Protokoll der Sitzung vom 22.11.2012

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Wolfgang Greilich und Jürgen Lenders (FDP))

Das, was ich zu den Lehrerinnen und Lehrern gesagt habe, gilt natürlich auch für die schulformbezogenen Lehrpläne und Stundentafeln. Sie wollen die abschaffen. Sie wollen den Einheitslehrplan. Wir wollen in allen Schulformen Differenzierung, und zwar auch in den Lehrplänen und in den Stundentafeln.

Die SPD hat in den letzten 40 Jahren bei dieser Frage nichts hinzugelernt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das stimmt!)

Ich zitiere aus der Plenardebatte vom 4. März 1971:

(Lachen der Abg. Heike Habermann (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei allen Schwierigkeiten, die bei dieser wie bei jeder anderen Reformanstrengung zu überwinden sind, sieht sich die Hessische Landesregierung durch die bisherige Entwicklung gleichwohl in ihrer Zielsetzung bestätigt, die Gesamtschule als künftige Regelschule anzustreben.

Das sagte Ludwig von Friedeburg, der damalige Kultusminister.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Er war der Schrecken der Kinder! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Schork, Herr Irmer hat immer von Herrn Holzapfel geredet!)

Herr Kollege Al-Wazir, ich habe gesagt: Die SPD hat in den letzten 40 Jahren nichts hinzugelernt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich werde mit weiteren Zitaten belegen, dass es einen Weg gibt, der von Herrn von Friedeburg über Frau Ypsilanti zu Herrn Thorsten Schäfer-Gümbel führt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Herr Kollege Schork, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Ich möchte nur noch wenige Sätze sagen. – Mein zweites Zitat:

Welchen Namen das Kind bekommt, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall wird es so etwas wie eine Gemeinschaftsschule sein.

Das sagte Frau Ypsilanti gegenüber dem „Darmstädter Echo“ vom 22. Dezember 2006. Am 5. November 2012 sagte Herr Schäfer-Gümbel:

Ja, wir wollen einen Systemwechsel.

Wir wollen diesen Systemwechsel nicht. Wir stehen für eine erfolgreiche Bildungspolitik, für Freiheit, Vielfalt und Qualität. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sehr geehrter Herr Kollege Schork, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, bevor wir mit der Debatte weitermachen, begrüße ich auf der Besuchertribüne den Generalkonsul der Republik Irak, seine Exzellenz Herrn Ali Hadi Al-Bayati. Seien Sie uns im Hessischen Landtag sehr herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir machen in der Debatte weiter. Das Wort erhält nun Frau Abg. Habermann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schork, wissen Sie, Ihr Auftritt hat mich sehr an den der Mitglieder der republikanischen Tea Party im amerikanischen Präsidentenwahlkampf erinnert. Sie haben Präsident Obama wegen der Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung als Kommunisten beschimpft.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN))

Es ist nicht mehr zu leugnen. Auch wenn sich die Koalitionspartner in Hessen noch nicht auf einen Wahltermin einigen konnten, rücken die Wahlen zum Hessischen Landtag doch näher. Das beschert uns Debatten über die sogenannte Einheitsschule, die von der CDU düster und drohend am Horizont der hessischen Bildungslandschaft wie der Bi-Ba-Butzemann im Kinderlied beschworen wird.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Da lohnt sich ein Blick zurück. Im April 2007 debattierten wir in diesem Haus über einen Antrag, der von der damals noch allein regierenden CDU eingebracht wurde und den Titel hatte: „Schulvielfalt statt Zwangseinheitsschule“. Heute liegt uns die Weiterentwicklung mit liberalem Touch vor. Nun heißt es: „Freiheit, Vielfalt und Qualität statt Einheitsschule“.

Die Initiative ist deshalb weder wahr noch intellektuell anspruchsvoller geworden. Damals wie heute hat der Popanz mit der Einheitsschule nur einen einzigen Zweck: Er soll von dem eigenen bildungspolitischen Versagen und von eigenen Fehlern ablenken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Mario Döweling (FDP): Du lieber Gott! – Holger Bellino (CDU): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Wenn Sie etwas aus der damaligen schulpolitischen Debatte gelernt hätten, wüssten Sie, dass sich die Eltern weniger für Ihren Bi-Ba-Butzemann als dafür interessieren, ob ihre Kinder in der Schule optimal gefördert werden, ob es genügend Ganztagsschulen gibt und ob ihre Kinder Zeit zum Lernen haben. Sie wollen wissen, ob das gescheiterte Experiment G 8 endlich in ein Modell überführt wird, bei dem die Lernzeit nicht für eine Schule oder eine Schulform, sondern als individueller Anspruch eines einzelnen Kindes definiert wird.

Meine Damen und Herren, deshalb wird es Ihnen nicht gelingen, mit Lügen ein bildungspolitisches Konzept zu ver

drehen, dessen zentraler Punkt Ihnen trotz Rezitierens unserer Programmatik bisher entgangen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Holger Bellino (CDU): Das mit der Lüge nehmen Sie zurück! Im Plenarsaal wird nicht gelogen!)

Sie wollen immer noch die Kinder an die bestehenden Schulformen anpassen. Wir wollen, dass die Schulen so arbeiten können, dass sie sich an das einzelne Kind anpassen. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihren bildungspolitischen Glaubensbekenntnissen und unserer Überzeugung. Unsere Schulen können nur dann dem Anspruch gerecht werden, jedes Kind mitzunehmen und ihm den für seine persönliche Leistungsfähigkeit bestmöglichen Bildungsabschluss zu ermöglichen, wenn es ihnen gelingt, Unterricht und schulische Abläufe am einzelnen Kind zu orientieren. Dafür brauchen die Schulen eine Bildungspolitik, die sie dabei unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schork, deshalb wollen wir eine Lehrerausbildung, die stufenorientiert und nicht schulformorientiert ist. Das ist in anderen Bundesländern längst kein Teufelswerk mehr.

Deshalb wollen wir eine Schuleingangsstufe, die alle Kinder dort abholt, wo sie mit sechs Jahren bei Schuleintritt stehen, und ihnen die Chance gibt, die ersten Grundschuljahre schneller oder langsamer abzuschließen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Deshalb wollen wir die Ganztagsschulen fördern, wenn die Schulen und die Eltern das wünschen. Das sind dann Ganztagsschulen, die den Kindern Zeit zum Lernen, aber auch Zeit zum Entdecken, zum Miteinander und zur Freizeitgestaltung bieten. Herr Schork, wir wollen deshalb eine sechsjährige Mittelstufe, in der nachhaltiges Lernen und die Entwicklung eigener Schwerpunkte möglich sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Schork, wer da von Zwangsbeglückung redet, muss sich fragen lassen, warum er im Jahr 2004 die hessischen Schulen trotz massiver Ablehnung in der Anhörung durch die Lehrerverbände, durch die Eltern und durch die Schüler mit G 8 zwangsbeglückt hat.

(Beifall bei der SPD)

Die übergroße Mehrheit der hessischen Eltern und Schüler wünscht eine sechsjährige Mittelstufe. Wenn es um die Kinder geht, muss deren Wahlfreiheit umgesetzt werden.

(Petra Fuhrmann (SPD): So ist es!)

Frau Ministerin, wir stützen uns dabei nicht nur auf eine einzige Studie, die das aussagt. Gehen Sie einmal durch das Land. In allen Grundschulen werden die Eltern befragt, welches Modell sie wünschen. Die Abstimmung verläuft sehr eindeutig.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich gestatte mir jetzt auch eine Bemerkung an die Adresse unseres GRÜNEN-Traumpartners.

(Zurufe: Oi! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heike, dein Traumpartner! – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Der Traum wird zum Albtraum! – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Wenn gerade die Partei, die den Elternwillen wie eine Monstranz vor sich herträgt, diesem Elternwillen nicht nachkommt, dann verwundert das.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)