeder und jedes Kind einmalig in seinen Talenten, Interessen und Entwicklungen ist, eine Schule, die vom Kind her denkt und Unterricht und Angebote am Kind orientiert. Meine Damen und Herren, wer dies als „Einheitsschule“ verunglimpft, beweist letztlich nur Einfalt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ein Blick in die anderen Bundesländer zeigt, dass die hessische CDU bald das letzte gallische Dorf sein wird, das sich gegen das Angebot einer Gemeinschaftsschule keulenschwingend zur Wehr setzt.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Meine Damen und Herren, da Sie aber nicht über den Zaubertrank der Gallier verfügen, prophezeie ich Ihnen: Der Widerstand wird zwecklos sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Schleswig-Holstein hat den Anfang gemacht. Die dortige CDU muss nach ebenfalls erfolgloser Gegenwehr feststellen, dass Schulträger ihrer eigenen Partei gerne und oft Gemeinschaftsschulen beantragen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Auch in NRW genauso!)

In Baden-Württemberg gibt es nach 40 genehmigten Gemeinschaftsschulen in diesem Schuljahr für das nächste Schuljahr bereits 120 Anträge von Schulträgern auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule.

(Zurufe von der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Gegenrufe von der CDU)

Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie diese Länder wegen ihrer Regierungsmehrheiten nicht als Vorbilder nehmen wollen – das kann ich verstehen –, dann schauen Sie doch bitte nach Sachsen-Anhalt und dem Saarland. Beide Länder haben eine Große Koalition. SachsenAnhalt hat am 15.11., also letzte Woche, ein neues Schulgesetz beschlossen und darin die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen aufgenommen. Die CDU von Sachsen-Anhalt hat bereits im Jahr 2010 dem Beschluss eines Bildungskonvents von Parteien und Verbänden zugestimmt,

in dem es heißt, das Bildungssystem Sachsen-Anhalts sei für das längere gemeinsame Lernen weiter zu öffnen.

Zum Schuljahr 2012/2013 hat auch das Saarland den Startschuss für die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen gegeben. Das Saarland wirbt mit einem Faltblatt: „Gemeinsam geht Bildung besser“.

(Die Rednerin hält ein Faltblatt hoch.)

Das ist nicht nur ein Appell an die Schulen, sich in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln – ich denke, das kann auch ein Appell an Sie sein.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, im Jahr 2010 hat mein Fraktionsvorsitzender Schäfer-Gümbel im Zusammenhang mit unserer Vorlage eines Schulgesetzentwurfs dem Ministerpräsidenten und der Kultusministerin Konsensgespräche über die Bildungspolitik in diesem Land angeboten.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Meine Damen und Herren, Sie haben dieses Angebot abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: So sieht es nämlich aus! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich habe das schriftlich abgegeben!)

Sie haben sich in Ihrem gallischen Dorf verschanzt, und jetzt ziehen Sie wieder keulenschwingend in den Kampf. Schade, dass die hessische CDU offenbar unfähig ist, etwas dazuzulernen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Vielen Dank, Frau Habermann. – Als Nächster spricht Herr Kollege Wagner für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zurufe von der SPD: Der Traumpartner! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie sprach nicht vom Albtraum! Darauf will ich hinweisen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Woran merkt man, dass in Hessen bald Landtagswahl ist? Man merkt es daran, dass sich sowohl CDU als auch SPD in bildungspolitischen Fragen radikalisieren,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD)

dass die alten Plakate und Parolen herausgeholt werden, dass die CDU sagt: „Aber dem Alfred Dregger haben wir es geschworen“, dass die SPD sagt: „Aber dem Ludwig von Friedeburg haben wir es geschworen“.

Bringt das unsere Schulen weiter? – Nein, meine Damen und Herren, das bringt unsere Schulen nicht weiter.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht eben nicht um das einfache Schwarz-Weiß. CDU und FDP sagen: „Nur weiter so mit unserem Weg der letzten 13 Jahre“ – wir haben gesehen, wohin der uns geführt

hat. Ebenso falsch ist das einfache „Wählt uns, wir machen an den Schulen alles anders, und dadurch wird es besser“.

(Michael Siebel (SPD): Nicht alles anders, aber vieles besser!)

Diesen Schulkampf haben wir in Hessen in den letzten Jahrzehnten erlebt, und wenn wir ehrlich sind, wissen wir es alle: Er hat unsere Schulen nicht wirklich weitergebracht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn uns dieser Schulkampf nicht weiterbringt, wenn er vielleicht gut ist für die Wahlkampfstrategen oder für vermeintlich klare Wahlkampfaussagen, dann sollten wir es doch vielleicht einmal mit dem Gegenteil des Schulkampfs versuchen, nämlich mit einem Schulfrieden und damit,

(Michael Siebel (SPD): Den haben wir doch angeboten! Der Ministerpräsident ist nicht darauf eingegangen!)

dass in der Bildungspolitik endlich nur der Elternwille entscheidet. Dafür ist in diesem Haus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Garant: dass der Elternwille tatsächlich zählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wenn die politischen Parteien in einer Frage so zerstritten sind, wie es CDU und SPD sind, wenn sich das unversöhnlich gegenübersteht, dann tut es gut, zu schauen: Was wollen eigentlich die Eltern? Dann tut es gut, zu sagen: Lasst uns doch die Schulen den Weg gehen, den die Eltern wollen. Lasst uns doch endlich für alle Eltern die schulischen Angebote machen, die sie wollen. Lasst uns doch bitte aufhören, hier von Wiesbaden aus in der einen oder anderen Richtung den Eltern vorzuschreiben, welche Schule sie richtig finden sollen.

Das ist unser grünes Angebot für einen Schulfrieden. Das muss doch endlich auch in Hessen möglich sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, Sie können den Schulfrieden nicht für sich in Anspruch nehmen. In den vergangenen Wochen und Monaten durften wir sehen, welche Schwierigkeiten Sie haben, zu einem Schulfrieden innerhalb der Koalition zu kommen. Ihr koalitionsinterner Schulkampf hat auch ein Opfer gefordert. Nicht, dass ich es bedauern würde, dass Herr Irmer jetzt nicht mehr bildungspolitischer Sprecher ist.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das hätte mich auch gewundert!)

Aber wer sich, so wie Sie, wie die Kesselflicker über die Bildungspolitik streitet, der darf den Bürgerinnen und Bürgern nicht erzählen, dass er für Schulfrieden steht. Meine Damen und Herren, das geht nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schork spricht von Freiheit und Vielfalt, die Sie angeblich den Schulen und den Eltern gegeben haben. Von welcher Freiheit und von welcher Vielfalt sprechen Sie da? Von welcher Freiheit für wen und von welcher Vielfalt für wen?

Wo ist die Freiheit für die vielen jungen Menschen, die aus einkommensschwachen Haushalten kommen, die aus Haushalten kommen, in denen die Sozialstruktur, aus wel

chen Gründen auch immer, nicht so intakt ist, wie wir uns das alle wünschen? Wo ist die Freiheit für diese Kinder, einen Bildungserfolg im hessischen Bildungswesen zu erzielen? Nach 13 Jahren Schwarz-Gelb ist diese Freiheit eben nicht vorhanden.

(Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Es bleibt einer der größten sozialen Skandale in unserem Land, dass es uns immer noch nicht gelungen ist, den Bildungserfolg von Kindern vom sozialen Hintergrund der Eltern zu entkoppeln.